Bürokratie

Kommunale Auftragsvergabe vereinfacht

Die Verbände der Städte und Gemeinden loben die geplante Erleichterung bei der Vergabe von Aufträgen. Das entlastet sie finanziell und personell

Von 
Matthias Schiermeyer
Lesedauer: 
Auch die Beschaffung von Schulmaterial kann mit einer großzügigeren Vergabeverordnung erleichtert werden. © Hollemann/dpa

Stuttgart. Benötigt eine Gemeinde Schulbücher mit einem Auftragswert von mehr als 10 000 Euro, dann können die bisher nicht direkt bestellt werden. Erforderlich ist eine sogenannte „Verhandlungsvergabe“ mit einer beschränkten Zahl von Anbietern. Allerdings kann wegen der Buchpreisbindung über den Preis gar nicht verhandelt werden. Mit solchen Widersinnigkeiten bei der Auftragsvergabe müssen sich Verwaltungen täglich herumschlagen.

Nun naht eine deutliche Erleichterung für sämtliche kommunale Bereiche: Das Innenministerium arbeitet an einer praxisnäheren Vergabeverordnung. Demnach können die Kommunen im Land künftig Aufträge für Bau-, Liefer- und Dienstleistungen bis zu einem Betrag von 100 000 Euro direkt vergeben. Bis zu diesem Limit kann auf ein zeitintensives Vergabeverfahren verzichtet werden. Das Ziel ist: Kosten und Arbeitsaufwand von Verwaltungen und Unternehmen zu reduzieren.

„Wir wollen Regelungen auf das Nötigste begrenzen“

Künftig können geeignete Bieter somit direkt angesprochen werden, um sie zur Abgabe eines Angebots aufzufordern – etwa wenn man mit einem Handwerksbetrieb bereits gute Erfahrungen gemacht hat. Die Verhandlungsvergabe in der nächsthöheren Kategorie soll bis 221 000 Euro möglich sein – bisher galt das bis maximal 100 000 Euro.

„Wir wollen unnötige Bürokratie abbauen, Regelungen auf das Nötigste begrenzen und den Kommunen möglichst viel Freiheit geben, um ihre Aufgaben zu erledigen“, sagte Innenminister Thomas Strobl (CDU) unserer Zeitung. Derzeit würden Behörden und Verbände angehört. Er sei „sehr zuversichtlich, dass wir Anfang des neuen Jahres eine Entscheidung bekannt geben können“.

Damit werde die geltende Grenze für den sogenannten Direktauftrag um das Zehnfache erhöht – bisher ist von 10 000 Euro an ein Vergabeverfahren vorgesehen. „Das entspricht ganz dem Vertrauen, das wir in unsere Städte, Gemeinden und Landkreise haben“, sagte Strobl. Die Regierung setze darauf, dass Landräte, Oberbürgermeister und Bürgermeister „sehr verantwortungsbewusst handeln und ein Eigeninteresse daran haben, sparsam und wirtschaftlich zu sein“. Dass dieses Vertrauen nicht grenzenlos ist, zeigt sich allerdings an der Befristung der neuen Regelungen bis Oktober 2027. Dann wird erst mal überprüft, wie anstandslos damit vor Ort umgegangen wird.

Der Städtetag lobt den „wirksamen Beitrag zum Bürokratieabbau“, wie der Dezernent Sebastian Ritter sagt. „Die Erhöhung der Wertgrenzen ermöglicht mehr Flexibilität bei der Beschaffung.“ Auch Landkreistag und Gemeindetag „begrüßen insbesondere die Erhöhung der Wertgrenzen ausdrücklich“ – sie sei eine „erhebliche Entlastung für die kommunale Praxis“. Damit werde einer langjährigen Forderung entsprochen. Angesichts der notwendigen Investitionen in die Infrastruktur und der Unterbringung von Geflüchteten sei eine Beschleunigung der Verfahren „zwingend angezeigt“.

Es brauchte aber auch den Druck der Kommunalverbände: Zum 1. Oktober hatte das Land in der „VwV Beschaffung“ höhere Wertgrenzen für die Landesbehörden bei der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen geregelt. Deren Anwendung durch die Kommunen hat das Innenministerium am 25. September untersagt, so dass für sie weiterhin die im Mai erlassenen Grenzen galten.

Wenn Fördergeld fließt, bleiben die Regeln vorerst strenger

Offenbar traut man gerade kleineren Gemeinden nicht zu hundert Prozent. In Kernteams der Verwaltungen von einem halben Dutzend Angestellten könnte demnach der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit eher missachtet werden als bei der zentralen Vergabestelle einer Großstadt. Da ist vielleicht mal ein Beschäftigter versucht, einen ihm nahe stehenden Leistungsanbieter kurzerhand Direktaufträge zuzuschanzen – was bei Wertgrenzen von bis zu 100 000 Euro ein glänzendes Geschäft wäre. Doch niemand soll munter drauflos bestellen, ohne den eigentlichen Wert der geforderten Leistung zu kennen, weil dann nicht das wirtschaftlichste Angebot zum Zuge kommt. Auch soll vor Ort zwischen den beauftragten Betrieben gewechselt werden.

Dennoch haben die drei Kommunalverbände beim Innenministerium interveniert. Gepocht wurde auf ein einheitliches Vorgehen, um eine Benachteiligung kommunaler Auftraggeber zu vermeiden – erfolgreich, wie sich nun zeigt. Alle Wünsche sind damit noch nicht erfüllt, denn nun geht es noch um das Zuwendungsrecht. Gemeint ist, dass das Land als Fördermittelgeber das Vergaberecht wieder verschärft. Zum Beispiel wird der Direktauftrag einer Stadt auf 10 000 Euro begrenzt, wenn Fördergelder fließen sollen.

„Aus unserer Sicht muss man sich im nächsten Schritt die ganzen Nebenbestimmungen im Zuwendungswesen anschauen“, sagt Ritter. Bei Eigenbeschaffung und Vergaben, bei denen Fördermittel eines Dritten eingesetzt werden, müssten die erhöhten Wertgrenzen auch gelten. Federführend sei da allerdings das Finanzministerium.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen