Lampertheim. 150 und 125 Jahre werden sie alt, die beiden Gesangvereine MGV Cäcilia 1873 und MGV Sängerrose1898, welche sich in einem neuen Verein, dem GV Cäcilia1873/Sängerrose 1898, zusammengefunden haben. Grund genug, dieses Doppeljubiläum mit einer Matinee am 15. Oktober im Vereinshaus Krone entsprechend zu würdigen.
Es ist ein Ereignis, mit dem beide ehemalig selbstständigen Vereine an ihre Historie erinnern wollen, ohne dabei die weitere gemeinsame Zukunft aus dem Fokus zu verlieren. Wenn jetzt das 150-jährige Bestehen des MGV Cäcilia 1873 und das 125-jährige Bestehen des MGV Sängerbund/Sängerrose 1898 gefeiert werden, ist das auch ein Blick zurück in eine Vergangenheit, in der beide Vereine musikalisch und kulturell Großartiges geleistet haben.
„Dieser Blick zurück ist für alle Mitglieder wichtig“, meint auch der Vorsitzende Rainer Müller, denn bei allen Fortschritten und Veränderungen, die sich in der langen Geschichte ergeben haben, gehört das Erinnern an die eigenen Wurzeln zu einem unumstößlichen und notwendigen Bedürfnis.
Die ereignisreiche und wechselvolle Geschichte beider Vereine, deren Mitglieder aus einem ursprünglich eigenständigen Chor über eine Chorgemeinschaft bis zur Neugründung eines neuen, gemeinsamen Chores gegangen sind, ist beispielhaft. Bis zur endgültigen Vereinigung beider Chöre war ein langer Prozess zurückzulegen, wie die Vereinsdokumente erzählen. Dabei war die historisch gewohnte Eigenständigkeit das größte Hindernis.
MGV Cäcilia 1873: Vom Kirchenchor zum weltlichen Chor
Der MGV Cäcilia 1873 mit seinen 150 Jahren ist am längsten im kulturellen Leben der Stadt unterwegs. Gegründet als katholischer Kirchenchor, wurde er nach Differenzen mit dem damaligen Pfarrer bald verweltlicht und hat diese Entscheidung nach eigenen Angaben nie bereut. Befreit von hierarchischen Zwängen konnte der Chor sowohl bei der gesungenen Literatur als auch bei der Auswahl der Sänger frei entscheiden, wobei die Religionszugehörigkeit keine Rolle spielte.
Der MGV Sängerrose 1898 war im Gegensatz dazu von der Gründung an immer ein weltlicher Verein. Beide Chöre überstanden viele Wirren der Zeit mit ihren teils gravierenden Folgen. Erinnert sei nur an die damals übliche Behördenallmacht in den Gründerjahren und die Folgen des Ersten Weltkriegs. Die nachfolgende Naziherrschaft schnürte sämtliche Aktivitäten der Chöre in ein enges Korsett. Sichtbares Zeichen dieser Zeit sind auch die erhalten gebliebenen Vereinsprotokolle, welche in Ton und Formulierung den Gesinnungsterror der damaligen Zeit dokumentieren.
MGV Sängerrose 1893 hat auch Frauenchor
Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs konnte ein neuer Start gewagt werden, und beide Vereine entfalteten unter der Regie von renommierten Dirigenten ein vielfältiges und erfolgreiches musikalisches Leben. Aus der Vielzahl der Dirigenten der neueren Zeit soll an Franz-Josef Siegel bei dem MGV Cäcilia und Valentin Seib bei der Sängerrose erinnert werden. Beide haben die Qualität der Chöre maßgeblich geprägt, die in zahlreichen Konzerten und Auftritten ihren Ausdruck fand.
Der MGV Sängerrose 1893 verstärkte 2001 seine Bemühungen, den Chorgesang auf eine breitere Basis zu stellen. Ein Frauenchor wurde gegründet, der sich mit „Swinging Roses“ nicht nur namentlich ein modernes Gesicht gab, sondern auch mit der gesungenen Literatur voll dem Zeitgeist verschrieb. Eine musikalische Erfolgsgeschichte, welche mittlerweile über 20 Jahre anhält und sich in zahlreichen Auftritten manifestiert.
Immer weniger männliche Chorsänger
Dagegen machte die rückläufige Entwicklung von reinen Männerchören, beginnend in den 1980er Jahren, auch vor den beiden Jubiläumsvereinen nicht halt. Immer schwieriger wurde es, vor allen Dingen jüngeren Nachwuchs für den Chorgesang zu gewinnen. Dem Druck der Freizeitindustrie waren Männerchöre nicht mehr gewachsen, die Anzahl der Chorsänger wurden immer geringer. Trotz mannigfacher Bemühungen der Vereine blieb als letzter Ausweg nur die Suche nach Partnern, um eine vernünftige Chorstärke zu erreichen.
Wie der Vorsitzende Müller berichtet, wurden 2008 zwischen den Vorständen erste Kontakte geknüpft und eine Einigung erzielt, gemeinsam die musikalische Zukunft zu meistern. Eine Chorgemeinschaft wurde gebildet, gemeinsam geprobt und 2009 in der Hans-Pfeiffer-Halle ein großes Konzert gegeben. „Die Vorstände hatten nach den positiven Erkenntnissen dieser Zusammenarbeit das nächste Ziel ins Auge gefasst, den Zusammenschluss beider Vereine“, erinnert sich Müller. Zwei Vereinshäuser waren nicht tragbar, der MGV Cäcilia 1873 verkaufte seine Wirkungsstätte im Sandtorferweg.
Die Idee eines Vereins unter neuen Namen nahm Gestalt an. Nach Beschlussfassung beider Vereine wurde 2019 der GV Cäcilia1873/Sängerrose1893 gegründet und mit Weglassung des Begriffs Männergesangverein ein Zeichen für die Weiterentwicklung zu einem modernen Verein gesetzt. „Der Chorgesang wird weiterleben, wenn auch in anderer Form“, meint Müller, der seit 2015 die Vereinsgeschicke leitet. Auch in der Chorliteratur sieht er Ansatzpunkte. Sie ist zeitgemäßer und anspruchsvoller geworden: „Wir arbeiten an unserer Zukunft, die anders ist, als man in der Vergangenheit dachte, und den heutigen Erfordernissen Rechnung trägt.“
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