Einkaufsqualität für älterer Bürger wird immer wichtiger

Zertifikat "Seniorenfreundlicher Service" für Wertheimer Einzelhandel

Deutlich mehr als ein Viertel der Wertheimer Einwohner sind über 70 Jahre alt. Damit Einzelhändler und Dienstleister für deren Probleme beim Einkauf sensibilisiert werden, soll es in Kürze die Zertifizierung „Seniorenfreundlicher Service“ geben.

Von 
Heike Barowski
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Wertheim. Als Walter Ruf das Büro der Fränkischen Nachrichten in der Maingasse in Wertheim betritt, guckt er sehr genau hin, wie viele Stufen er dafür steigen muss. „Geht noch, aber .. .“, sagt er und lacht. Ruf wird in Kürze gemeinsam mit Alexander Gebhard unterwegs sein, und Einzelhandelsgeschäfte in der Innenstadt auf ihre „Seniorenfreundlichkeit“ überprüfen.

Stufen in ein Geschäft sind für die ältere Generation manchmal ein großes Hindernis. Doch nicht immer muss es gleich eine ebenerdig zu erreichende Klingel sein, die signalisiert, dass jemand das Geschäft nicht betreten kann und Hilfe benötigt – wie an der Apotheke am Marktplatz. „Ein Griff zum Festhalten nahe der Tür reicht oft schon aus“, erklärt Ruf.

Auslöser für die Aktion ist das gemeinsame Projekt „Seniorenfreundlicher Service“ der Seniorenräte in Baden-Württemberg, bei dem nach der Begutachtung und dem Ausfüllen eines Fragebogens am Ende eine mögliche Zertifizierung steht – sichtbar durch einen Aufkleber in der Tür. Ziel dieser Zertifizierung ist es, Betreiber des Einzelhandels, der Gastronomie und diversen Einrichtungen für die Senioren und ihre Belange zu sensibilisieren.

Ursprünglich sollte dieses Projekt landesweit bereits vor zwei Jahren anlaufen, doch die Pandemie ließ dies nicht zu.

Schwachstellen offenbart

Walter Ruf ist stellvertretender Vorsitzender im Kreisseniorenrat, stellvertretender Vorsitzender im Wertheimer Seniorenbeirat und leitete früher das Wohnstift samt Mutterhaus. Er kennt somit die Wünsche der älteren Generation sehr genau und hält die Zertifizierung für ein sinnvolles Mittel. Denn der Fragenkatalog offenbart manchmal Schwachstellen, an die der Geschäftsinhaber vielleicht nicht gedacht hat und die eventuell leicht zu beheben wären. Das Projekt soll sowohl in Lauda-Königshofen als auch in Wertheim durchgeführt werden.

„Wir hatten vor fünf Jahren bereits eine ähnliche Aktion in Wertheim und Kreuzwertheim“, erinnert sich Ruf. Damals habe man die Discounter überprüft. Sind Toiletten vorhanden? Gibt es Sitzgelegenheiten? Wie hoch werden die Getränkekisten gestapelt? Bieten die Gänge genügend Platz für eine Gehhilfe? All das spielte bei der Beurteilung eine Rolle. Das Zertifikat erhielten damals drei große Einzelhändler und war auf drei Jahre begrenzt.

Nun folgt das neue Projekt „Seniorenfreundlicher Service“. „Wir waren uns sehr schnell einig, dass wir diese Zertifizierung in der Wertheimer Innenstadt durchführen wollen, denn die Bevölkerung wird immer älter und eine Verbesserung der Einkaufsqualität für ältere Menschen ist wichtig“, so Ruf. Auch würden die vielen älteren Touristen davon profitieren, denn das landesweite Zertifikat habe einen hohen Wiedererkennungswert.

Ruf und Gebhard kommen jedoch nicht unangemeldet. Interessierte Einzelhändler und Dienstleister können sich beim Stadtmarketingverein melden.

Ist ein Termin festgelegt, kommen die beiden und arbeiten einen 26 Fragen umfassenden Katalog ab. Ist der Zugang barrierearm? Sind Parkplätze in der Nähe vorhanden? Gibt es Ablageflächen an der Kasse? Vieles, was das Einkaufserlebnis der älteren Herrschaften einfacher macht, wird abgefragt. Etwa 30 Minuten würde der Vororttermin dauern. Der ausgefüllte Fragebogen wird dann zur Überprüfung an den Landesseniorenrat geschickt und der erteilt das Zertifikat „Seniorenfreundlicher Service“. Von den 26 Fragen müssen für das Zertifikat mindestens 20 (also 75 Prozent) positiv beantwortet werden können.

Start im Frühjahr

Gestartet werden soll mit der Befragung im Frühjahr. Die Zertifizierung gilt für drei Jahre und ist für die Teilnehmenden kostenfrei.

Nach dem Einzelhandel in der Wertheimer Innenstadt soll der Bereich erweitert werden und neben Arztpraxen auch Apotheken, Banken, Dienstleister und Discounter beurteilt werden. „Wenn die Stadtverwaltung will, können wir natürlich auch mal das Rathaus überprüfen“, sagt Ruf. Erste Einrichtungen, wie das Glasmuseum und die Sparkasse, haben auf der kürzlich stattgefundenen Sitzung des Stadtmarketingvereins aus Interesse den Fragebogen schon mal mitgenommen.

Sowohl der Innenstadtmanager Christian Schlager als auch der Vorsitzende des Wertheimer Stadtmarketingvereins, Bernd Maack, begrüßen diese Aktion, erklärt Ruf. Beim Gespräch mit Maack habe Walter Ruf auch gleich mal die Filiale des Optikers unter die Lupe genommen, sozusagen einen ersten Probelauf gestartet. Von den 26 Fragen konnten 24 positiv beantwortet werden. Der Optiker an der Tauberbrücke könnte somit das Zertifikat „Seniorenfreundlicher Service“ erhalten.

Auch der Probelauf in der Außenstelle der Fränkischen Nachrichten erbrachte „die Bescheinigung“, dass man hier einen seniorenfreundlichen Service vorfindet.

Senioren-Statistik

Deutschlandweit führen Landkreise in Ostdeutschland die Statistik der ältesten Bevölkerung an. Wie das Statistische Bundesamt ermittelte, wurden im Jahr 2020 die ersten 23 Plätze von ostdeutschen Stadt- und Landkreisen belegt. Spitzenreiter war Suhl mit einem Durchschnittsalter von 51 Jahren. Auf Platz 24 der Landkreis Ostholstein mit einem Durchschnittsalter von 48,6.

Bei der Lebenserwartung führt Baden-Württemberg mit 79,8 Jahren vor Bayern mit 79,3 und Hessen mit 79, 1 Jahren.

Die Bevölkerung Baden-Württembergs war nach Feststellung des Statistischen Landesamtes am Ende des Jahres 2021 im Durchschnitt 43,8 Jahre alt und damit um rund neun Jahre älter als 1970.

Die meisten Hochbetagten in Baden-Württemberg (über 85 Jahre) leben in Stuttgart. 3100 Menschen in Land sind sogar älter als 100 Jahre.

Innerhalb des Landes zeigen sich deutliche Unterschiede: Von den 44 Stadt- und Landkreisen weist Heidelberg mit durchschnittlich 40,7 Jahren die jüngste Bevölkerung auf, in Baden-Baden ist sie mit 47,2 Jahren mit Abstand am ältesten, gefolgt vom Main-Tauber-Kreis auf Platz zwei mit 45,5 Jahren.

Betrachtet man den Altersdurchschnitt der 1101 Kommunen in Baden-Württemberg, lebt die jüngste Bevölkerung derzeit in Riedhausen im Landkreis Ravensburg (38,0 Jahre) und die älteste in Ibach im Landkreis Waldshut mit einem Durchschnittsalter von 53,6 Jahren. Wertheim rangiert auf Platz 930 mit einem Altersdurchschnitt von 45,7 Jahren.

Im Landkreis ist Assamstadt mit 42,3 Jahren Spitzenreiter mit der jüngsten Bevölkerung, gefolgt von Großrinderfeld mit 446 und Wittighausen mit 44,7 Jahren.

Külsheim, Freudenberg und Werbach dagegen haben den höchsten Altersdurchschnitt im Kreis mit 46,4 Jahren.

Wie Walter Ruf (stellvertretender Vorsitzender des Wertheimer Seniorenbeirats) feststellte, leben derzeit in Wertheim 6500 Menschen, die über 70 Jahre alt sind. Das macht deutlich mehr als ein Viertel der Wertheimer Einwohner aus. hei/Statistisches Landesamt

Redaktion Im Einsatz für die Lokalausgabe Wertheim

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