Urphar. Heimatforscher Kurt Schüll aus Marktheidenfeld beschäftigt sich schon seit über zehn Jahren mit Flugzeugabstürzen im Spessart und der Umgebung. Dabei konnte er bereits viele Details klären. Von Zeitzeugen hatte er vom Absturz eines Strahljägers Messerschmitt Me 262 der deutschen Luftwaffe am 21. März 1945 im Bereich Urphar erfahren (die FN berichteten bereits). Der Pilot, Unteroffizier Heinz Erben, wurde dabei getötet.
Abgeschossen hatte die Maschine damals ein amerikanisches Jagdflugzeug. Wo genau das Flugzeug eingeschlagen ist, war jedoch bis dato unbekannt. Aufgrund von Schülls Bericht in den Fränkischen Nachrichten am 31. Mai meldeten sich zehn Zeitzeugen bei ihm, die über den damaligen Luftkampf bei Urphar berichteten.
Äcker des Großvaters
Ein Urpharer erinnerte sich, die Maschine sei auf den Äckern seines Großvaters eingeschlagen. Die damaligen Kleingrundstücke gibt es nicht mehr. Sie boten Schüll jedoch einen Anhaltspunkt. So sondierte er die entsprechende Fläche. Unterstützt wurde er dabei von der 13-jährige Schülerin Karina Kaufmann, die ihn oft bei seinen Forschungen begleitet. „Das macht Spaß und ist interessant“, erklärte sie.
Die beiden fanden im Acker geschmolzene Aluminiumteile, welche eindeutig vom Bomber stammen. Der Fundort entspricht den Aussagen der Zeitzeugen.
Wie Schüll erklärte, sei die Maschine im Gewann „Roter Graben“ auf Urpharer Gemarkung in der Nähe zur Gemarkungsgrenze zu Reicholzheim eingeschlagen. Die Fläche befindet sich bei der Gemeindeverbindungsstraße der beiden Ortschaften.
Mittlerweile trafen sich Schüll, einige Zeitzeugen des Absturzes sowie Geschichtsinteressierte nahe der damaligen Absturzstelle, um die Erinnerungen daran auszutauschen. Die Zeitzeugen hatten den Absturz als Kinder beobachtet.
Beim Treffen dabei war unter anderem Werner Gegenwarth aus Waldenhausen. Zum Zeitpunkt des Absturzes der Me 262 habe er in Waldenhausen eine Gruppe junger deutscher Soldaten getroffen, berichtete er. Mit ihnen beobachtete Gegenwarth die abstürzende Maschine. „Wir standen unter der Waldenhäuser Brücke. Dort, wo kein Wasser floss“, blickte er zurück. Als neunjähriger Junge habe er damals vieles von den jungen Soldaten erfahren. Er habe hinter dem Flugzeug schwarzen Rauch gesehen. Der brennende Stahljäger sei von zwei weiteren deutschen Maschinen begleitet worden. Zudem habe er zwei oder drei US-Kampfjets gesehen, die die deutschen Flugzeuge verfolgten. „Für uns junge Kerle war es hochinteressant, so einen Luftkampf zu sehen.“ Laut Schüll erzählten weitere Zeitzeugen von acht US-Jägern in diesem Luftkampf.
Der Reichozheimer Gerhard Dreikorn war zum Zeitpunkt des Absturzes neuneinhalb Jahre alt. Er und einige Freunde hatten im Dorf davon erfahren und eilten mit ihren Fahrrädern zur Absturzstelle. „Die Maschine steckte schräg im Boden bis zum Beginn der Tragflächen. Der hintere Teil stand 1,5 bis zwei Meter nach oben“, so Dreikorn. Cockpit und Triebwerke seien nicht mehr zu sehen gewesen.
Der Reicholzheimer Hans Matzer war 1945 sechs Jahre alt. Er und seine Freunde eilten ebenfalls mit ihren Fahrrädern zur Absturzstelle – wo die Kinder aber nicht durchgelassen wurden. „Ich sah schon von der Reicholzheimer Kapelle aus Rauch“, schilderte Matzer die das damalige „Erlebnis“.
Patronenhülsen fielen vom Himmel
Als weiterer Zeitzeuge meldete sich der 93-jährige Robert Bruckbauer bei unserer Zeitung. Er stammt aus Bronnbach. Zum Zeitpunkt des Absturzes der Me war er 17 Jahre alt. Am Absturztag habe er Post zur Ebenmühle einen Kilometer vor Reicholzheim gebracht, berichtete er. Er sah dabei über sich fünf Mustangs sowie zwei deutsche Me und beobachtete zwei Angriffe. Die zweite deutsche Maschine sei langsamer geworden: „Die Mustangs konnten sie so überfliegen und beschießen.“ Die Me sei dann über dem Satzenberg in den Sturzflug gegangen und habe sich abfangen können. „Ich habe dann etwas Weißes gesehen, ich denke, das war der Fallschirm des Piloten.“ Dann sei die Me aus seinem Sichtfeld verschwunden. „Ich musste mich während des Luftkampfs unter eine Fichte stellen, um mich vor den herunterfallenden Patronenhülsen der Amerikaner zu schützen.“
Bruckbauers Onkel arbeitete damals als Flugzeugschlosser auf dem Wertheimer Flugplatz. „Er erzählte, der tote Pilot der Me sei am Leitwerk hängengeblieben. Die Maschine war für den Fallschirmeinsatz wohl schon zu tief“, so Bruckbauer.
Schüll stellte zu den Berichten fest: „Die Jugend war immer als Erste an solchen Absturzstellen, noch vor der Polizei.“
Mit den Aussagen der Zeitzeugen könne man Behauptungen von amerikanischer Seite widerlegen, betonte der Heimatforscher. So sei behauptet worden, dass die Me 262 bereits beim Abflug in Giebelstadt abgeschossen worden sei, da zwei Maschinen in Giebelstadt in der Nähe der Lande- oder Startbahn herabfielen und beide Piloten starben. Dies könne jedoch nicht stimmen, denn man sah alle drei Maschinen im Luftkampf über dem Taubertal.
So berichteten die Zeitzeugen, dass über Urphar noch die drei deutschen Maschinen zu sehen gewesen seien. „Die abstürzende Maschine verlor schon über Waldenhausen an Höhe“, sagte Gegenwart. Laut Schüll wurden die beiden anderen deutschen Flieger wohl beim Landeanflug auf ihre Basis in Giebelstadt abgeschossen.
Der 1922 geborene Heinz Erben wurde auf dem Wertheimer Bergfriedhof in einem Einzelgrab beigesetzt. Dort erinnert auch eine Grabplatte an ihn. Schüll wünschte sich von Urphars Ortsvorsteher Detlev Dosch, der ebenso am Treffen teilnahm, eine Gedenktafel am Absturzort. Man könne diese eventuell auch zusammen mit Reicholzheim errichten, schlug er vor. Dosch gefiel diese Idee.
Der Heimatforscher zeigte beim Treffen neben den in Uphar gefundenen Teilen der Messerschmitt auch Funde anderer Abstürze von Kampfflugzeugen aus der gesamten Region. Dabei erklärte er deren Funktion und Material. Abschließend stellte er mit Blick auf die Ereignisse in Urphar fest: „Ich bin froh, dass dieser Fall gelöst ist, denn neue warten schon“. So untersuche er aktuell unter anderem die Hintergründe zu einem Absturz auf der Landebahn des einstigen Flugplatzes Wertheim.
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