Reicholzheim. Monika und Konrad Schlör sitzen im beschaulichen Hof ihres Weinguts in Reicholzheim, das sie seit mehr als 35 Jahren betreiben. „Würde das bei uns an der Tauber passieren, unser Haus wäre wohl betroffen, allerdings nicht sehr stark. Aber die Gebäude näher am Fluss würden zerstört sein“, sagt er mit Blick auf die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal. Die Schlörs wissen, wovon sie sprechen, denn sie waren vor Ort, um ihren Winzerkollegen zu helfen.
Die Bilder des verwüsteten Tals gingen um die Welt, nachdem am 14. und 15. Juli massiver Starkregen das kleine Flüsschen im nördlichen Rheinland-Pfalz zu einem vernichtenden Strom gemacht hatte. Über 140 Menschen kamen ums Leben. Immer noch werden welche vermisst. Monika und Konrad Schlör erreichte der Hilferuf rasch. Sie waren mit Kindern und Enkeln auf einem Ausflug und hörten die Nachrichten über die Katastrophe im Ahrtal. Der Verband der Prädikatsweingüter (VDP) habe am Freitag, dem Tag nach der Flut, seine Mitglieder per Rundmail über die Zustände in dem Weingebiet informiert und eine Hilfsaktion gestartet.
Ernte sichern
Es ging vor allem darum, die Kollegen vor Ort dabei zu unterstützen, die diesjährige Ernte zu sichern. Denn für die Weinbauern dort geht es um die Existenz. Ihre Anwesen und Keller wurden verwüstet, Pressen, Tanks, technischen Anlagen waren weggeschwemmt oder zerstört worden – auch die Weinvorräte. Da findet man kaum Zeit, sich um die Reben zu kümmern.
Knapp eine Woche nach der Katastrophe trafen sie mit drei Bekannten im Ahrtal ein. Der Betreiber eines Weinguts habe sie per GPS zu einem Treffpunkt gelotst. Es ging in die Weinberge. „Dort haben wir die Gipfeltriebe entfernt, die Reben entblättert.“ Zwei Tage dauerte der Aufenthalt. Proviant hatten sie dabei. Ein Camping-Zelt diente als Nachtquartier. Der betroffene Winzer konnte ihnen kein anderes Obdach anbieten, denn sein Weingut ist komplett zerstört. „Würde man ihm einen Topf schenken, er könnte damit nichts anfangen, denn er hat keine Küche, keinen Herd mehr“, schildert Konrad Schlör die desolate Situation.
„Die Erzählungen der Winzerfamilie haben uns wahnsinnig betroffen gemacht und gerührt.“ Alleine in Dernau (1800 Einwohner) sind demnach 21 Menschen ums Leben gekommen. Die beiden Betreiberinnen eines den Schlörs persönlich bekannten Weinguts hätten sich im Keller befunden und seien von der Flut herausgespült worden. „Sie sind auf einen Baum geklettert und wurden nach zwölf Stunden von einer Hubschrauberbesatzung gerettet“, schildert Konrad Schlör die Dramatik.
Alles verloren
Nach ein paar Tagen habe die Schlörs eine E-Mail der beiden erreicht. Sie hätten zwar so gut wie alles verloren, aber überlebt, hieß es darin. „Da standen uns die Tränen in den Augen“, erzählt Konrad Schlör. Andere hatten weniger Glück: „Die Rettungskräfte eines Hubschraubers entdeckten eine junge Familie auf einem Hausdach. Der Hubschrauber hat noch einmal abdrehen müssen. Als er zurückkam, war das Haus nicht mehr vorhanden und von der Familie nichts mehr zu sehen“, gibt Monika Schlör die Erzählungen wider, die in Dernau kursieren.
Was die Schlörs etwas positiv stimmt: Die starke Solidarität der Leute vor Ort. Besonders die Landwirte der umliegenden Höhenorte hätten mit ihrem Improvisationstalent unmittelbar nach der Katastrophe unterstützt.
Sehr beeindruckend sei auch die Hilfsbereitschaft der Winzer aus dem ganzen Land für die Kollegen im Ahrtal. Konrad Schlör berichtet von einem Weingut, das den kompletten August-Umsatz an die betroffenen Betriebe spenden will. Auch der VDP hat eine Spendenaktion angestoßen.
Natürlich wäre es besser, man könnte solche Desaster verhindern. Fragt man Konrad Schlör nach den Ursachen, wird er nachdenklich. Die zunehmende Versiegelung von Flächen macht er als eine der Ursachen für solche Fluten aus.
Versiegelung
Auf den Feldern um und in den Weinbergen des Ahrtals habe er keine Wasseransammlungen sehen können. Alles sei versickert, so Schlör. Er nimmt auch Bezug auf den Ausbau des Gewerbegebiets „Almosenberg“ in Bettingen: „Was passiert an der Aalbach, wenn solche Regenmengen herunterkommen?“ Solche Warnungen, sagt der frühere Stadtrat fast resigniert, wolle niemand hören.
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