Wertheim.
Eine halbe Stunde nach Mitternacht gehen in Höhefeld die Lichter aus. Dann liegen die Straßen im Dunkeln bis die Laternen drei Stunden später wieder anspringen. Das 440-Seelen-Dorf ist eine von sechs Wertheimer Ortschaften, die von Sonntag bis Donnerstag jeweils von 0.30 bis 3.30 Uhr auf die Straßenbeleuchtung verzichten, und auch im Stadtteil Vockenrot gehen die Lichter in diesem Zeitraum aus.
Pflicht zur Beleuchtung
Die Straßenverkehrsordnung legt fest, wie und ob haltende Fahrzeuge zu kennzeichnen sind. In Paragraf 17, Absatz 4, heißt es: „Innerhalb geschlossener Ortschaften genügt es, nur die der Fahrbahn zugewandte Fahrzeugseite durch Parkleuchten oder auf andere zugelassene Weise kenntlich zu machen; eigene Beleuchtung ist entbehrlich, wenn die Straßenbeleuchtung das Fahrzeug auf ausreichende Entfernung deutlich sichtbar macht.“
Der sogenannte Laternenring kennzeichnet innerhalb geschlossener Ortschaften Straßenleuchten, die nicht die ganze Nacht eingeschaltet bleiben. Die Kraftfahrzeugführer dürfen ihr Fahrzeug dort nicht ohne Eigenbeleuchtung über Nacht abstellen.
Der weiß-rot-weiß-gestreifte Aufkleber ist eines der ältesten Verkehrszeichen Deutschlands und wird schon in der Straßenverkehrsordnung von 1937 aufgeführt. Die aktuelle Straßenverkehrsordnung führt es als Nummer 394.
Es muss in einer Höhe von 1,60 bis 1,80 Metern am Laternenpfahl angebracht werden. In dem roten Feld kann in weißer Schrift angegeben sein, wann die Laterne abgeschaltet wird.
„Derzeit wird die Abschaltung der Straßenbeleuchtung nachts zeitweise in Dertingen, Dörlesberg, Höhefeld, Grünenwört, Lindelbach, Urphar sowie im Stadtteil Vockenrot umgesetzt. Der Messeplatz an der Main-Tauber-Halle ist in die Nachtabschaltung ebenfalls aufgenommen“, informiert Natalja Kiefel, Leiterin des städtischen Eigenbetriebs Gebäudemanagement. Die Maßnahme wurde während der Energiekrise im Februar 2023 zunächst in vier Ortschaften getestet. Waldenhausen und Nassig entschieden sich nach der Testphase gegen die zeitweise Abschaltung, Höhefeld und Dörlesberg blieben dabei. Allerdings wurde der „dunkle Zeitraum“ gegenüber dem Test etwas verkürzt. Ende Juni folgten dann Vockenrot und weitere sechs Ortschaften. „Der Verzicht auf Straßenbeleuchtung während der Zeit, zu denen die Straßen am wenigsten frequentiert werden, ist ein wirksamer Beitrag zu Energieeinsparung, Klimaschutz und Artenschutz. Die teilnehmenden Ortschaften zeigen damit, dass Klimaschutz bei jedem einzelnen und in der Gemeinschaft beginnt“, begründet Kiefel die Empfehlung der Stadtverwaltung, die Straßenbeleuchtung abzuschalten.
Wie viel Strom jede Ortschaft durch den Verzicht spare, zeigt die Abrechnung der Stadtwerke. „Die beteiligten Ortschaften sparen pro Nacht rund 83 Kilowattstunden (kWh) Strom. Zum Vergleich: Ein Ein-Personen-Haushalt verbraucht pro Monat rund 103 kWh“, verdeutlicht Kiefel.
Je nach Größe der Ortschaft und unter Einbeziehung des Verbrauchs der einzelnen Lampen würden pro Monat zwischen 50 und 180 Euro Energiekosten je Ortschaft eingespart, insgesamt rund 700 Euro im Monat. Im Fall von Höhefeld werden durch die drei Stunden Verzicht rund 80 Euro pro Monat gespart, weiß Ortsvorsteher Christian Stemmler: „Der monetäre Aspekt ist das eine. Dass es in Sachen Energieverbrauch nicht so weitergehen kann, wird immer klarer. Die Frage ist, wie wir uns in Zukunft in Sachen Klimawirtschaft aufstellen.“
Im vergangenem Jahr habe sich bestätigt, Höhefeld braucht keine Dauerbeleuchtung in der Nacht. „Es gab bisher keine Vorkommnisse oder Beschwerden, die Anlass geben, das Licht wieder durchgängig brennen zu lassen“, sagt der Ortsvorsteher. Er selbst, verrät Stemmler, sei zu diesen Uhrzeiten normalerweise auch nicht auf der Straße. Um allen Vorschriften gerecht zu werden, klebt er dieser Tage weiß-rot-weiß-gestreifte Banderolen an die 74 Straßenlaternen seiner Ortschaft. Der Laternenring kennzeichnet innerhalb geschlossener Ortschaften Straßenleuchten, die nicht die ganze Nacht eingeschaltet bleiben. Der Aufkleber ist für Autofahrer der Hinweis, dass sie, sofern sie ihr Fahrzeug an dieser Straße abstellen, die Parkleuchte betätigen müssen. Diese Pflicht zur Einschaltung der Parkleuchte sowie die Gefahr, die von geparkten und unbeleuchteten Fahrzeugen ausgeht, war für die Ortschaftsräte in Kembach und Sonderriet mit der Grund, nach rund vier Monaten zum früheren Modus zurückzukehren. „Niemand geht täglich nachts um 0.30 Uhr vor die Tür, um das Parklicht seines Autos anzustellen“, meint der Sonderrieter Ortsvorsteher Udo Kempf. Passiere jedoch etwas und die Straßenlaterne sei aus, trage der Fahrzeughalter eine Mitschuld. Strom spare man in seiner Ortschaft durch den kurz bevorstehenden Austausch der Leuchtmittel in der Festhalle gegen LEDs.
Wie seine Kollegin Tanja Bolg aus Kembach berichtet er zudem über Beschwerden aus der Bevölkerung. „Bei einigen war das Unsicherheitsgefühl so groß, dass sie Kameras installierten“, berichtet Bolg. Andere Ortschaften – beispielsweise Bettingen – entschieden sich wegen Sicherheitsbedenken von vornherein gegen eine Abschaltung.
Die Nachtabschaltung sei auf die Akzeptanz der Bürgerschaft angewiesen, insbesondere dann, wenn dadurch das Sicherheitsempfinden beeinträchtigt wird, zeigt Kiefel für die Entscheidungen Verständnis. Auch wenn die Empfehlung der Stadtverwaltung klar ist: „Abschaltungen sollten bestehen bleiben – auch im Hinblick auf die geplante, flächendeckende Umstellung auf LED“, so Kiefel.
Langfristiges Ziel sei, die Straßenbeleuchtung so umzurüsten, dass sie in unterschiedlichen Modi – Dimmen, Abschalten oder Schalten nach Bewegungsintensität – und flexibel nach Erfordernis gesteuert werden kann. Auf diese smarte Lösung setzt auch Christian Stemmler in Höhefeld, denn die Nachtabschaltung auf Dauer beizubehalten, ist für ihn keine Lösung. „Wir sind bereit, jetzt Kosten einzusparen, damit dann in neue, automatisierte Technik investiert werden kann“, sagt er. Sollte das Nahwärmeprojekt wie geplant umgesetzt werden können, werde Höhefeld eine der ersten Ortschaften sein, die auf LED umgestellt werden. Dann wird es in Höhefeld nachts nicht mehr stockdunkel sein.
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