Erneuerbare Energie

Wertheim: Lautstarker Protest gegen Dertinger Windpark

Aus der bayerischen Nachbarschaft kamen rund 100 Menschen, um gegen den Windpark in Dertingen zu demonstrieren. Mit ihrem Anliegen drangen sie aber nicht durch.

Von 
Gerd Weimer
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Protest im Innenhof des Wertheimer Rathauses gegen das Windkraftprojekt in Dertingen. © Gerd Weimer

Wertheim. Rund 100 Leute aus dem benachbarten Triefenstein kamen am Montag nach Wertheim, um gegen den geplanten Windpark auf Dertinger Gemarkung zu protestieren. Sie waren teils mit einem Bus angereist und trafen sich im Innenhof des Rathauses, bevor der Ausschuss für Bauwesen und Umwelt tagte, auf dessen Tagesordnung der Windpark stand.

Mit ohrenbetäubender Lautstärke machten die Demonstranten auf ihre Sache aufmerksam. Zu der Kundgebung hatte die Bürgerinitiative „Nein! Zum Monsterwindpark“ aufgerufen. Dessen Co-Vorsitzender Gabriel Watzka beklagte in einem Redebeitrag, dass „im hinterletzten Eck Baden-Württembergs“ den Dertingern und den direkt angrenzenden Nachbarn „ein riesiger Misthaufen vor die Türe gesetzt“ werde und das in einem „Wasserschutzgebiet unter Nicht-Einhaltung von Schallemissionsgrenzwerten und einem Schattenwurf jährlich bis zu 139 Stunden.“

OB Herrera Torez dementiert abwertende Aussage

Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez nehme die Bedenken gegen das Projekt „überhaupt nicht ernst“. Er habe „Dollarzeichen in den Augen und schert sich nicht im Geringsten um seine Bürger und Nachbargemeinden“, so Watzka. Besorgte Anwohner hätten im Dialog mit ihm um Rücksichtnahme auf die berechtigten Ängste und die geringen Abstände des Windparks zu Wohngebieten hingewiesen. Herrera Torrez habe geantwortet: „Da habt Ihr wohl Pech gehabt.“ Auf FN-Nachfrage erklärte Herrera Torrez, er habe diese abwertende Aussage „so nie getroffen“. Sie entspreche nicht seiner Haltung.

Herrera Torrez habe darauf verwiesen, dass einige bayerische Grundbesitzer an dem Projekt verdienen würden und die Bürger Dertingens den Windpark unbedingt wollten, so Watzka weiter. Er entgegnete: „Die direkten Anwohner wollen diesen Windpark in der überwältigenden Mehrheit definitiv nicht.“ Vielmehr wollten sich neben der Stadt Wertheim wenige Grundbesitzer „die Taschen füllen“. Watzka ergänzte: „Wie kann man nur so egoistisch sein und keinerlei Rücksicht auf seine Nachbarn nehmen?“

„Wir geben unsere Heimat nicht kampflos auf“, rief der Redner. Man werde weiter „auf diese unverschämte Bauplanung aufmerksam machen“. Herrera Torrez sei dafür verantwortlich, „dass junge Menschen ihrer Heimat beraubt werden und Ihre Zukunft anderswo suchen.“ Der OB solle „diesen Wahnsinn“ beenden oder sich wenigstens für einen Kompromiss einsetzen.

„Proteste finden am falschen Ort statt“

Weil sich Herrera Torrez Zeit für ein Gespräch mit den Demonstranten genommen hatte, begann die Sitzung des Ausschusses zehn Minuten später. Ein Dutzend der Kundgebungsteilnehmer nahm im Zuschauerbereich Platz. Was das die bayerischen Gäste dann hörten, dürfte sie enttäuscht haben.

OB Herrera Torrez sagte zunächst, der habe den Demonstrierenden dargelegt, dass sie am falschen Ort protestieren. Der Ausschuss fälle keine Entscheidung über das Vorhaben, sondern befasse sich mit einer Stellungnahme der Stadt an das Landratsamt Main-Tauber, das im Genehmigungsverfahren federführend ist. Man betrachte das Genehmigungsverfahren aus Wertheimer Perspektive. Belange der Nachbargemeinden könne man bei der Stellungnahme „nicht hineinnehmen“. Vielmehr hätten diese im Verfahren selbst die Gelegenheit, ihre Sicht der Dinge darzulegen.

Der Protest der Bürgerinitiative „Nein! Zum Monsterwindpark“ . © Gerd Weimer

Herrera Torrez stellte zudem klar, dass die Stadt Wertheim außer den 0,2 Cent pro Kilowattstunde aus der EEG-Umlage keine Einnahmen erziele, da nur 0,4 Hektar des Gebiets der Kommune gehöre. Lediglich die Stadtwerke würden indirekt über den Betreiber, an dem sie beteiligt sind, Erträge erwirtschaften, deren Höhe allerdings noch unklar seien. Die Initiative sei von den Grundstücksbesitzern ausgegangen, so dass sich das Projekt von anderen unterscheide, bei denen große Konzerne die Gewinne abschöpfen.

Kriterien der Strategiegruppe erfüllt

Stefanie Leuchs vom Referat Stadtplanung/Umweltschutz informierte den Ausschuss über den Antrag des Projektierers Thüga Erneuerbare Energien. Die Stadt musste die Stellungnahme wegen der kurzen Fristen abgeben, ohne den Gemeinderat einbeziehen zu können. Geplant sind fünf Windräder mit einer Gesamthöhe von jeweils 285 Meter. Der Eingriff in die Natur werde so gering wie möglich gehalten, so Stefanie Leuchs. Wassergefährdende Stoffe könnten im Normalfall nicht austreten, lediglich Öl bei einem Störfall im Maschinenhaus.

Ein „Disco-Effekt“ (wiedergespiegeltes Sonnenlicht) werde durch geeignete Oberflächen bei den Rotorblättern vermieden. Eiswurf trete dank technischer Vorkehrungen nicht auf und die nächtliche Beleuchtung werde im Bedarfsfall automatisch angeschaltet. Richtwerte für Schallimmissionen würden für das Wertheimer Gebiet eingehalten. Ein Abschaltmodul begrenze den Schattenwurf. Die voraussichtliche Laufzeit der Anlagen betrage 30 Jahre.

Stefanie Leuchs stellte klar, dass der Windpark jene Kriterien erfüllt, welche die Strategiegruppe Windkraft festgelegt hat. Dazu zählt der Mindestabstand von 1250 Metern zu zusammenhängenden Siedlungsflächen und 680 Metern zu einzelnen Ansiedlungen wie dem betroffenen Aussiedlerhof Renztal, der 1000 Meter entfernt liegt. Auch die Windhöffigkeit sei ausreichend, und die Fläche von 63,4 Hektar entspreche in ihrer Größe den Vorgaben der Strategiegruppe von mindestens 50 Hektar. Auch wenn der Stadt selbst nur ein minimaler Teil der Fläche gehöre, entspreche das Projekt den Vorgaben. Die Stadtverwaltung habe deswegen dem Landratsamt mitgeteilt, mit dem Vorhaben einverstanden zu sein.

Gespräch zwischen Betreiber und Bürgerinitiative angeregt

In der Debatte sprach Stadtbaumeister Armin Dattler auf Nachfrage in Bezug auf die Abstände zu Wohngebieten von einem „komplexen Thema“, da es unterschiedliche Vorschriften in den Bundesländern gebe. Auf jeden Fall sei das das Bundes-Immissionsschutzgesetz maßgebend.

OB Markus Herrera Torrez erklärte am Dienstag auf FN-Anfrage, dass er die Argumente der Bürgerinitiative respektiere, „auch wenn ich sie nicht teile“. „Diesen sachlichen Streit der Meinungen müssen wir in einer Demokratie aushalten“, so der Rathauschef. Ein weiteres Gespräch zwischen dem möglichen zukünftigen Betreiber der Anlagen und den Vertretern der Bürgerinitiative halte er für „sinnvoll, um zu besprechen, ob es Möglichkeiten der Verständigung gibt“.

Redaktion Reporter Wertheim

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