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Wertheim: Hildegart Scholten im opernhaften Dialog mit dem Publikum

Über zwei Stunden präsentierte die unterhaltsame, komödiantische Sängerin ihr Programm „An guten Tagen mach ich dir die Königin der Nacht“.

Von 
Nadine Schmid
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Hildegard Scholten begeisterte am Wochenende im Convenartis Kulturkeller. © Nadine Schmid

Wertheim. Wenn das gesamte Publikum im Convenartis-Gewölbe sich an der Arie der „Königin der Nacht“ aus der Zauberflöte versucht, kann man erahnen, dass hier eine besonders mitreißende Künstlerin auf der Bühne animiert. Und das gelang Hildegart Scholten ausgezeichnet. Über zwei Stunden präsentierte sie in ihrem Programm „An guten Tagen mach ich dir die Königin der Nacht“ nicht nur ihre operngeschulte Singstimme, sondern verknüpfte dies mit ihren Betrachtungen der Welt, der Musik und des Lebens. Dabei ging sie immer wieder auf ihre Zuhörer ein und nutzte deren Antworten für ihr unterhaltsames und abwechslungsreiches Programm, komponierte sogar einen eigenen Arientext mit den Informationen.

Schon ihr Auftreten mit gewaltigem Stoffhut ist beeindruckend. Dabei ignoriert sie das Publikum zunächst. Schließlich telefoniert sie mit ihrer Mutter, der sie erstmal erklärt, wo Wertheim liegt und wie es in diesem Gewölbekeller aussieht. Und dass die Leute wirklich gekommen sind, um sie zu hören. Das will die Mutter nämlich irgendwie nicht ganz glauben.

Scholten stapelt tief. Schließlich hat sie nach eigener Aussage ihre Gesangslehrerin vor zehn Jahren auf einer alkoholisierten Ausfahrt inmitten lauter Betrunkener kennengelernt. Doch schon als sie Oscars Begrüßungslied aus der Oper „Der Maskenball“ von Guiseppe Verdi anstimmt, hört man, was sie meisterhaft versteht: Die schwierigen Melodien zu singen, dabei eine fröhliche Show zu machen, Kontakt zum Publikum aufzunehmen und dabei sich selber nicht ganz ernst zu nehmen.

So gewinnt sie rasch die Herzen und bereits nach wenigen Minuten singen Anwesende mit. Dann möchte sie ihr Publikum kennenlernen und geht durch die Reihen. Denn sie sucht sich ihre „Opfer“ nicht in der ersten Reihe, sondern quer durch den Raum. Dabei stellt sie fest, dass viele Lehrer unter den Anwesenden sind, was nun für sie ein gefundenes Fressen war. Im Gegensatz zu ihrer Bühnenfigur, die ihren eigenen Beruf als „Ansprechpartnerin“ bezeichnet, kennt sich die Künstlerin übrigens gut mit dem Berufsstand aus: Im bürgerlichen Leben unterrichtet sie selbst als ausgebildete Lehrerin an einem Berufskolleg. Es verschwimmen Autobiografisches mit Ausgedachtem. Tatsächlich wuchs die heute in Köln lebende Westfälin auf einem Bauernhof auf, die vierzehn Geschwister darf man aber wohl eher in Zweifel ziehen.

Doch letztlich ist das nicht entscheidend. Entscheidend sind die Geschichten, die sie lebendig erzählt. Egal, ob aus ihren Leben oder aus Opernhandlungen. Wer bisher dachte, dass Opern etwas sind, was hochintellektuell und trocken ist, bekam hier einen ganz anderen Einblick in die Verwirrungen und Umtriebe, mit denen die meist adligen Protagonisten sich herumschlagen mussten. „Ich mache klassische Komik oder komische Klassik“, fasst Scholten punktgenau zusammen.

Sicher bekam der eine oder andere Lust, sich jetzt eine der Opern im Original anzusehen, etwa „Die Hochzeit des Figaro“ . Andere freuten sich einfach über die Show und die Lieder, die Joachim Jezewski voller Spielfreude und mit einem immer neckischen Grinsen begleitete. Selbst die Lieblingslieder der Besucher, von „Guter Mond“ bis zu „Es waren zwei Königskinder“ intonierten die beiden spontan.

Da sie mit der Presse nicht immer glücklich ist, hat sie einen eigenen Pressetext über sich geschrieben, den sie vorträgt. Hier klingt die sich verschüchtert darstellende Frau, die auch mal kurz Einbrecher aus ihrer Wohnung jagt, schon selbstbewusster: „Sie will nichts Besonderes, sie ist es“, formuliert Scholten und als Zuschauer kann man dem nur zustimmen. Das Programm ist schwer in eine Schublade zu pressen. Es ist musikalische Darbietung, es ist Comedy, es ist eine Animation zum Rudelsingen. Dazu ist sie eine sehr sympathische Frau, die durch ihre Kleider in immer neuen Farben die Spannung steigert und schon bald wie eine gute Bekannte wirkt.

Sie kann auch ernst, wenn sie beispielsweise ein trauriges Stück ihres Lieblingskomponisten Georg Friedrich Händel vorträgt, nur um gegen Ende durch clowneske Verrenkungen das Publikum wieder zum Lachen zu bringen. Das ist kein Widerspruch oder gar eine Verunglimpfung. Das ist eine Hommage an die Klassik und die Oper im Besonderen in unserer heutigen Zeit.

Gegen Ende der Vorstellung hatte das Publikum Glück: Denn die Königin der Nacht macht Scholten ja nur an guten Tagen, und ein solcher war in Wertheim. Nachdem sie die Arie geschmettert hatte und dabei auch die höhen Töne zielsicher traf, durften alle ran: „Singen Sie einfach mit, egal wie hoch Sie kommen“, ist eine Einladung, die sie nicht zwei Mal aussprechen muss. So gingen am Ende alle mit guten Gefühl, einem Lächeln auf dem Gesicht und dem Wunsch nach Hause, sich mit der einen oder anderen Oper etwas näher zu beschäftigen.

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