Wertheim. „Verlässlich bleiben und langfristig denken“– unter dieses Motto stellte Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez am Montag seine Rede bei der Einbringung des Haushalts 2023 in den Gemeinderat. Das Volumen des Gesamtetats wächst abermals, der Schuldenstand ebenso – allerdings aufgrund eines Sondereffekts.
„In einer Zeit – geprägt von Unsicherheit, Veränderung und äußeren Krisen“ sei es besonders wichtig, dass man als Kommune „klug, verlässlich und glaubwürdig“ handle. Der Gemeinderat habe für den Etat 2023 „gute Vorarbeit geleistet“. So zum Beispiel bei einer Klausurtagung im Frühjahr, in der über Investitionsschwerpunkte und die mittelfristige Finanzplanung beraten wurde, aber auch bei Weichenstellungen für den Investitionskurs in wichtigen Bereichen, wie der Schulentwicklung, dem Radwegeausbau, der Straßensanierung oder der Ausstattung der Feuerwehr.
Es habe Grundsatzbeschlüsse zur Kita Höhefeld, zum Bürgercafé Dietenhan und zum Feuerwehrhaus Sonderriet gefasst worden – allesamt Projekte, die im Haushaltsentwurf berücksichtigt seien.
Sondereffekt bei Schulden
„Der Haushalt 2023 ist beileibe kein Krisenhaushalt“, sagte Herrera Torrez. Vielmehr liege er etwa auf dem Niveau des Vorjahres und sei, was die Genehmigungsfähigkeit angeht, mit dem Regierungspräsidium abgestimmt. Die Stuttgarter Aufsichtsbehörde hatte im Vorfeld die bisherige Praxis, Kreditmittel für Baugebiete außerhalb des Etats abzubilden, untersagt. Deswegen steigt der Schuldenstand um zusätzlich 3,2 Millionen Euro. „Ohne diesen Effekt lägen wir bei der Kreditaufnahme etwa auf dem Niveau dieses Jahres und hätten einen nahezu normalen Haushalt“, führte Herrera Torrez aus.
Wegen der gegenwärtigen Unsicherheiten sei der Ausblick auf die angenommenen Zahlen teilweise „ein Blick in die Glaskugel“. Man müsse „auf Sicht fahren“ und den Gürtel „nicht noch enger schnallen“. „Kluge und nachhaltige Projekte“ könnten realisiert werden.
Als „stramm“ bezeichnete der Rathauschef den Betrag, den die Stadt voraussichtlich an den Landkreis überweisen muss: fast 12,3 Millionen Euro, eine Million mehr als im Jahr zuvor bei – so angenommen – unverändertem Hebesatz. Der Betrag entspreche in etwa den Gesamtkosten für den Bau der Neuen Sozialen Mitte auf dem Wartberg, setzte Herrera Torrez die Summe ins Verhältnis.
Im Ergebnishaushalt stehe unterm Strich ein „rechnerischer Fehlbetrag von 5,1 Millionen Euro“. Hauptursache: Anstieg der Personal- und Sachkosten. Bei letzteren schlage die Inflation durch. Allein aufgrund des Anstiegs der Energiekosten rechne man mit Mehrausgaben von 800 000 Euro – trotz der bereits eingeleiteten Energiesparmaßnahmen.
Die Personalkosten steigen laut OB „nur um 820 000 Euro“, obwohl schon die angenommene Tarifsteigerung von vier Prozent für eine Steigerung von mehr als einer halben Million Euro sorge. Tarifänderungen für die Kita-Fachkräfte führten zu weiteren Mehrausgaben von 160 000 Euro. Zudem steige der Arbeitgeberbeitrag für die Krankenkasse ebenso wie die Umlage für den Kommunalen Versorgungsverband. Unterm Strich ergäben sich dadurch schon Mehrausgaben von über 800 000 Euro – ohne dass zusätzliches Personal zur Verfügung stehe.
Neue Stellen in der Verwaltung
Trotzdem gebe es fünf zusätzliche Stellen, die in den Bereichen EDV (Digitalisierung) sowie Integration/Migration und für die Organisation der Kommunalwahlen aufgebaut werden. Die Anzahl der Geflüchteten habe sich „weit mehr als verdoppelt“ und die Stadt wolle die Stelle eines Klimaschutz- und Energiemanagers schaffen, begründete der OB den Stellenzuwachs.
Mehrkosten gebe es deswegen nicht, weil ältere Mitarbeiter, die aufgrund ihrer Dienstzeit mehr verdienen, zunehmend ausscheiden und durch jüngere ersetzt werden. Bei der Rekrutierung der Nachwuchskräfte gebe es für die Verwaltung immer mehr Herausforderungen: Der Fachkräftemangel zeige auch im öffentlichen Dienst Wirkung. Man müsse um die Gunst neuer Mitarbeiter buhlen. Zum Teil gebe es „Stellenausschreibungen ohne jede Bewerbung oder mit Kandidaten, die dann wieder abspringen“, weil sie woanders mehr Gehalt bekommen, beklagte der OB. Der öffentliche Dienst könne mit der Bezahlung in der freien Wirtschaft nicht mithalten. Im Haushalt habe man deswegen Mittel eingestellt, die für „Elemente der Arbeitgeberattraktivität“ eingesetzt werden sollen.
Perspektiven für Ortschaften
Die Ortschaften könnten sich mit ihren Entwicklungsbedarfen im Haushalt 2023 „sehr gut wiederfinden“, so Herrera Torrez. Bei einer Ortsvorsteherrunde sei gemeinsam festgestellt worden, „dass die Ortschaften wirklich gut bedient werden“. Die Stadt und die eingemeindeten Ortschaften seien zusammengewachsen und bildeten „eine starke Einheit“.
Im Haushalt des nächsten Jahres stünden Mittel für die Schaffung des Bürgercafés Dietenhan bereit, ebenso für die Ertüchtigung des Mehrzweckgebäudes Urphar. Die Ausstattung der Feuerwehr sei ein Dauerthema. Mit dem Neubau des Feuerwehrgerätehauses Sonderriet könne man möglicherweise nächstes Jahr starten. Planungsmittel und Investitionskosten für ein weiteres Gebäude in Mondfeld, Dertingen und Bettingen seien noch ohne Standortfestlegung als Merkposten im Etat eingestellt.
Herrera Torrez ging schließlich auf den „Weg zur klimaneutralen Stadt“ ein. Wertheim entwickle gemeinsam mit den Stadtwerken intelligente Nahwärmekonzepte, vor allem bei Neubaugebieten. Erste Ergebnisse der kommunalen Wärmeplanung würden vorliegen. Bei der energetischen Sanierung städtischer Gebäude soll ab 2024 mit jährlich 750 000 Euro Gewicht Tempo gemacht werden. Schon 2023 würden die Fenster im Rathaus ausgetauscht.
Wo immer möglich, sollten Solaranlagen auf städtischen Gebäuden installiert werden. Bei der Errichtung neuer Windkraftanlagen wolle man die Planungen moderierend begleiten und die umfassende Information der Bürger sicherstellen.
Der Übergang in eine klimaneutrale Zukunft sei eine komplexe Herausforderung, so der OB. Trotzdem laute das gemeinsame Ziel: „Wertheim, die klimaneutrale Kommune“.
Hintergrund: Eckdaten des Haushaltsentwurfs 2023
Wie Fachbereichsleiter Helmut Wießner erläuterte, sollen die Einnahmen aus der Gewerbesteuer mit 20,5 Millionen Euro um eine Million Euro höher liegen als für 2022 geplant.
Tatsächlich ist die Entwicklung im laufenden Jahr dem Vernehmen nach besser als in den Planungen angenommen.
Allerdings gebe es bei der Gewerbesteuer wegen der Energiekrise Risiken. Man habe intensiv mit den Wertheimer Unternehmen gesprochen und sei „realistisch, optimistisch“.
Auf der Ausgabenseite steigen die Personalkosten um 820 000 Euro auf 15,714 Millionen Euro.
Der Sachaufwand nimmt um fast zwei Millionen Euro auf knapp über 20 Millionen Euro zu, unter anderem wegen der höheren Energiekosten. wei
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