Wertheim. An diesem Vormittag ist es relativ ruhig in der Stiftskirche. Nur hin und wieder hört man ein lautes Klopfen. Das große Gerüst zeugt davon, dass die Ausreinigung und Renovierung der Orgel in der Wertheimer Stiftskirche im vollen Gang sind. Auf der Empore ist von der Firma Mühleisen aus Leonberg der angehende Orgelbaumeister Max Benzing dabei, im Fußraum der Orgel etwas auszumessen. Nur wenige Meter davon entfernt steht Orgelbaumeisterin Marta Kogut an einem Tisch. Sie ist selbstständige Orgelbaumeisterin, stammt aus Polen und arbeitet seit 2016 mit der Firma Mühleisen zusammen. Gemeinsam bauten sie beispielsweise in Norwegen eine neue Orgel.
Entscheidungen werden oft vor Ort getroffen
Wenn Marta Kogut durch die Stadt läuft, wird sie inzwischen von den Wertheimern erkannt. Als Bezirkskantor Carsten Klomp und Dekanin Wibke Klomp an diesem Tag vorbeischauen, bezieht sie gerade ein Stoßbalg mit neuem Schafleder. Sofort kommen Orgelbaumeisterin und Bezirkskantor ins Gespräch. „Ich bin fast jeden Tag hier“, gibt Carsten Klomp zu. Verschiedene Entscheidungen müssen vor Ort getroffen werden.
An diesem Tag geht es um die Beschriftung der zusätzlichen Schalter für die zusätzlichen Register. Immer wieder greift Klomp zum Handy, um den aktuellen Sachstand zu dokumentieren. „Jetzt sieht man Dinge, die man sonst nicht zu sehen bekommt, wie diese Registerzüge. Wenn ich heute eine Orgelführung machen würde, könnte ich stundenlang erzählen“, so Carsten Klomp. Die Begeisterung ist ihm bei jedem Satz sehr deutlich anzuhören.
Gebäck für die Orgelbauer
Auch Wibke Klomp greift zum Handy und fotografiert durch die Orgel hindurch den nun freien Blick zum Altar. „Wir haben frischen Kaffee dabei“, ruft sie den Orgelbauern zu. Und als wäre es abgesprochen, erscheint nur wenige Minuten später Ingrid Röttinger. In ihrem Korb hat sie leckeren Kuchen dabei. „Frau Röttinger ist unser Kirchenengel“, sagt Wibke Klomp und Carsten Klomp zählt die zahlreichen Arbeiten auf, die Ingrid Röttinger mit viel Herzblut übernommen hat. Den Orgelbauern bringt sie immer mal wieder Gebäck oder frische Butterbrezeln vorbei. „Ich bin allein, deshalb mache ich das gern“, sagt sie. Die Orgel in diesem zerlegten Zustand zu sehen, ist auch für Ingrid Röttinger interessant.
Seit 20. Juli laufen die Arbeiten an der Rensch-Orgel. Nach der letzten Orgelmusik zur Marktzeit am 28. Juli wurde das Instrument in Teilen auseinandergenommen. Erst in diesem Stadium offenbarten sich viele Arbeiten, die notwendig sind. Seit ihrer Erbauung im Jahr 1982 durch die Firma Rensch aus Lauffen am Neckar wurden immer mal wieder kleine Arbeiten ausgeführt, genauso wie eine turnusmäßige Ausreinigung.
„Was jetzt passiert, ist erheblich tiefgreifender“, erklärt Carsten Klomp. So wird das Windwerk (die Verbindung vom Blasebalg in die Orgel hinein) erneuert, weil der Windverlust recht hoch ist. „Letztendlich leidet die Orgel an Arteriosklerose“, lässt Klomp seinen Humor durchblitzen. Mit vertretbarem Aufwand werden die Kanäle vergrößert, neu gebaut oder ein Bypass gelegt.
Echte Windfresser
Ein „echter Windfresser“ ist der Pedalsubbass. „Er wird in Zukunft ausgelagert und hinter der Orgel angebaut, um eine Oktave nach oben und unten verlängert und bekommt eine eigene Windversorgung“, schwärmt der Organist. Im Schwellwerk wird ebenfalls ein zusätzliches Register eingebaut. Das zusätzliche Ventil ins Schwellwerk einzubauen, bezeichnet Orgelbaumeisterin Marta Kogut als „außergewöhnliche Idee, die nicht alltäglich ist“.
Auf der Empore verteilt und gut sortiert liegen die bisher ausgebauten Pfeifen. Deren Reinigung übernehmen seit Tagen etliche Freiwillige. Um die dünnen Kanäle vom Schmutz zu befreien, kommt ein Druckluftgerät zum Einsatz. „Wir haben inzwischen eine Gruppe mit über 40 Leuten, die helfen wollen. Und alle, die bisher geholfen haben, waren sehr begeistert“ erzählt Wibke Klomp. In der Gruppe sind nicht nur Kirchengemeindemitglieder, sondern Musikliebhaber und Kirchenbesucher aus Nachbarstädten. Doch nicht alle der 3500 Pfeifen werden bei dieser Sanierung ausgebaut.
Weil ein Gottesdienst ohne Musik so ähnlich wie trocken Brot ist, spielt Carsten Klomp bis zur Fertigstellung der Orgel sowohl am Flügel als auch an der kleinen Truhenorgel, die vor dem Altarraum steht. „Es ist eine komplett andere Stimmung, aber auch sehr schön. Und die Gemeinde war sehr angetan, weil sie den Organisten nun bei der Arbeit sehen können“, erzählt Wibke Klomp. Sie spricht von einer spannenden Zeit.
„Wir hoffen, dass am Ersten Advent die Orgel wieder zum Einsatz kommt“, so die Dekanin. „Die Arbeiten sind superpünktlich gestartet. Und weil die ehrenamtlichen Helfer unterstützen, wird man sicher den Termin halten können“, gibt sich Carsten Klomp zuversichtlich. Das Ausreinigen durch die Helfer erfolgt ehrenamtlich und wird sich als monetärer Beitrag durchaus in der Endrechnung niederschlagen.
Spenden ermöglichen zusätzliches Register
Durch das hohe Spendenaufkommen ist es nun auch noch möglich, dass die Orgel zusätzlich ein großes 32-Fußregister (bestehend aus zwölf Pfeifen) bekommt. Herausforderung dabei ist der geringe Platz hinter der Orgel. Möglich war dieses zusätzliche Register durch das hohe Spendenaufkommen. „Wenn man es dann hört, wird jeder begreifen, das ist ein wunderbarer Zusatz. Bei den tiefen Klängen des 32‘-Registers fängt das Fühlen der Musik an. Das ist wie eine dritte Dimension“, schwärmt der Bezirkskantor.
Insgesamt wird die Renovierung und Ausreinigung der Orgel rund 250.000 Euro kosten. Damit bleibt man im vorgesehenen Kostenrahmen. Die Landeskirche bezuschusst die Arbeiten mit 80.000 Euro. „Von der Landeskirche ein Drittel der Kosten zu erhalten, das ist ein wirklich großzügiger Zuschuss“, meint Wibke Klomp.
Der Förderverein der Stiftskirche spendet 40.000 Euro, die auch durch diverse Konzerte zustande kam. Dazu kommen die immer noch fließenden privaten Spenden der Wertheimer in unterschiedlicher Höhe. Der Spendentopf ist inklusive landeskirchlichem Beitrag im Moment mit 190.000 Euro gefüllt. Der am Ende fehlende Betrag soll durch die Rücklagen der Kirchengemeinde abgedeckt werden.
Natürlich versucht die Kirchengemeinde diese Rücklagen für die Stiftskirche so wenig wie möglich anzutasten, „weil man bei dieser Kirche nie weiß, was als nächstes passiert“, so die Dekanin. Allerdings stehe mit der Sanierung des Glockenstuhls schon das nächste Großprojekt fest. Allein das Stellen des Gerüsts um den Glockenturm schlägt mit einer sechsstelligen Summe zu Buche.
Info: Wer sich an der Renovierung der Orgel in der Wertheimer Stiftskirche beteiligen will, kann dies mit einer Spende tun. Spendenkonto: DE95 6735 2565 0003 0111 11, SOLADES1TBB, Sparkasse Tauberfranken, Stichwort: Orgelsanierung 2025
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