Seltsames Phänomen

Was passiert mit den Geisterläden in der Wertheimer Altstadt?

Eine Frau, die Kunst präsentieren will, hat in der Wertheimer Altstadt einige Geschäfte angemietet. Diese stehen zum Teil seit Monaten leer, aber die Mieten werden pünktlich bezahlt. Nicht wenige wundern sich darüber.

Von 
Gerd Weimer
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Hier residiert „Medusa Kosmetik & Tattoo“. Geöffnet ist das Studio nicht. © Gerd Weimer

Wertheim. Wer durch die Eichelgasse in der Wertheimer Innenstadt flaniert, geht an nicht wenigen Geschäften vorbei, in denen Tristesse herrscht. Das Haus mit der Nummer 16 war einst Teil des renommierten Schreibwarengeschäfts Duffhaus. Ein Schild an der Außenwand weist daraufhin, dass es auch mit Geldern aus der Städtebauförderung saniert wurde.

Verhüllte Schaufenster und verwaiste Verkaufsräume

Das Haus gehört der Stadtentwicklungsgesellschaft (Steg), die in den gesamten Duffhaus-Komplex, der mehrere Häuser umfasst, 1,5 Millionen Euro steckte. Jetzt sind die Schaufenster verhüllt. Durch die Eingangstüre kann man allerdings einen Blick in den Raum werfen: Farbeimer, ein paar leere Bilderrahmen und ein bisschen Werkzeug.

Beim Haus mit der Nummer 12, wo bis Mai vergangen Jahres der Klavierbauer Thomas Jacob von ihm restaurierte Instrumente zum Verkauf anbot, ist ein Blick in den etwa 30 Quadratmeter großen Verkaufsraum möglich. Er ist vollkommen leer. Nichts deutet daraufhin, dass hier irgendjemand so etwas wie ein Geschäft aufmachen will. Das Haus ist im Privatbesitz.

Ebenso wie das Haus mit der Nummer 7. Allerdings deutet hier dann doch etwas auf einen Geschäftsbetrieb hin, auch wenn geschlossen ist. „Medusa Kosmetik & Tattoo“ residiert in diesem Laden, der entsprechend eingerichtet ist, wenn auch etwas unaufgeräumt. Öffnungszeiten sind nicht hinterlegt. Recherchiert man im Internet nach dem Namen des Betriebs, wirft die Suchmaschine keine brauchbaren Ergebnisse aus.

Und da ist da noch das Haus auf dem Marktplatz rechts neben der „Bachschen Brauerei“, dessen Erdgeschoss bis März dieses Jahres an Tchibo vermietet war.

Das Geschäft schloss Anfang des Jahres und steht seither leer. Schaufenster und Türe sind mit Folie verklebt. Nichts zu sehen.

Im Laden des ehemaligen Duffhaus-Komplexes passiert nichts. Die Miete wird aber pünktlich überwiesen. © Gerd Weimer

Keine Probleme mit den Mietzahlungen der Räumlichkeiten

Alle aufgezählten Ladengeschäfte haben eins gemeinsam: die Mieterin. Trotz der weitestgehend fehlenden Geschäftstätigkeit gibt es nach Informationen der Fränkischen Nachrichten allerdings keine Probleme mit den Mietzahlungen. Die Miete wird offenbar pünktlich und komplett überwiesen. Die Eigentümer können zufrieden sein.

Doch wer kann sich das leisten? Mutmaßlich gehen monatlich mehrere tausend Euro über den Tisch, denen offensichtlich keine Erlöse aus dem Verkauf von Waren oder Dienstleistungen gegenüberstehen. Welcher strategische Plan steckt hinter der Angelegenheit?

Verwunderung in der Stadt

In der Stadt wundert man sich schon länger über dieses Phänomen. Gerüchte machen die Runde. Bernd Maack vom Verein Stadtmarketing ist etwas ratlos. Auf FN-Anfrage beklagt er, dass in den Geisterläden nichts passiert, „außer dass die Blumen davor regelmäßig gegossen werden“. Für die Innenstadt sei das „unschön“. „Besser wäre, wenn es dort eine aktive Einzelhandelstätigkeit gäbe“, sagt er. „Auch dekorierte Schaufenster wären schöner.“ Bisher habe er die Mieterin noch nicht erreicht, werde aber am Ball bleiben.

Die Stadtverwaltung indes, „konkret das zuständige Referat Wirtschaftsförderung, war mehrfach in Kontakt mit der Mieterin“, erklärt Rathaussprecherin Angela Steffan auf Anfrage. „Die Informationen zur geplanten Nutzung blieben dabei vage“.

Seither sei auch kein Fortschritt zu erkennen gewesen. „Die genauen Gründe sind uns nicht bekannt“, so Angela Steffan. Man bemühe sich weiter um den Kontakt „mit dem Ziel, dass die angemieteten Flächen aktiv genutzt werden.“ Mittel aus dem städtischen Förderprogramm Einzelhandel seien nicht beantragt worden.

Mit diesem Programm will die Stadt „einen wirkungsvollen Anreiz für die Stärkung der Innenstadt als attraktives Einkaufszentrum“ schaffen, wie es auf der Homepage der Verwaltung heißt.

Die frühere Tchibo-Filiale auf dem Marktplatz. Schaufenster und Tür sind mit Folie verklebt. © Gerd Weimer

Steg denkt über Kündigung des Mietverhältnisses nach

Es werden Neueröffnungen, aber auch die Fortführung von Einzelhandelsbetrieben unterstützt. Für kleine Läden (bis 75 Quadratmeter) gibt es 900 Euro jährlich, größere erhalten 900 Euro – drei Jahre lang. Voraussetzung für den Zuschuss ist allerdings die Mitgliedschaft im Stadtmarketing-Verein, was bei der Mieterin nicht der Fall ist.

Bei der Steg macht man sich unterdessen Gedanken, wie es mit dem Geisterladen im Duffhaus-Komplex weitergeht. Geschäftsführer Thomas Müller erklärt auf Anfrage, dass wegen der ausbleibenden Aktivitäten eine Kündigung des Mietverhältnisses im Raum steht. Man sei schon auf der Suche nach einem neuen Nutzer, erklärt Müller. Im Gegensatz zu den Privatleuten ist die Steg dazu angehalten, die Entwicklung der Innenstadt im Auge zu behalten – nicht nur das eigene betriebswirtschaftliche Ergebnis.

Der Laden in der Eichelgasse 12 ist leer. © Gerd Weimer

Mit der Mieterin zum Gespräch getroffen

Die Fränkischen Nachrichten trafen die Mieterin zu einem Gespräch. Zu Details ihres Vorhabens möchte sie noch keine Angaben machen. Auch ihren Namen will sie vorerst nicht in der Zeitung lesen.

Sie habe die Läden „in dieser schönen Stadt angemietet, um Kunst von mir und anderen zu präsentieren und zu verkaufen“, sagte sie und verspricht: „Ich werde die Räumlichkeiten in Kürze eröffnen.“

Es sei zu Verzögerungen gekommen, weil es schwierig ist, Firmen oder Arbeiter zu finden. Auch Wohnungen für potenzielle Mitarbeiter seien in Wertheim sehr knapp. Auf die Idee, hier aktiv zu werden, sei sie gekommen, „weil es in der Wertheimer Altstadt so viele Geschäfte gab, die leer standen.“ Außerdem seien die Mieten relativ günstig.

„Ich habe auch andere Künstler auf die Situation in dieser schönen Stadt aufmerksam gemacht und hoffe, dass sie meinem Beispiel folgen“, berichtet sie.

Nach FN-Informationen ist die Frau auf der Suche nach weiteren Räumlichkeiten. Mindestens drei weitere wolle sie anmieten, heißt es. Die Stadt darf also weiter gespannt darauf sein, was konkret die Mieterin in Wertheim vorhat.

Redaktion Reporter Wertheim

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