Transatlantische Beziehungen waren das Thema

Vortrag in Wertheim: Europa muss selbst stark sein

Professor Philipp Gassert von der Universität Mannheim war in der Aula des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums zu Gast.

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Nadine Schmid
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Professor Philipp Gassert von der Universität Mannheim hielt einen Vortrag über transatlantische Beziehungen. © Nadine Schmid

Wertheim. Die Aula des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums war mit etwa 100 Besuchern gut gefüllt am Donnerstagabend. Grund war der Besuch und Vortrag von Professor Philipp Gassert von der Universität Mannheim. Der Dozent für Geschichte mit Schwerpunkt Zeitgeschichte ist gebürtiger Wertheimer und außerdem ehemaliger Schüler des DBGs. Aber sicher war es neben dieser Tatsache auch das hochaktuelle Thema der Veranstaltung, zu der die Internationale Partnerschaftsvereinigung Wertheim (IPW) eingeladen hatte: die neue Weltordnung durch autokratische Präsidenten wie Wladimir Putin in Russland und Donald Trump in den USA – und wie Europa darauf reagiert. Das klare Credo des Vortrags mit dem Titel „Deutschland, Europa, Amerika – Über Geschichte, Gegenwart und Zukunft der transatlantischen Beziehungen“ ist: Europa muss sich auf seine eigene Stärke verlassen können. Die seit dem zweiten Weltkrieg wie selbstverständlich vorausgesetzte Unterstützung der Amerikaner ist nicht mehr gewährleistet.

Zunächst begrüßten Schulleiter Ulf Hannig und Manfred Breuer, Vorsitzender der IPW, und dankten dem Professor für den Vortrag, den er kostenlos hielt. „Sonst hätten wir uns ihn nicht leisten können.“ Gasserts humorige Antwort: „In meiner Heimatstadt mache ich das gern. In Bad Mergentheim wäre das vielleicht etwas teurer.“ Doch dann wurde es ernst und es folgte ein einstündiger dichter und sehr informativer Vortrag, der die internationalen Verflechtungen im Kalten Krieg, in der Zeit nach der Wiedervereinigung und dem 11. September bis hin zum Angriffskrieg auf die Ukraine beleuchtete.

Er startete mit der Besatzungszeit nach dem Zweiten Weltkrieg und untermalte dies mit Bildern der amerikanischen Ankunft am Engelsbrunnen und der Peden Barracks. „In dieser Zeit wurden die Deutschen von Feinden zu Freunden und die Russen von Freunden zu Feinden“, beschrieb Gassert die Situation zur Zeit von Luftbrücke und beginnendem Kalten Krieg. Damals seien die Amerikaner als Antreiber der Demokratisierung und als Schutzmacht gegenüber der Sowjetunion und dem Warschauer Pakt willkommen gewesen. „Man hat in den siebziger und achtziger Jahren sogar anti-amerikanische Kritik bekämpft aus Angst, die Amerikaner könnten abziehen“, so Gassert. Zu dieser Zeit habe es zwar ein dauerhaftes Bedrohungsgefühl gegeben, aber durch die gegenseitige Abschreckung habe es die stillschweigende Übereinkunft gegeben, dass jeder in seiner Hemisphäre bleibt. So sei es in Europa, anders als auf anderen Kontinenten, ruhig geblieben.

Nach 1990 endete dieses Gleichgewicht der Kräfte und schnell sei die anfängliche Friedens- und Freiheitseuphorie verflogen – angesichts des Jugoslawienkrieges und von Nine-Eleven und den Folgen. Die große Wende im deutsch-amerikanischen Verhältnis sei dann mit der ersten Amtszeit Trumps gekommen. Als er 2017 vom G7-Gipfel abgereist war, meinte die damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Europa muss sein Schicksal in die eigene Hand nehmen.“ Hierfür sah der Referent die EU als „Überlebenschance für Europa“. Und letztlich gebe es aus seiner Sicht keine Alternative zur Aufrüstung. Gleichzeitig habe man bereits unter Barack Obama eine Tendenz der USA wahrnehmen können, sich nach Asien zu orientieren.

An den Vortrag schloss sich eine Diskussion an, die viele Thematiken ansprach, bei denen die interessierten Zuhörer die Meinung des Experten hören wollten. Nach einem neuen kalten Krieg wurde da zum Beispiel gefragt. „Den sehe ich nicht. Denn Geschichte wiederholt sich nie eins zu eins. Aber Tendenzen in die Richtung gibt es natürlich.“ Hier müsse man vor allem China als neuen Global Player in den Blick nehmen. An welcher Stelle und wie hätte man den Ukraine-Krieg verhindern können? Hier sieht der Historiker vor allem Versäumnisse in den 90er und Nullerjahren. Die westliche Reaktion auf die Annektierung der Krim sei doch recht dürftig gewesen. Direkt vor dem Überfall auf die Ukraine hätte man aus seiner Sicht dagegen nicht mehr viel machen können. „Sobald ein Diktator Krieg führen will, kann man ihn nicht daran hindern.“

Die zunehmende Autokratisierung weltweit und auch innerhalb einiger EU-Staaten beschäftige die Versammlung ebenfalls. „Wir erleben in den letzten Jahren eine demokratische Regression“, so Gassert. Er hoffe, dass die Demokratie sich letztlich wieder durchsetzen werde. „Ich hoffe auf die Selbstheilungskräfte der USA“, gibt er sich noch immer optimistisch. Mit vielen neuen Erkenntnissen und viel Stoff zum Nachdenken sowie mit großem Beifall für den Referenten endete nach zwei Stunden die Veranstaltung.

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