Wertheim. Wer in den kommenden zwei Wochen das Bistro „Le Münz“ in Wertheim betritt, wird überrascht sein und vielleicht auch etwas schaudern ob der in Schwarz-Weiß gehaltenen Porträts, die ihn von den Wänden „anschauen“. Sie alle sind Figuren aus dem Theaterstück „Sweeney Todd oder der mörderische Barbier“, das die „Gewölbegaukler“ des Kleinkunstvereins Convenartis unter Regie der Vorsitzenden Bernadette Latka im April auf die Bühne bringen. Der leidenschaftliche Fotograf Walter Hörnig – in anderer Rolle Programmmacher des Vereins - fotografierte die Schauspieler in Kostüm und Pose der von ihnen dargestellten Rollen. Herausgekommen ist eine beeindruckende Reihe von Bildern, die bei der Vernissage am Freitag erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wurden. Gleichzeitig warb die Theatergruppe mit kleinen Szenen für den Besuch der Aufführungen am 4. und 5. sowie am 11. und 12. April.
Schon als man das Bistro betrat, bekam man gute Laune durch das Duo „Baron und Baronin von Sachsen“, das den Abend mit einem breiten Repertoire musikalisch umrahmte. Am Ende wurde sogar noch getanzt.
Doch erst standen natürlich die Bilder im Mittelpunkt. Nadine Schmid, stellvertretende Vorsitzende von Convenartis, freute sich über die erste Vernissage in der Vereinsgeschichte und dankte Hörnig für Idee und Ausführung.
Keine Filmversion mit Johnny Depp
Danach führte Latka, welche die Theatergruppe leitet, ins Stück ein. Dabei stellte sie gleich klar: „Wir spielen nicht die Filmversion mit Johnny Depp und es wird auch kein Musical.“ So sei der Sweeney Todd in der dargebotenen Version von Brian J. Burton nach George Dibdin Pitt (Deutsch von Walter Brandin) auch nicht ein durch Schicksalsschläge zerrissener Mensch, sondern durch und durch böse. Doch auch, wenn das Stück „nicht unbedingt für Dreijährige geeignet ist“, handle es sich um eine überzeichnete Horrorkomödie, in der es auch viel zu lachen gibt – und auch Liebesgeschichten und Romantik, versprach die Regisseurin. Zum Theatervergnügen trage neben der Leistung der Schauspieler das „phänomenale Bühnenbild“ des Wertheimer Künstlers Tommy Kies bei.
Natürlich muss man aufpassen, dass man nicht von Sweeney Todd „nihilisiert wird“. Was das bedeutet, zeigte Simone Becker, die im Stück die namengebende Hauptrolle spielt, in der angespielten Szene, in der sie bedrohlich mit ihrem Barbiermesser durch die Luft wedelt und grimmige Blicke ins Publikum wirft. Spätestens, wenn Todd seine Geschäftspartnerin, die Pastetenbäckerin Mrs. Lovett (Mirjam Kramer) um die Ecke bringt, ist jedem klar, dass mit diesem Zeitgenossen nicht gut Kirschen essen ist. Doch auch Pfarrer Doktor Lupin (Rainer Dreikorn) wirkt nicht gerade als Sympathieträger.
Einen ersten Eindruck von den kommenden Aufführungen bekam man beim Betrachten der Fotografien. Denn Hörnig ist es gelungen, jede Figur innerhalb des Theaters an dem Schauplatz und mit der Mimik abzulichten, die zur Rolle passen. Dies hob die Laudatorin, Museumswissenschaftlerin Claire Dengel, als besonders bemerkenswert hervor. Sie freute sich, dass Hörnig sich, wenn auch digital fotografierend, an die analoge Fotografie der Anfangszeit annähere. „Es sind Kunstwerke, die in Zeiten schneller Handy-Fotos an die früheren Mühen beim Fotografieren erinnern.“
Der Künstler gebe durch Reduktion den Blick auf das Wesentliche frei. Das Spiel mit Licht und Schatten sowie der Druck auf mattem Papier würden dafür sorgen, dass der Fokus auf der Gesichtsmuskulatur der Dargestellten liege. Dengel: „Jedes Bild erzählt eine Geschichte.“
Hörnig berichtete, wie sein Weg zur Ausstellung führte. Bereits mit sieben Jahren habe er sich seine erste Kamera gekauft und seitdem begleite ihn die Fotografie. Die Initialzündung für diese Art der Schwarz-Weiß-Fotografie brachte 1978 „eine Frau aus Ostberlin“, namentlich Nina Hagen, oder genauer gesagt, Jim Rakete, der sie wie viele andere Künstler in ähnlichem Stil abbildete wie Hörnig nun die Gaukler.
Das Projekt sei sehr anstrengend gewesen, bekannte dieser. „Aber es hat tierisch Spaß gemacht.“ Er lobte die Schauspieler, die sich voll auf die Fotos eingelassen hätten. „Ich will Emotionen zeigen und keine Technik“, erklärte der Fotograf seinen Fokus. „Ein Bild ist immer ein Stück Geschichte. Das wollte ich zeigen in dieser Zeit, in der Fotos schnell geschossen und angeschaut werden und keinen längeren Wert mehr haben.“
Fotoschau und Theateraufführungen
Die Fotoausstellung ist bis zum 4. April zu den Öffnungszeiten von „Le Münz“ zu sehen. Das Theaterstück „Sweeney Todd oder Der mörderische Barbier“ führen die „Gewölbegaukler“ am 4., 5., 11. und 12. April jeweils um 20 Uhr im Convenartis-Gewölbekeller in Wertheim auf. Karten gibt es an allen Reservix-Vorverkaufsstellen, online über die Homepage convenartis.de und an der Abendkasse.
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