Kulturkreis

„Vielsaitiger“ Nachmittag im Wertheimer Schlösschen

Geigerin Sinn Yang und Pianist Marco Grisanti spielen anspruchsvolles Konzert

Von 
Carsten Klomp
Lesedauer: 
Die Geigerin Sinn Yang war bereits mehrfach zu Gast bei den Schlösschen-Konzerten. Nun gastierte sie mit dem italienischen Pianisten und Konservatoriumsprofessor Marco Grisanti. © Klomp

Wertheim. Die Geigerin Sinn Yang ist bereits mehrfach zu Gast bei den Schlösschen-Konzerten des Wertheimer Kulturkreises gewesen. Diesmal hatte sie als Duopartner den italienischen Pianisten und Konservatoriumsprofessor Marco Grisanti mitgebracht, mit dem sie ein anspruchsvolles Programm mit Werken der Romantik und klassischen Moderne vorstellte.

Hatte Sinn Yang bei ihrem letzten Schlösschen-Konzert einen im wahrsten Sinne des Wortes klassischen Einstieg mit einer Beethoven-Sonate gewählt, eröffnete das Duo Yang/Grisanti das aktuelle Programm sozusagen mit einem regelrechten Kavallier(innen)start: George Enescus a-moll-Sonate für Violine und Klavier verlangt Spielern wie Hörern vollste Konzentration ab. Die innerhalb von drei Tagen komponierte Sonate besteht – unvollendet oder womöglich beabsichtigt – nur aus einem großangelegten Satz, der sich klassischen Konventionen entzieht. Nicht in einer klaren Form, sondern eher als Fantasie gestaltet, mäandriert das Werk von einem Motiv zum nächsten Thema.

Dabei werden die teilweise erkennbaren Melodien aus Enescus rumänischer Heimat so weit entrückt und verfremdet, dass es nicht ganz einfach ist, dem Werk zu folgen. Überraschende Harmonie-, ja Tonartwechsel kontrastieren mit melodiösen Linien und gelegentlich Brahmsschen Klangflächen. Eindrucksvoll, wie gut die beiden Musici aufeinander hören und bis in die Mikroagogik hinein miteinander harmonieren.

Die ausladende 2. Sonate für Violine und Klavier ist ein recht seltener Gast in den Konzertsälen. Obwohl dem Geiger Ferdinand David gewidmet, ist sie – Analogie zu Beethovens Sonaten – über weite Strecken eher eine Sonate für Klavier und Violine als andersherum. In allen vier Sätzen laufen die beiden Instrumente häufig parallel und das meist sogar in der gleichen Lage.

Eben dies erwies sich leider als problematisch, denn zumindest am Platz des Rezensenten war das Klavier über weite Strecken schlicht zu laut. Besonders die in der linken Hand häufig vorkommenden Oktavverdopplungen spielte Grisanti so massiv, dass Yangs Violinpart regelrecht unterging. Besonders betrüblich war dies im dritten Satz, in dem Yang ihrem Instrument wunderbar differenzierte Klangfarben entlockte, die aber nicht immer gut wahrnehmbar waren.

Die Klangregie wurde jedoch nach der Pause wieder deutlich besser. Die im Alter von 25 Jahren sehr früh vollendete Lili Boulanger gehört zu den herausragenden Komponistinnen des 20. Jahrhunderts. Als erste Komponistin überhaupt erhielt sie den begehrten Rom-Preis und wäre sie nicht so jung verstorben, hätte die Welt sicher noch zahlreiche bedeutende Werke aus ihrer Feder erwarten können.

Mitreißende Cortège

Yang und Grisanti spielten Boulangers „Deux morceaux“, zwei Stücke, die in umgekehrter Reihenfolge gespielt wie klassische Zugaben-Stücke wirken. Zunächst erklang das zarte Nocturne, das weite Melodiebögen über sich chromatisch auffächernde Klavier-Harmonien spannt. Gut nachvollziehbar Yangs einführender Hinweis, die sich durch das Stück an einen nächtlichen Sternenhimmel erinnert fühlt. Der zweite Satz eine mitreißende Cortège, bei der sich beide Duopartner als Virtuosen darstellen können.

Den Abschluss des Programms bildete Darius Milhauds Cinéma-Fantaisie d’après „Le boef sur le toit“, ein Stück, dass zahlreiche brasilianische Tangos und Habaneras collagiert. Mihaud war Mitglied der französischen Komponistengruppe „Groupe de six“, die, seinerzeit ähnlich übrigens zu Komponisten in manch anderen Ländern, eine nationale oder zumindest national gefärbte und eigenständige Musik schaffen wollten. Dies ist durchaus gelungen, denn so wie zum Beispiel auch in Russland, ist die französische Musik der Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert tatsächlich gut als solche erkennbar: Oftmals leicht augenzwinkernd und von geistvollem Humor durchwirkt, dabei (noch) tonal aber harmonisch komplex, trumpft diese Musik nie auf, obwohl sie oft hochvirtuos und anspruchsvoll daherkommt. Auch in Milhauds Fantaisie entfernen sich „schräge“ Harmonien sich immer weiter voneinander, bevor sie sich scheinbar zufällig wieder einander annähern. Yang und Grisanti meisterten die technischen und musikalischen Ansprüche makellos und so forderte das begeisterte Publikum zwei Zugaben ein, die mit Gershwin und Piazzolla gerne gewährt wurden.

Freier Autor

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten

VG WORT Zählmarke