Wertheim/Grünenwört.
„Es ist schön, wie viele ehemalige Schüler, die ich zum Teil vor Jahrzehnten unterrichtete, mich heute noch freudig in der Stadt grüßen“, schwärmt Prager. An diesem Mittwoch wird der leidenschaftliche Pädagoge, der durch seinen Widerspruchsgeist auch schon mal bei seinen Vorsitzenden aneckte, 80 Jahre alt.
Pragers Leben begann in Budapest, doch schon, als er ein Jahr alt war, floh die deutschstämmige Mutter 1944 mit ihm nach Westdeutschland. Der ungarische Vater war zu dieser Zeit im Krieg und hatte vorher als Staatssekretär für die mit Nazi-Deutschland verbündete Regierung gearbeitet.
Als Tibor Prager in Heidelberg in eine erste Klasse mit 40 Schülern eingeschult wurde, konnte er kein Deutsch, da zu Hause nur Ungarisch gesprochen wurde. Doch er lernte schnell und wechselte bald aufs Gymnasium. Irgendwann kurz vor dem Abitur stellte er fest, dass er dort – seiner deutschen Mutter zum Trotz – als „heimatloser Ausländer“ geführt wurde. Dies wurde ihm nach seinem Lehramtsstudium an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg zum Verhängnis, denn für die Einstellung brauchte er einen Staatsangehörigkeitsnachweis. Für diesen verlangte das Polizeipräsidium Mannheim 10 000 Mark. „Da ist das ungarische Blut hochgekocht, das habe ich nicht eingesehen“, erinnert sich der Jubilar an seine Gefühle von damals.'
Lehrermangel kommt zu Hilfe
Zu Hilfe kam ihm der damalige Lehrermangel. Denn als Prager mitteilte, er nehme gerne jede Stelle an, zahle aber keine Mark und habe durchaus berufliche Alternativen – er jobbte seinerzeit als Mechaniker- , ging es mit dem deutschen Pass plötzlich ganz schnell. Trotzdem merkte er rasch, dass sein erster Wirkungsort, eine kleine Grundschule, nicht die beste Verwendung für den Lehrer mit Hauptschul-Schwerpunkt ist. So kam er bereits nach einem Jahr in Oberbalbach 1969 an die Wertheimer Hauptschule. Er übernahm eine sechste Klasse, unterrichtete dort so gut wie alles – und blieb.
„Dass ich Lehrer werden will, wusste ich schon in der Grundschule“, berichtet er von seiner Leidenschaft. „Ich habe diese Entscheidung nie bereut und meiner Arbeit bis zur Pensionierung gerne gemacht.“ Und dass er es richtig gemacht hat, das bewies ihm die gelungene Abschiedsfeier zu seiner Pensionierung 2007, als ihn die ganze Schulgemeinschaft der Grund- und Hauptschule „Alte Steige“ verabschiedete – nach 26 Jahren als deren Schulleiter.
Dass er sich trotz seiner Leidenschaft für die Pädagogik zur Pensionierung ein Jahr früher entschieden hatte, lag vor allem an den Vorgaben und Aufträgen der Kultusverwaltung, die ihn immer wieder verärgerten. So setzte er sich beispielsweise als Personalrat der „Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft“ für seine Lehrerkollegen ein. „Ich hatte manchmal das Gefühl, die Lehrer werden verschlissen. Und dabei sollte deren Hauptaufgabe doch eigentlich das Unterrichten sein.“ Mit manchen seiner Vorgesetzten habe er sich daher „gut auseinandergesetzt“.
„Motor der Schule“
Er habe sein eigenes Kollegium immer „als Motor der Schule“ geschätzt und sei gemeinsam mit seiner Konrektorin und späteren Nachfolgerin Alice Jäger stets ein gutes Team gewesen.
Seine streitbare engagierte Art brachte er auch gerne in die Lokalpolitik ein und saß von 1994 bis 1999 für die „Freien Wähler“ im Gemeinderat. Noch heute verfolgt er die Geschehnisse vor Ort, liest Zeitung und sieht gerne Filme. Außerdem freut er sich, dass er seit seiner Pensionierung mehr Zeit hat, seine zahlreichen Kontakte zu pflegen. „Ich bin immer viel unterwegs“, berichtet der Jubilar.
Tibor Prager war bis zu deren Tod mit seiner Frau verheiratet, hat drei Kinder und fünf Enkelkinder, die über ganz Deutschland verstreut sind, ihn aber regelmäßig besuchen und zu sich einladen.
In den 60-er Jahren bekam er ganz überraschend noch zwei Familienmitglieder: Eine in Budapest lebende Tante erkannte auf der Straße seinen totgeglaubten Vater – und durch dessen zweite Ehe bekam er noch eine Halbschwester, mit der er bis heute in Kontakt steht.
Generell hielt Prager über all die Jahre den Kontakt in sein Geburtsland und begleitete beispielsweise viele Fahrten des Wertheimer Partnerschaftsvereins in die Partnerstadt Szentendre.
Seinen Geburtstag gestalten seine Kinder für ihn zu Hause und hätten ihm versichert, hier sei genug Platz für alle, die gratulieren wollen. „Ich würde mich freuen“, meint Prager. „Es ist schön, wenn heute noch Leute an mich denken“, spielt er bescheiden das herunter, was er für Generationen von Wertheimern geleistet hat. nads
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