Lieblingsstücke - Für den Verantwortlichen des Schlösschens im Hofgarten sind das Gebäude und der Park an sich bereits bedeutende Kunstwerke

Stimmung des Augenblicks eingefangen

Von 
Marina Künzig
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Auch beim Bild "Strand an der holländischen Küste" von Konrad von Kardorff (oben) stehen Stimmung und Atmosphäre im Mittelpunkt. Das Bild unten links zeigt Porzellan von Darte, das Bild untern rechts Ury Lssers "Berliner Straße mit Taxen", auch dies ein Lieblingsstück von Museumsleiter Dr. Jörg Paczkowski.

© Marina Künzig

Das Schlösschen im Hofgarten ist bereits ein Ausstellungsstück für sich. Es beherbergt neben auf das Gebäude bezogene Kunst auch drei bedeutende Kunstsammlungen.

Wertheim. Unter diesen Sammlungen befindet sich die des Wertheimers Wolfgang Schuller, der sich auf die Kunst der Berliner Secession, also den Beginn der klassischen Moderne in Deutschland spezialisierte. Dr. Jörg Paczkowski, Museumsleiter des Grafschaftsmuseums, und auch verantwortlich für das Schlösschen, hebt das Schlösschen an sich zusammen mit seinem Park hevor, wenn es um seine Lieblingsstücke der Kulturinstitution geht.

Weiten Bogen schlagen

"Das Schlösschen muss man immer im Zusammenhang mit seinen Ausstellungsstücken betrachten. Wertheim ist durch sie nämlich Standort einer bedeutenden Kunstsammlung. Wir können mit der hier ausgestellten Kunst den Bogen von der Spätromantik über den Naturalismus bis zum Impressionismus der Berliner Secession schlagen", erläutert Paczkowski. Durch diese Sammlungen und die Öffnung für die Öffentlichkeit habe man damals sein Lieblingsstück, nämlich das Schlösschen selbst, vor dem Abriss bewahren können. Nun böten sich spannende Möglichkeiten, Ausstellungen zu organisieren und Kontakte mithilfe der Objekte aufzubauen. Paczkowski: "Zudem haben wir hier einen unheimlich spannenden englischen Landschaftsgarten, einen der frühesten in Deutschland, der damals 1815 angelegt wurde."

Tasse als Tombolapreis

Direkt mit dem Schlösschen und seinem ehemaligen Bewohner Fürst Georg verbunden, ist auch das erste Stück, das der Museumsleiter besonders gut gefällt: Es ist eine Tasse mit Unterteller - Porcelaine de Paris - mit Blättermotiv von Darte. Der Fürst habe diese Tasse im Gedenken an seine verstorbene Frau dem Wertheimer Frauenverein einst als Hauptpreis für die Weihnachtstombola überlassen. Von der damaligen Gewinnerin gelangte das Stück an das Wertheimer Grafschaftsmuseum, von wo aus es schließlich seinen Weg zurück ins Schlösschen fand. Eine ganze Vitrine ist den Werken von Darte gewidmet: "Ich finde vor allem diese Goldauflagen auf den Gefäßen spannend, weil es schwieriger herzustellen ist, da es nicht festgebrannt werden kann. Früher habe ich mich nicht für Porzellan interessiert, aber dann las ich über Darte und mein Interesse an einem völlig neuen Thema war geweckt", erzählt Paczkowski.

Auch eine seiner Lieblingszeichnungen stellt das Schlösschen dar: Die historische Ansicht von Theodor Verhas. "Auf der Rückseite des Bildes ist absolut detailliert beschrieben, wie das Schlösschen früher aussah. Die Farben, die Formen, der vergoldete Knauf auf dem Dach, den wir deswegen auch wieder vergoldet haben. Es ist ein äußerst wertvolles Dokument und wirklich schön und detailreich", so Paczkowski.

Bestechende Schlichtheit

Im Gegenzug dazu stammen viele seiner weiteren Lieblingsstücke aus der Sparte des Impressionismus, in dem das Detail weniger im Vordergrund steht als die Atmosphäre und Stimmung. Walter Leistikows "Kiefern am Grunewaldsee" gehört dazu, das zur damaligen Zeit von der Kunstszene strikt abgelehnt worden war.

"Dabei ist es in seiner Schlichtheit eines der faszinierendsten Bilder der Sammlung", erklärt Dr. Paczkowski. Statt heroischen Landschaften habe Leistikow etwas Gewöhnliches und Unspektakuläres gemalt und dabei die Stimmung beeindruckend wiedergegeben, auch wenn er durch seinen Stil, beispielsweise den Konturstrich, an Detailreichtum gespart habe. "Aber ist das störend? Nein. Die Idee des Impressionismus ist: Male nicht, was du vor dir siehst, sondern was du in dir siehst. Und das hat er getan."

So auch Gotthardt Kühl mit seinem Bild "Im Hof des Lübecker Waisenhauses". Dasselbe Prinzip zugrunde legend, fasziniert Jörg Paczkowski an diesem Bild vor allem, wie das Licht und damit die Atmosphäre eingefangen wurde: "Das Motiv soll keine Sozialkritik bedeuten, sondern er wollte eine Stimmung darstellen, die er sah. Die Besonderheit hier sind die Lichtflecken auf dem Weg, ohne dass eine konkrete Lichtquelle im Bild dargestellt ist. Die befindet sich außerhalb.

Faszination Licht

Bei Bildern der Romantiker ist im Gegensatz dazu die Sonne im Bild zu sehen." Auch Ury Lessers "Berliner Straße mit Taxen" legt Wert auf die Stimmung im Bild: "Es geht nicht darum, die Wahrzeichen Berlins zu malen, sondern er konzentrierte sich darauf, was die Stadt ausmacht: Als damals erste deutsche Großstadt waren das die Neuheit des elektrischen Lichts, die Straßenschluchten, der Regen und die Lichtspiegelungen auf dem nassen Boden, die Taxen und die Enge. Das zeigt die gesamte Modernität dieser Kunst."

"Strand an der holländischen Küste" von Konrad von Kardorff hingegen sei eines der faszinierendsten Stücke, weil es in seiner unspektakulären Motivwahl genau die sommerliche Ruhe auf ihn ausstrahle, die man an einem solchen Strand empfinde, so Dr. Paczkowski. "Und dann faszinieren mich auch seine an sehr wenigen Stellen gesetzten, kraftvollen farblichen Akzente mit den Hollandflaggen."

Schemenhafter Michel

Carlos Grethes "Hamburger Hafen" schließlich muss man sich schon sehr genau anschauen: Das Motiv des Hafens mit seinen in damaliger Zeit modernen Schiffen steht, laut Museumsleiter Jörg Paczkowski, im Vordergrund und dominiert das Bild. Leicht angedeutet im Hintergrund ist allerdings der Michel zu sehen. "Er ist nur schemenhaft zu erkennen. Wäre er wirklich gezeichnet, würde er mit dem Schornstein im Vordergrund konkurrieren, doch so bewirkt er einen ganz neuen, faszinierenden Effekt."

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