Ein Jahr im Dienst - Wertheims Stadtarchivar Wolfram Berner sieht sich in erster Linie als Dienstleister und Service-Mitarbeiter

Stadtgeschichte lebt von Geschichten

Von 
Susanne Marinelli
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Seit einem Jahr arbeitet Wolfram Berner als Wertheimer Stadtarchivar beim Archivverbund Main-Tauber in Bronnbach. Er sieht sich in erster Linie als Dienstleister und Service-Mitarbeiter der Stadtverwaltung.

© Marinelli

Bronnbach. Vor einem Jahr war Wolfram Berner "der Neue", als er am 1. Oktober beim Archivverbund Main-Tauber in Bronnbach seinen Dienst als Wertheimer Stadtarchivar antrat. Nun freut er sich, schon längst nicht mehr "der Fremde" zu sein. Im Gegenteil: "Ich bin voll integriert", betont der 35-Jährige. Nach seinem ersten Jahr als Referatsleiter Stadtarchiv Wertheim ist er zufrieden, schon manches erreicht zu haben. Gleichwohl stellt er mit einem Lächeln fest: "Es steht noch vieles an. Die Arbeit geht uns nie aus."

Wolfram Berner fühlt sich in Bronnbach wohl. Das liegt nicht nur an dem besonderen Ambiente der Klosteranlage, in der das Archiv untergebracht ist. Er schätzt auch das "in Deutschland ganz seltene Konstrukt des Archivverbunds", wie er im Gespräch mit den Fränkischen Nachrichten erklärt. Die gesamte Einrichtung wiederum ist an das Landesarchiv Baden-Württemberg angegliedert. Diese Bündelung habe Vorteile, betont Berner mit Blick auf die personelle und technische Ausstattung. Denn "normalerweise wäre man im Stadtarchiv ein Einzelkämpfer".

"Als Quantensprung" beschreibt Berner seinen Dienstantritt als Stadtarchivar. Solch eine Position "frisch nach der Ausbildung" bekleiden zu dürfen, "war für mich sehr aufregend". Der Empfang "war überall herzlich".

Seine Aufgabe als Stadtarchivar bringt der 35-jährige Wahl-Wertheimer folgendermaßen auf den Punkt: "Ich bin in erster Linie Dienstleister und Service-Mitarbeiter der Stadtverwaltung." Dabei gehe es darum, durch das Aufbewahren von Unterlagen die Verwaltungstätigkeit in der Vergangenheit abzubilden.

Das Bewerten des vorliegenden Materials sieht Berner als "die Kernaufgabe" bei der Arbeit eines jeden Archivars. Ob dieser "die richtige Entscheidung getroffen hat, bestimmt aber oft erst in 30 Jahren der Wissenschaftler", der mit dem ausgewählten Material forscht. Berner: "Der Archivar ist die letzte Instanz einer Akte. Er entscheidet, was dauerhaft aufbewahrt wird im bei uns symbolisch genannten Aktenhimmel." Bis zu 80 Prozent des gesichteten Materials wandere "in die ewige Verdammnis", sprich den Schredder. In der Praxis werde jedoch meist mehr archiviert. Auch von seinen Amtsvorgängern sei vielleicht mehr als unbedingt nötigt aufbewahrt worden. "Aber das ist gut so."

Nach der Bewertung der Dokumente folge deren Übernahme in den Bestand. Dabei sei es nicht damit getan, "Akten in einem Karton hereinzuschleppen". Man müsse wissen, "was wir haben und wo was steht". Deshalb sei es nötig, alles zu verzeichnen und ins Archivprogramm einzuarbeiten. So könne man die weitere Aufgabe eines Archivs, "das Bereitstellen von Dokumenten für den Nutzer", erfüllen.

Neue Generation

Dass den Archivaren das Material ausgehen werde, das glaubt Wolfram Berner nicht. Denn obwohl von verschiedenen Stellen das "papierlose Büro" propagiert werde, zeige die Erfahrung, dass es trotz - oder gerade wegen - des Einzugs der EDV in die Verwaltung eine enorme Papierflut gebe. So würden zahlreiche E-Mails ausgedruckt und aufgehoben. Zunehmen werde sicherlich die Zahl der sogenannten Hybrid-Akten, die sowohl aus elektronischen Daten als auch aus Papier bestehen. Deren Archivierung erzeuge jedoch "enorme Kosten".

Einen Wandel sieht Berner bei der Vorstellung davon, "wie ein Archivar zu sein hat". Er betont: "Wir sind eine ganz neue Generation." Mit einem Lachen widerlegt er das Vorurteil: "Archivare sind alle Kinder von Traurigkeit". Überzeugend betont er, "wir sitzen nicht im Keller", um verstaubte Akten zu sortieren.

Voll des Lobes ist der Marbacher, der während der Woche in Wertheim wohnt, für die Zusammenarbeit mit den städtischen Verwaltungsmitarbeitern sowie den Beschäftigten der Wertheimer Kulturinstitutionen Grafschaftsmuseum, Stadtbücherei und Jugendmusikschule. Akten der Musikschule, die auf dem Speicher des Kulturhauses gelagert waren, bescherten ihm gar eine "archivarische Sternstunde". Er selbst nennt es einen "klassischen Zufallsfund, den man einmal in seinem Archivar-Leben hat". So entdeckte er bei der Akten-Übernahme alte Baupläne von Gebäuden, die einen historischen Wert haben.

Das Führen eines Stadtarchivs bezeichnet Berner im Rahmen der Rechtssicherung als eine Pflichtaufgabe einer Kommune. "Danach kommt die Auskunftstätigkeit für die Allgemeinheit." Da man sein Wissen nicht für sich behalte, und das Haus mittels Internet Interessierten 24 Stunden zur Verfügung stehe, ist für ihn ein Archiv "gelebte Demokratie".

Gerne kommt Wolfram Berner bei seiner Arbeit mit den Archiv-Nutzern ins Gespräch. Gegenwärtig seien das häufiger Mondfelder, die für die 2014 geplante 800-Jahr-Feier der Ortschaft Material sichten.

Das Schöne an seinem Tun für den Diplom-Archivar ist, "dass es sich die Waage hält zwischen Verwaltungsarbeiten und archivarischen Kernaufgaben einerseits und dem Kontakt mit unserer Kundschaft, die durch ihre Arbeiten selbst zum Nachlassgeber wird". Als Beispiel nennt er das zur 800-Jahrfeier Nassig erstellte Mundartbüchlein, das in die archiveigene Fachbibliothek aufgenommen worden ist. Schließlich wolle man Regionales dokumentieren.

Denn für Wolfram Berner steht fest: "Die Stadtgeschichte lebt von Geschichten. Diese werden aber nicht von der Verwaltung, sondern von jeder einzelnen Person geschrieben."

Zur Person: Wertheims Stadtarchivar Wolfram Berner

Stadtarchivar Wolfram Berner bezeichnet sich selbst als Wahl-Wertheimer. Denn an den Arbeitstagen lebt er in der Main-Tauber-Stadt. Seine Heimat ist jedoch in Marbach am Neckar.

Sein Studium der Geschichte/Germanistik M.A. absolvierte er von 2000 bis 2007 an der Universität Stuttgart.

In dieser Zeit fungierte er bei der Großen Landesausstellung "Imperum Romanum" als Besucherführer. Außerdem organisierte er für die Universität Stuttgart als wissenschaftlicher Leiter die Althistorische Exkursion "Provence - Romanisierung der Gallier.

Nach seinem Studium übernahm Berner verschiedene Aufgaben. Dazu zählte seit 2007 in Stuttgart die themenbezogene Museumsführung im (Römischen) Lapidarium des Landesmuseums Württemberg. Weiter war er 2008 beim Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart, freier Mitarbeiter im Referat "Nutzung, Information aus Archivgut". 2008/09 arbeitete er für das Hauptstaatsarchiv Stuttgart als Angestellter im Referat "Erschließung".

Seine Ausbildung für den gehobenen Archivdienst (2009 bis 2012) beendete Wolfram Berner erfolgreich mit dem Abschluss Diplom-Archivar (FH). Seit dem 1. Oktober 2012 fungiert er als Stadtarchivar von Wertheim. su

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