Dr. Jörg Paczkowski leitet seit mehr als 37 Jahren das Wertheimer Grafschaftsmuseum. Mit einigen Stücken verbindet er besondere Erinnerungen.
Wertheim. Das Grafschaftsmuseum Wertheim hat inzwischen über 20 000 Objekte gesammelt, die etwas mit Wertheim und der früheren Grafschaft zu tun haben. Da ist es vor allem als Museumsleiter schwer, sich Lieblingsstücke herauszusuchen. "Man hängt an jedem einzelnen Stück, das man selbst erwerben konnte und natürlich auch an der faszinierenden Sammlung, die schon vor dem eigenen Wirken da waren", erklärt Museumsleiter Dr. Jörg Paczkowski. Als Kunsthistoriker und Volkskundler hat er einen persönlichen Bezug zu all seinen Exponaten. "Ich kann mir kein Stück aussuchen, das ich am liebsten habe." Zu vier seiner Ausstellungsstücke erzählt er allerdings Geschichten, die ihn besonders persönlich betroffen haben.
Am Anfang stand ein Bild. Es ist das erste Stück, das Paczkowski, im Jahr 1979, damals frisch Museumsleiter geworden, selbst für das Museum erworben hat. "Die Geschichte des Bildes ist eine besondere Geschichte von meinem eigenen Leben hier in Wertheim", verrät er. Es handelt sich um ein Ölgemälde von Louise Modersohn-Breling, Frau des bereits berühmten Malers Modersohn. Sie malte 1924 eine Graue Gasse: die Rittergasse in Wertheim, die so heute nicht mehr existiert. Das Bild erfülle, so Paczkowski, zwei wichtige Funktionen: Es fungiere einerseits als Dokument der Vergangenheit, weil es etwas erhält, das mittlerweile verloren ist.
Andererseits sei es ein beispielhaftes Bild der damaligen klassischen Moderne - noch dazu von einer Frau gemalt. Das Gespür dafür, eine Atmosphäre wiederzugeben, packe ihn bei jedem Betrachten aufs Neue. " Damals haben mich ältere Wertheimer angesprochen, wie schön sie dieses Bild finden würden. So sehe Wertheim in ihrer Erinnerung aus."
Modersohn-Breling richte den Blick auf das große Ganze statt auf einzelne Details, erklärt Paczkowski. "Sie hat sich als Motiv nicht etwa die Burg, sondern das Unspektakuläre, das was Wertheim ausmacht, diese Gasse ausgesucht. Sie hat sie so gemalt, dass diejenigen, die sie kannten, sie auch wieder erkennen. Man kann sie sich aber auch vorstellen, wenn man nicht dort war. Das fand ich damals als junger Mann ganz toll", erinnert sich Paczkowski.
Die Sagenabteilung fasziniert den Museumsleiter ebenfalls. Etwa 150 handgeschriebene Sagen und Märchen in und um Wertheim haben das Museum und der Historische Verein Wertheim zusammengetragen. "Das ist ein Thema, das ich unheimlich spannend finde", sagt Paczkowski. "Eine Sage versucht, etwas zu erklären, wozu man keine Unterlagen hat. Also erfindet man etwas und das bedeutet, man setzt sich mit seiner Umgebung auseinander." Durch die Geschichten könnten sich vor allem in Seminaren die jungen Leute mit ihrer Heimat auseinandersetzen und bekämen einen Bezug dazu. "Es geht zudem um Identifikation mit der Heimat. Das ist ein höchst aktuelles Thema." Die Sagen werden in einem Projekt aufgeschrieben, kommentiert und in einem Buch veröffentlicht, um sie einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.
Bei dem Bild "Ilheos" in Brasilien, der erste Versuch in Öl von Heinrich Hofmann, hebt Paczkowski den internationalen Bezug zur Wertheimer Region und erneut die Aktualität des Themas hervor. "Was macht ein Bild von Brasilien in einem Wertheimer Museum? Nun, der Maler war Captain Heinrich Hofmann, der ursprünglich in Kreuzwertheim geboren worden war und dann in England im Großbritannischen Admiralstab gegen Napoleon kämpfte." Hofmanns bester Freund war Fürst Georg - ein Napoleonanhänger. "Die beiden schrieben einander und die Auseinandersetzungen in den Briefen, diese Spannung, die damals herrschte und die wir auch heute wieder empfinden, wenn wir über Europa diskutieren, ist hier in diesem Zimmer, in dem wir Hofmanns Stücke ausstellen, förmlich greifbar."
Hofmann habe Napoleon als den Untergang eines geeinten Europas bezeichnet, was seine Motivation war, ihn zu bekämpfen. Der Fürst allerdings habe deutlich gemacht, dass er in einem geeinten Europa schließlich keine Macht mehr besäße, weswegen er Napoleon unterstützte. Zwei verbittert entgegengesetzte Standpunkte. Paczkowski: "Wir versuchen, die Probleme immer auf eine neue, noch nie da gewesene Art zu lösen, dabei waren sie alle schon da. Wenn man sich mit der Vergangenheit auseinandersetzt, kann man so viel für die Gegenwart daraus lernen. Das ist es, was wir hier vermitteln wollen." Als Kulturstifter und Kulturmanager sei Hofmann schließlich wieder nach Wertheim zurückgekehrt. Er habe gemalt, inszeniert, gebaut, bewegt. "Das Bild Ilheos steht für mich stellvertretend für all diese Geschichten."
Zuletzt erzählt Paczkowski die Erwerbsgeschichte der Goldmedaille von Graf Maximilian Carl (1672 bis 1718). Die Münze besitzt das Museum in drei Ausführungen, doch die Goldmedaille gibt es nur zwei- bis dreimal auf der Welt. Auf ihr ist der Löwensteiner Maximilian Carl noch Graf, auf den anderen Münzen war er bereits Fürst. "Der Graf hatte ein sehr enges Verhältnis zum deutschen Kaiser. Es ist ein Stück aus genau der Umbruchphase seiner Linie stammt", erklärt Paczkowski.
Es gehe aber auch darum, wie die Münze in den Besitz des Museums gelangte: "Mithilfe der Numismatiker fand ich die Münze auf dem Kunstmarkt und wir bekamen vom Land Baden-Württemberg die Zusage, dass sie uns bezahlt würde. Allerdings mussten wir sie selbst ersteigern und konnten dann erst das Geld anfordern."
Mit einem Sonderkonto auf der Sparkasse und verschiedenen Geldgebern konnte man genug Geld zusammenbringen, die Münze kaufen und das Land gab wenige Tage später das Okay und überwies das Geld. "Das Besondere daran ist, dass wir das alles ohne schriftlichen Vertrag abgewickelt haben. Wir hatten nichts in der Hand. Einzig durch das gegenseitige Vertrauen darauf, dass es funktionieren würde und wir nicht hängengelassen werden, konnte das funktionieren und es hat reibungslos geklappt. Deswegen hänge ich sehr an dem Stück."
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