Historische Bausubstanz

Sanierung der „Alten Münz“ fertig

Nach sieben Jahren Arbeit wird das mutmaßlich älteste Haus der Stadt wieder genutzt

Von 
Gerd Weimer
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Das älteste Wertheimer Haus ist nach sieben Jahren fertig saniert. Die „Münz“-Leute brauchten einen langen Atem.

Wertheim. Es war ein Projekt mit vielen Überraschungen. Ein Vorhaben, das sich immer wieder verzögerte, weil neue Herausforderungen auftauchten. Jetzt, da es vollendet ist, sofern man bei der Sanierung eines historischen Gebäudes davon sprechen kann, herrscht Erleichterung und Genugtuung bei den Beteiligten. „Als wir die behördliche Abnahme bekommen haben, war es eine Erlösung“, sagt Cornelia Sachs.

Zum Gespräch mit den Fränkischen Nachrichten kommen die Retter der „Alten Münz“ im blauen Einheits-T-Shirt, auf deren Vorderseite zwei Münzen abgebildet sind, die vor Jahrhunderten hier geprägt wurden. Auf der Rückseite des Shirts ist eine Zeichnung des Gebäudekomplexes zu sehen, das nach Jahren unermüdlicher Arbeit wieder eine Zukunft hat.

In die zwei Wohnungen, die zur Verfügung stehen, sind bereits Mieter eingezogen. Das Restaurant „Le Münz“ bietet seit Anfang Juli an einigen Tagen pro Woche französische Spezialitäten an. Die vorgesehenen Co-Working-Plätze und der Konferenzraum – hier können sich Interessierte einen Arbeitsplatz mieten –sind im Internet buchbar. Auch das Büro ist bezugsfertig. Geschafft.

Die Münz-Gruppe erwarb das sanierungsbedürftige Gebäudeensemble vor sieben Jahren – zu einem „angemessenen Preis, wenn man den Zustand berücksichtigt“, heißt es. Der Begriff „desolat“ würde diesen wohl am besten beschreiben, auf jeden Fall unbefriedigend, wenn man berücksichtigt, dass es sich um das älteste bekannte Gebäude der Stadt handelt – abgesehen von der Wertheimer Burg. Harald Brode, der sich einen Namen als Retter von aufgegebenen historischen Objekten gemacht hat, ist sich sicher, dass es um den steinernen Bau im 13. Jahrhundert und auch später nur Holzhäuser gegeben hat, die natürlich allesamt nicht mehr existieren.

Müll unterm Dach

„Die Geschichte Wertheims wird an einigen Stellen neu geschrieben“, ist sich Harald Brode sicher. Die Historiker seien lange davon ausgegangen, dass das Haus Rathausgasse 14 (frühere Orthopädie-Praxis Braun) mit dem Baujahr 1548 das älteste sei. Erwiesenermaßen sei aber die „Münz“ um 1260 errichtet und in der Folgezeit mehrere Male aufgestockt worden (siehe auch Hintergrund). Bevor sich das Team an die eigentlichen Sanierungsarbeiten machen konnte, mussten allerdings aberwitzige Mengen an Müll und Schutt ausgeräumt werden.

Auf der Toilette einer der Wohnungen fand er eine Ausgabe der italienischen Sportzeitung „La Gazzetta dello Sport“ aus dem Jahr 1991, sagt Frank Teicke. Wahrscheinlich die Hinterlassenschaft einer der letzten Bewohner. „Auf dem Dachboden lagen Reste eines Autos“, ergänzt Cornelia Sachs. Früher war dort eine Werkstatt untergebracht. „Die Dachisolierung bestand aus Müll“, sagt Teicke. Auch eine tote Katze habe man gefunden. Sie bleibt der Nachwelt erhalten. Mumifiziert liegt sie in einer Glasvitrine.

100 Tonnen Schutt

Nach fast 100 Fahrten mit dem Anhänger zur Mülldeponie und der Beseitigung großer Mengen Schutt – es waren wohl mehr als 100 Tonnen – war das Haus ausgeräumt. Dann ging es an die Fassade, um das Fachwerk freizulegen und von außen einen optischen Zustand herzustellen, der an die besseren Zeiten des Anwesens erinnert.

Die größte Herausforderung war zunächst die Sanierung des Daches. Die Münz-Leute sind stolz darauf, dass sie nur einen geringen Anteil mit neuem Material dafür verwendeten. Zwei Drittel der Belattung besteht jetzt immer noch aus Originalteilen, befestigt mit handgeschmiedeten Nägeln aus der Renaissance-Zeit. Der Rest des benötigten Holzes stammt aus heimischen Wäldern. Gedeckt ist das Dach fast ausschließlich mit „handgeschöpften Biberschwänzen“ aus der Ursprungszeit, berichtet Teicke.

Bei den Arbeiten im Haus kamen auch bauhistorische Schätze zum Vorschein: Neben einer Säule, die sich teils hinter einer dicken Mauer befand, bauzeitlichen Putzflächen mit Fugenritzungen, die mit der „Pietra-Rasa“-Technik angefertigt wurden. In Deutschland findet man solche nur auf der Wartburg in Eisenach – eine echte Rarität. Bei der Sanierung verwendete man ausschließlich natürliche Materialien, etwa Kalkputze, Leinölfarben und Bodenwachs. Die Installationstechnik freilich ist auf dem modernsten Stand.

Die quasi genossenschaftlich organisierte Münz-Gruppe hat in einem Kraftakt Bausubstanz erhalten und zum Leben erweckt. Jede der über 10 000 geleisteten Arbeitsstunden wurde dokumentiert. Zusammen mit dem eingesetzten Kapital werden daraus die Anteile errechnet, um die Erträge entsprechend ausschütten zu können. Zugute kamen den Eigentümern auch Fördermittel der Stiftung Denkmalschutz

Kein Renditeobjekt

Auf die Frage, ob es sich der Aufwand finanziell lohnt und man jetzt ein Art Rente einfahren könne, schütteln alle mit dem Kopf. „Wir sind hier eingestiegen, um das Haus zu retten“, sagt Hans Müller Rodenbach.

Frank Teicke erklärt, er habe mitgemacht, weil er Spaß an der Arbeit habe. Insgesamt sind die Eigentümer stolz darauf, persönlich etwas für Wertheim getan zu haben und Spuren zu hinterlassen. „Lukrativ ist es ganz sicher nicht“, so Ilse Fürnkranz-Deroua.

Hintergrund: Geschichte der „Alten Münz“

Der Gebäudekomplex „Alte Münz“ besteht im Wesentlichen aus zwei Gebäuden. Das erste, ein Steinhaus, wurde durch die Grafen von Wertheim um 1260 errichtet, 300 Jahre später umgebaut und aufgestockt. Das zweite, östlich angebaute Fachwerkhaus, entstand um 1589.

Das verputzte Steinhaus besteht aus drei Geschossen und schließt mit einem Staffelgiebel und hohen Satteldach ab. Den dreigeschossigen Fachwerkbau mit seinem hohen massiven Erdgeschoss deckt ein Krüppelwalmdach.

Die gut erhaltene Baugruppe aus Gotik und Renaissance besitzt wegen ihrer hochwertigen architektonischen Gestaltung und wegen ihres Alters überregionale Bedeutung.

Den Namen erhielt es, weil der Gebäudekomplex vom 17. bis zum 19. Jahrhundert als Münzprägestelle genutzt wurde.

Redaktion Reporter Wertheim

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