Wertheim. Der Rathausgasse und ihren Gebäuden widmen die Fränkischen Nachrichten den fünften Teil der Stadtführungsreihe für Familien. In der Gasse gibt es gleich drei Gebäude, die für die Stadt bedeutend sind. In ihr befindet sich das Grafschaftsmuseum, in dem es für Klein und Groß vieles über die Geschichte der Stadt zu erfahren gibt. Früher war in diesem Gebäude das Wertheimer Rathaus untergebracht. Dies sorgte auch für den Namen der Straße. Die Stadtverwaltung war bis zum Jahr 1988 im Gebäude untergebracht. Heute befindet sie sich in der Hofhaltung in der Mühlenstraße. Beim Blick auf das Grafschaftsmuseum erkennt man, dass es sich aus zwei Gebäuden zusammensetzt: dem Vierherrenhof und dem Klinkhartshof.
Einzigartige Wendeltreppe fasziniert Besucher
Der Treppenturm neben dem Museumseingang trägt das gräfliche Wappen von 1540. Man erkennt an ihm zwei Eingänge. Im Inneren befindet sich eine „doppelläufige Wendeltreppe“. Betreten zwei Leute den Turm durch verschiedene Eingänge, begegnen sie sich nicht im Treppenhaus. Es handelt sich also um zwei voneinander getrennte Wendeltreppen, die eng nebeneinander in einem Turm eingebaut sind. Ein originales Modell des Treppenturms wird im Grafschaftsmuseum ausgestellt.
Über die Straße führt eine gläserne Brücke, die das alte Rathaus mit dem Haus der vier Gekrönten auf der anderen Straßenseite verbindet. Das Haus der vier Gekrönten wurde in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gebaut. Namensgeber sind die vier Figuren auf den Kragsteinen. Kragsteine sind Vorsprünge, die aus der Wand herausragen und helfen, das Geschoss eines Hauses zu stützen. Bei den vier Gekrönten handelt es sich um die Schutzheiligen der Baumeister, Handwerker und Steinmetze. Das Haus der vier Gekrönten ist das einzige nichtkirchliche Bauwerk, an dem die Heiligen abgebildet sind. Im Inneren des Gebäudes befinden sich weitere Teile der Ausstellung des Museums. Außerdem kann die aufwendig gestaltete Decke sowie die Raumaufteilung aus dem 18. Jahrhundert besichtigt werden.
Das „Blaue Haus“ strahlt in seltenem Farbanstrich
Ein Blickfang in der Rathausgasse ist das „Blaue Haus“ gegenüber dem alten Rathaus. Der Grund für seinen Namen fällt sofort ins Auge: seine strahlend blaue Fassade. Das „Blaue Haus“ wurde 1593 erbaut. Im Jahr 1999 entschied man, die Farbe nach den originalen Farbfunden wieder herzustellen. Bei der Farbe handelt es sich um das sehr teure „Smalte“. Dieses wird aus gemahlenem Kobaltglas hergestellt. Konkret handelt es sich um ein blaues Kaliumsilicatglas, das mit Cobaltsalzen gefärbt wird. Das Glas wird dazu im Schmelzofen hergestellt und noch heiß mit kaltem Wasser abgeschreckt. Dabei zerfällt es in blaue Körner. Diese werden fein gemahlen. So entstehen die Farbpigmente. Diese werden mit einem Bindemittel vermischt und sind so als Farbe einsetzbar. Es wird vermutet, dass der Bauherr des Hauses ein stolzer und reicher Mann gewesen sein muss. Dafür spricht auch die aufwendige Decke im Inneren des Hauses. Häuser mit einem Anstrich aus „Smalte“ sind sehr selten.
Geht man vom Grafschaftsmuseum weiter Richtung Eichelgasse, kommt man nach einigen Metern am Wenzelplatz vorbei. Dort findet sich der sogenannte Wappenbrunnen. Er wurde 1981/82 aufgestellt. Auf ihm sind die Wappen aller Ortschaften und Stadtteile zu sehen, die zur großen Kreisstadt Wertheim gehören. Die Eichelgasse war die einstige Lebensader der Stadt Wertheim. So beschrieb es der Titel einer Ausstellung des Grafschaftsmuseums im Jahr 2017. Früher waren dort viele Wertheimer Handwerksbetriebe, Geschäfte, Gastronomien und Dienstleister ansässig. Leben und Arbeiten fanden damals zumeist noch unter einem Dach statt.
Wo das erste Wasserklosett der Stadt stand
Bereich am Ende der Eichelgasse Richtung Hofgarten nennt man „Obere Eichelgasse“. Im Text „400 Jahre Kampf um ein reinliches Stadtbild“ von Dr. Robert Meier erfährt man, dass es in einem Haus in der Oberen Eichelgasse in den 1890er-Jahren das erste Wasserklosett Wertheims gab. „Der Kaufmann Fritz Langguth beantragte, in seinem Haus Obere Eichelgasse Wasserklosetts einzubauen. Das Abwasser wollte er durch ein Zementrohr in den Main leiten“, heißt es im Text. Und weiter: „Der Antrag ging wohl durch, und so gebührt Fritz Langguth der Ruhm, das Wasserklosett nach Wertheim gebracht zu haben.“ Auch in der Eichelgasse sind übrigens Hochwassermarken zu finden, besonders viele zum Beispiel am Haus der Familie Schäfer.
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