Medizin im Dialog - Chefarzt Arne Bieling sprach in der Rotkreuzklinik über sinnvolle Operationen und alternative Behandlungsstrategien

OP nicht immer die bessere Wahl

Von 
Jasmin Mohr
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Den Zuhören in der Rotkreuzklinik auf dem Reinhardshof vermittelte Chefarzt Arne Bieling in seinem Vortrag, wann Operationen wirklich helfen und in welchen Fällen besser Alternativen versucht werden sollten.

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Ob in Deutschland zu viel operiert werde, versuchte Arne Bieling, Chefarzt der Abteilung Orthopädie und Unfallchirurgie der Rotkreuzklinik in der Vortragsreihe "Medizin im Dialog" zu beantworten.

Reinhardshof. Zunächst gab Arne Bieling einen umfassenden Einblick in die Kostenstrukturen der Krankenhäuser. Die reichen vom Typ der kommunal getragenen Klinik bis hin zur Aktiengesellschaft. Je nachdem richte sich das Ziel der Gesundheitseinrichtung darauf aus, unbedingt Gewinne zu erzielen. "Ich muss ehrlich sagen, das finde ich krank", sagte der Referent.

Universitätskliniken dagegen könnten auf Finanzierungstöpfe der Länder zurückgreifen und müssten dies laut Bieling auch, da den Einrichtungen gerade die Behandlung besonders komplizierter Fälle obliege. Alle Finanzstrukturen seien letztendlich die Folge der Politik, so der Referent.

Dem Ganzen würden vor allem die kleinen Krankenhäuser, beispielsweise die Klinik in Miltenberg, zum Opfer fallen. Auch die Rotkreuzklinik auf dem Reinhardshof sei eine verhältnismäßig kleine Institution. Die Operationen brächten den Kliniken verhältnismäßig viel Geld. Dennoch seien die kleineren Krankenhäuser nicht vorrangig daran interessiert zu operieren.

Der Chefarzt betonte, er schätze es an einem Haus wie in Wertheim, dass der Kontakt zwischen dem Klinikpersonal und den Patienten sehr eng sei und in der Regel ein gutes Vertrauensverhältnis entstehe. "In größeren Kliniken sieht der Arzt manchmal nur noch das Röntgenbild und schickt den Patienten weiter zum nächsten Raum, ohne diesen selbst angesehen zu haben", sagte Bieling.

Zum Vortrag gehörte auch ein Einblick dazu, wann Operationen wirklich eine Hilfe sind und ob das Vorgehen "mit dem Messer" immer die bessere Maßnahme ist. Bei der Frage, ob in Deutschland überflüssig operiert wird, konnte der Chefarzt stückweit Entwarnung geben. Denn hier gebe es Mechanismen, beispielsweise der Krankenkassen, dass solche Operationen dann nicht bezahlt werden.

Bei Arthrose sei beispielsweise nicht unbedingt eine Operation sinnvoll. Stattdessen würden - auch vorbeugend - Physiotherapie, physikalische Therapie und Orthesen sowie die Verminderung von Risikofaktoren wie Übergewicht und zu wenig Bewegung helfen, aber auch Schmerzmedikamente und lokale Spritzentherapie.

Eine Operation sei dann besser, wenn alle alternativen Behandlungsstrategien versagen. Wenn ein Patient jedoch erst leichte Probleme hat und seine Beweglichkeit eigentlich noch sehr gut ist, enttäusche ihn eine Operation in der Regel, weil diese nur wenig Veränderung bringt. Es sollte zunächst eine der obigen konservativen Behandlungen versucht werden.

Lebensqualität steigern

Als Beispiel für eine notwendige Operation führte Bieling den Sehnenriss in der Schulter an, eine seiner Spezialisierungen. Da es in dem Fall nicht zu einer spontanen Heilung kommen könne, weil die Sehne definitiv abgerissen sei, müsse ein Eingriff erfolgen, so der Chefarzt.

Auch bei einer gravierenden Hüftgelenksarthrose steigere eine Operation zum Einsetzen eines künstlichen Hüftgelenks die Lebensqualität erheblich. Heutzutage seien aufgrund jahrelanger Erfahrungen die Operationen minimalinvasiv. "Dies bedeutet", so Bieling, "nicht nur einen kleinen Schnitt, sondern vor allem weniger Verletzungen von Gewebe, beispielsweise Muskeln."

An das Vortragsende schloss sich wie gewohnt eine rege Fragerunde an. Eine wichtige Frage aus dem Publikum betraf die Wirkung von Kortison. Dessen Einsatz sei laut Arne Bieling bei Osteoropose nicht sinnvoll, da Kortison den Knochen auf Dauer zusätzlich schwäche und damit das Risiko für Osteoporose weiter erhöht werde.

Ganz zuletzt fasste Chefarzt Bieling zusammen, dass im internationalen Vergleich in Deutschland viel operiert wird. Dies sei hauptsächlich positiv, weil die Kosten von den Kassen mit nur geringem Eigenanteil noch übernommen würden. Es gäbe zwar Krankenhäuser und Ärzte, die sich am Profit orientieren, doch Bieling versicherte, er kenne vor allem Ärzte und viele Krankenhäuser, die den Patienten nach wie vor in den Mittelpunkt stellen.

Natürlich sei das kostenintensive Personal der erste Punkt, an dem gespart werde. Die Krankenpflegekräfte würden bei ihrer Arbeit "Vollgas" geben. Es sei aber schwierig, wenn die Arbeit, die früher auf zwei verteilt war, nun von einer Person gemacht werden müsse.

Der Chefarzt sprach sich jedoch entschieden für seine eigene Arbeitsstätte aus: "In kleinen Kliniken ist ein überdurchschnittlicher Qualitätsstandard möglich".

Freie Autorin Freie Mitarbeiterin (Fränkische Nachrichten, früher auch Wertheimer Zeitung) seit 1996, Redakteurin Magazin "Quappe" der grün-alternativen Hochschulgruppe Karlsruhe, div. wissenschaftliche Beiträge mit u.a. Konferenz-Vorträgen, aktuell Doktorandin, intensive Auslandserfahrung Asien und Afrika

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