Sommerinterview

OB Herrera Torrez: Bis Jahresende sollte es 24/7-Notaufnahme geben

OB Markus Herrera Torrez spricht im ersten Teil des FN-Sommerinterviews über das Mega-Projekt Bürgerspital, das Verhältnis zum Landkreis und die Finanzen der Stadt.

Von 
Gerd Weimer
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Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez beim FN-Gespräch im Außenbereich des Rathauses. © Gerd Weimer

Wertheim. Das Sommerinterview mit Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez veröffentlichen die Fränkischen Nachrichten in zwei Teilen: Im ersten Teil geht es vornehmlich um das dominierende Thema: das Bürgerspital, dessen Notaufnahme-Betrieb die Stadt mit bis zu 2,74 Millionen Euro bezuschusst. OB Herrera Torrez spricht auch über das Verhältnis zum Landkreis. Zudem geht es um die Reaktionen auf die Steuererhöhungen.

Im zweiten Teil, der am Montag erscheint, stehen Möglichkeiten für Investitionen im Mittelpunkt. Aber auch der Wohnungsbau, verschmutzte Orte in der Altstadt, das Verhältnis zum Gemeinderat und die Blessuren, die er sich bei der Fußball-Stadtmeisterschaft zugezogen hat, werden thematisiert.

Herr Oberbürgermeister, auch in diesem Jahr war das Krankenhaus bisher das dominierende Thema in der Kommunalpolitik. Sie sind jetzt etwas mehr als sechs Jahre im Amt. War es der dickste Brocken Ihrer gesamten Amtszeit?

Markus Herrera Torrez: Es ist zumindest das Thema, an dem die Stadtverwaltung zwei Jahre lang ganz stark gearbeitet hat. Die Corona-Pandemie sowie die anschließende Energie- und Flüchtlingskrise waren ebenfalls sehr anspruchsvolle Themen. Aber diese waren geprägt von Entwicklungen auf höherer Ebene. Unsere Aufgabe dabei war, die Dinge so gut wie möglich zu erledigen. Beim Thema Krankenhaus waren wir als Stadt stark gefordert, weil die Erwartungshaltung der Bürgerschaft sehr groß war. Es war sozusagen das Thema, das wir am intensivsten selbst bearbeitet haben – mit einem guten Ergebnis. Im kommunalpolitischen Kontext kann man durchaus von einem „Wunder“ sprechen, wie die Wiedereröffnung bezeichnet wurde. Es war eine sehr anspruchsvolle Zeit für die Stadtverwaltung, für den Gemeinderat und für die vielen Patienten, für die unklar war, ob sie dauerhaft einen längeren Weg zur medizinischen Versorgung in Kauf nehmen müssen.

Und das, obwohl die Stadt überhaupt nicht zuständig für das Thema ist…

Herrera Torrez: Darauf habe ich immer hingewiesen. Aber danach fragt am Ende keiner. Die Menschen, die schnell zu einer Notaufnahme müssen, fragen nicht unbedingt den Landkreis oder die Landesregierung, wo sie im Notfall betreut werden, sondern sie fragen mich und die anderen Entscheidungsträger vor Ort. Wir haben eine Aufgabe übernommen, die keine originäre Angelegenheit der Stadt Wertheim ist, und man darf sich die Frage stellen, warum wir nicht ausreichend Unterstützung bekommen haben. Aber letztlich ist es eine Frage der Verantwortung, und wir haben das Glück, dass wir als Stadt überhaupt in der Lage waren, tätig zu werden. Im Gegensatz zu anderen Gemeinden im Land hatten wir die Kraft dafür.

Die Stadt, aber auch zahlreiche Spender geben jede Menge Geld für den Betrieb der Notaufnahme im Bürgerspital. Bisher steht sie nur von 8 bis 18 Uhr zur Verfügung. Ab wann können die Menschen aus Wertheim und Umgebung auch nachts kommen, um im Notfall medizinisch versorgt zu werden?

Herrera Torrez: Die Frage kann final nur der Betreiber des Bürgerspitals beantworten. Er muss das notwendige Personal zusammenbringen und die erforderlichen Abläufe organisieren. Wir haben gegenüber dem Betreiber mit Nachdruck die Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass spätestens bis zum Ende des Jahres eine 24/7-Versorgung erfolgt. Was man aber berücksichtigen muss: Schon jetzt gibt es im Bürgerspital auch nachts eine medizinische Versorgung. Und Menschen, die kurz vor 18 Uhr aufgenommen werden, kommen natürlich auch danach in den Genuss einer Behandlung. Die Öffnungszeiten der Zentralen Notaufnahme können nicht isoliert betrachtet werden - auch jetzt gibt es eine 24-Stunden-Versorgung.

Wenn es länger dauert, bis die 24/7-Notufnahme kommt, wird dann der Zuschuss der Stadt geringer ausfallen?

Herrera Torrez: Das würde die Stadtverwaltung mit dem Betreiber des Bürgerspitals besprechen. Über solche Angelegenheiten sind wir bereits im Austausch.

In diesem Jahr fließen also noch keine 2,75 Millionen Euro?

Herrera Torrez: Nein, in diesem Jahr fließt nicht der volle Betrag. Das werden wir transparent machen.

Sie waren, und das haben Sie öffentlich artikuliert, enttäuscht über die Höhe des Landkreiszuschusses für den Betrieb der Notaufnahme und haben eine Rechnung aufgemacht, die die Erhöhung der Kreisumlage und die Zahlung erst ab 2026 berücksichtigt. Sie kamen auf 385.000 Euro pro Jahr. Der Landrat sprach nun in einem FN-Gespräch von einem „tendenziösen Rechenbeispiel“. Was sagen Sie zu dem Vorwurf?

Herrera Torrez: Zunächst will ich wie bei anderer Gelegenheit festhalten, dass ich dem Landkreis und dem Kreistag außerordentlich dankbar für die Unterstützung bin. Ich halte sie für keine Selbstverständlichkeit. Politik ist manchmal komplex. Man kann dankbar und gleichzeitig enttäuscht darüber sein, dass der Betrag nicht in der Höhe und der Dauer kommt, wie wir es uns gewünscht und erbeten hatten. Dieses Jahr erhalten wir vom Landkreis kein Geld. Weil die mittelfristige Finanzplanung bei der Stadt und im Kreis über einen Zeitraum von vier Jahre geht, habe ich die Rechnung entsprechend aufgemacht: Wie viel Unterstützung bekommen wir und wie viel müssen wir selbst leisten? Wenn dann statt wie erhofft nur für drei Jahre Geld kommen soll und der Betrag geschmälert wird, weil die Kreisumlage steigt, habe ich unterm Strich weniger Unterstützung für den städtischen Haushalt. Das habe ich zum Ausdruck gebracht. Positiv ist: Es gibt zwar für 2025 keine Unterstützung des Kreises, allerdings ist es gelungen, durch zahlreiche Spenden von benachbarten Kommunen, Privatleuten und Unternehmen, diese mehr als zu kompensieren. Dafür muss man dankbar sein. Dies zeigt die große Unterstützung und Solidarität der Bürgerschaft, der Unternehmen und der benachbarten Kommunen.

Angesichts der Millionenverluste der Caritas-Krankenhäuser in Bad Mergentheim und Tauberbischofsheim verwies Landrat Christoph Schauder im FN-Gespräch auf den Beschluss des Kreistags, dass die Unterstützung für die Wertheimer Klinik auf den Prüfstand gestellt wird, wenn der Landkreis aufgrund der Probleme im Krankenhauswesen die Gesundheitsholding Tauberfranken unterstützen muss. Man stehe zu 100 Prozent zur Verantwortung gegenüber der Holding. Die Unterstützung für Wertheim hingegen hält der Landrat offenbar für weniger wichtig. Ist das Wertheimer Modell unter diesen Voraussetzungen dauerhaft tragbar?

Herrera Torrez: Zwei Dinge in dem FN-Interview waren diesbezüglich bemerkenswert: Zum einen hat unser Landrat bei der Frage nach den Themen, die ihn in den ersten vier Jahren seiner Amtszeit besonders beschäftigt haben, vieles aufgeführt. Die Krankenhausversorgung im nördlichen Main-Tauber-Kreis wurde nicht erwähnt. Und ob es wirklich ratsam ist, den Eindruck zu erwecken, die Unterstützung des Landkreises könnte in Frage stehen, obwohl sie noch gar nicht wirksam geworden ist, bezweifle ich. Die Bürgerinnen und Bürger im Main-Tauber-Kreis haben natürlich ein großes Interesse daran, dass die beiden Krankenhausstandorte in Tauberbischofsheim und Bad Mergentheim stabil aufgestellt sind, vor allem weil das Haus in Bad Mergentheim eine größere Palette an Leistungen anbietet. Es stünde dem Landkreis aber auch gut zu Gesicht zu sagen: Wir haben in unserem Flächenlandkreis drei Klinik-Standorte – regional gut verteilt in Nord, Mitte und Süd - und ein Interesse daran, dass alle erhalten bleiben, damit die Versorgung im kompletten Kreis gut funktioniert.

Das Verhältnis zwischen der Stadt Wertheim und dem Landkreis ist augenscheinlich nicht unbedingt das Beste. Wie lässt es sich optimieren?

Herrera Torrez: Ich habe nicht den Eindruck, dass es ein schlechtes Verhältnis gibt. In Bezug auf das Krankenhaus gab es unterschiedliche Betrachtungen. Wir haben in einem intensiven Dialog Lösungen gefunden. Es gibt zahlreiche Projekte, bei denen wir eng zusammenarbeiten und auf gegenseitige Unterstützung angewiesen sind.

Zum Haushalt der Stadt. Wie haben die Unternehmen auf die Erhöhung der Gewerbesteuer reagiert?

Herrera Torrez: Von Anfang an und bei vielen Gelegenheiten habe ich ehrlich und offen gesagt, dass eine Rettung des Krankenhausstandorts nur gelingt, wenn wir die Steuereinnahmen erhöhen. Ehrlichkeit und Transparenz erhöhen die Akzeptanz. Aber sie führen nicht zwingend zu einer großen Begeisterung. Wer zahlt schon gerne mehr Steuern? Aber wenn man weiß, warum es notwendig ist, dann trifft es auf eine höhere Akzeptanz. Das nehme ich bei den Unternehmen wahr. Die Stadtverwaltung hat jüngst beim Unternehmergespräch und davor viel Lob bekommen für den Mut beim Thema Krankenhaus. Mein Eindruck ist, dass die Unternehmen die Entscheidung mittragen. Ich bin darüber hinaus für die zahlreichen Spenden der Betriebe sehr dankbar. Zusammen mit ihren Belegschaften leisten die Unternehmen einen tollen Beitrag.

Wird die Gewerbesteuer nun auf diesem Niveau stabil bleiben?

Herrera Torrez: Seit 2019 liegen wir bei den Einnahmen konstant über 20 Millionen Euro. In den vergangenen Jahren sogar deutlich darüber bis hin zu dem Rekordergebnis von 2024 mit 30 Millionen Euro. Das ist richtig viel, aber man kann nicht dauerhaft damit rechnen. In der mittelfristigen Finanzplanung gehen wir von rund um die 25 Millionen Euro an jährlichen Einnahmen aus. Der Steuersatz soll nicht weiter erhöht werden. Allerdings ist die Planbarkeit für die Kommunen außerordentlich anspruchsvoll. Das Umfeld, Stichwort US-Zölle, macht die Planungen noch schwieriger. Unser Eindruck ist, dass der Großteil der Wertheimer Unternehmen bisher recht stabil durch diese Unklarheiten gekommen ist. Wir hoffen, das wird auch in Zukunft der Fall sein. Im Vergleich zu anderen Kommunen, die viel größeren Schwankungen unterworfen sind, stehen wir besser da. Die Vielfalt der Wertheimer Unternehmenslandschaft ist unser großer Vorteil. Schwächelt ein Betrieb, können andere das kompensieren. Die Leistungsfähigkeit ist aber nicht unendlich steigerungsfähig.

Und wie ist die Reaktion auf die Änderungen bei der Grundsteuer?

Herrera Torrez: Diesbezüglich habe ich mehr Kritik vernommen. Offenbar weil zeitgleich zur Erhöhung die Reform der Grundsteuer wirksam wurde. Es war nicht für alle ersichtlich, wie viel der Zusatzbelastung wegen der Reform fällig wird, die das Land ausgestaltet hat, und welcher Anteil auf die Steuererhöhung der Stadt zurückzuführen ist.

Wie hoch ist denn der Anteil?

Herrera Torrez: Es gibt Grundstückseigentümer, die müssen jetzt sehr viel mehr zahlen. Der Unmut war groß, weil der Eindruck entstand, das sei auf den Finanzbedarf der Stadt wegen des Bürgerspitals zurückzuführen. Das ist aber nicht richtig. Die Stadt hat sich zur Aufkommensneutralität verpflichtet, wonach nicht mehr Steuereinnahmen erzielt werden sollen als vorher. Wegen des Krankenhauses hat die Stadt Wertheim knapp zehn Prozent draufgepackt, um mehr Einnahmen zu generieren. Jeder einzelne zahlt im Schnitt knapp zehn Prozent mehr Grundsteuer aufgrund des zusätzlichen Finanzbedarfs.

Weiter geht es am Montag mit dem zweiten Teil des Interviews.

Redaktion Reporter Wertheim

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