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Nina Warken im Bürgerspital Wertheim: Krankenhausreform trifft auf Realität vor Ort

Gesundheitsministerin bezeichnet das Modell als „richtigen Ansatz, den man mitdenken muss“. Themen der Gesundheitspolitik diskutiert.

Von 
Gerd Weimer
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Alexander Gläser (links) im Gespräch mit Bundesgesundheitsministerin Nina Warken. In der Mitte der Ärztliche Direktor des Bürgerspitals, Gerhard Schüder. © Gerd Weimer

Wertheim. Es dürfte der erste Besuch eines Mitglieds der Bundesregierung im Wertheimer Krankenhaus gewesen sein. Natürlich hängt das damit zusammen, dass Nina Warken, die Gesundheitsministerin, gleichzeitig Abgeordnete des hiesigen Wahlkreises ist. Die Herausforderungen rund um den Wertheimer Krankenhausstandort sind allerdings beispielhaft für die Situation an vielen anderen Orten der Republik: Das Niveau der medizinischen Versorgung im ländlichen Bereich droht zu sinken, weil kleinere Kliniken, die für die Menschen vor Ort in angemessener Zeit zu erreichen sind, unter den gegebenen Voraussetzungen wirtschaftlich stark unter Druck geraten.

Gesundheitsministerin Nina Warken wird für Wertheim keine Extrabrötchen backen können, aber die Verantwortlichen vor Ort sind froh, ihre Anliegen face-à-face adressieren zu können, wie sich bei dem Besuch am Samstag zeigte. Gastgeber Alexander Gläser, Geschäftsführer und Gesellschafter der Betreibergesellschaft, führte zusammen mit Gerhard Schüder, dem Ärztlichen Direktor, durchs Haus. Mit dabei waren auch Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez, Landrat Christoph Schauder und Wolfgang Reinhart, Landtagsvizepräsident sowie die Vertreter der Gemeinderatsfraktionen im Gemeinderat: Axel Wältz (CDU), Songrit Breuninger (Freie Bürger), Brigitte Kohout (SPD), Stefan Kempf (Bürgerliste) und Birgit Väth (Grüne).

„Große Leistung der gesamten Gemeinschaft“

Die Gruppe besichtigte unter anderem die Intensivstation, den OP-Bereich und die Notaufnahme. Alexander Gläser verwies bei dem Rundgang auf die Zusammenarbeit mit den anderen Mietern des Hauses. Bei dem anschließenden Gespräch in einem Konferenzraum ging es, wie nicht anders zu erwarten, hauptsächlich um die Nachbesserung der Lauterbachschen Krankenhausreform. Mit diesen soll das Projekt der Vorgängerregierung praxistauglicher gestaltet werden, so das erklärte Ziel.

Gläser sprach von einer „großen Leistung der gesamten Gemeinschaft vor Ort und überregional“, dank derer man das Krankenhaus wieder zum Leben erwecken konnte. Mittlerweile beschäftige die Klinik 150 Mitarbeitende, 200 sollen es noch werden. Zusammen mit den Angestellten der anderen Mieter werde man auf dem Gesundheitscampus insgesamt 300 Arbeitsplätze zählen: „Eine tolle Leistung in dieser kurzen Zeit.“ Der Geschäftsführer machte deutlich, dass die Kliniken im ländlichen Raum politischen Rückhalt benötigen, um „gute Medizin“ bereitstellen zu können.

Nina Warken bestätigte: „Ziel muss es sein, mit der Reformanpassung auch in der Fläche eine gute Versorgung bereitzustellen.“ Die Bundesländer benötigten mehr Zeit, um die Zukunft der Krankenhauslandschaft besser planen zu können. In Baden-Württemberg habe man „schon sehr viele Federn gelassen“. Deswegen sei eine „Grenze erreicht“, was etwa Zusammenschlüsse von Häusern angeht. Trotzdem werde es noch Änderungen geben. Nina Warken erinnerte daran, dass der Kliniksektor den größten Kostenblock der gesetzlichen Krankenkassen ausmacht. Die Ministerin sicherte zu, dass Entscheidungen zur Verteilung der vorgesehenen Gelder bald getroffen werden, was mehr Planungssicherheit schaffe.

Innovative Lösungen finden immer ihren Weg

Weil man privatwirtschaftlich aufgestellt ist, wünsche man sich die Möglichkeit, auch nach einer Festsetzung der zugeteilten Leistungsgruppen Änderungen im Angebotsportfolio vornehmen zu können, so Alexander Gläser. Insbesondere für die Innovationsfähigkeit spiele dies eine große Rolle. Die Ministerin verwies auf die Landesregierung, in deren Zuständigkeit die Ausgestaltung fällt. Für Anpassungen im Angebot stünde der Transformationsfonds zur Verfügung.

Repräsentanten der Kommunalpolitik und des Bürgerspitals beim Besuch der Gesundheitsministerin Nina Warken. © Gerd Weimer

Nina Warken bezeichnet das Wertheimer Modell, bei dem ein privater Träger einer Fachklinik zusätzlich Leistungen der Grund- und Regelversorgung anbietet, als „richtigen Ansatz, den man mitdenken muss“. Innovative Herangehensweisen würden „immer ihren Weg“ finden. Die sei aber nicht explizit Teil des Reformvorhabens. In Berlin stelle man die Weichen. Die Bundesländer müssten die Lage vor Ort einschätzen.

In Bezug auf den Fachkräftemangel beklagte Alexander Gläser die teils „überbordende Bürokratie“ bei der Rekrutierung von Personal aus dem Ausland. So habe eine junge Ärztin, die – obwohl schon in Bayern zugelassen - ein halbes Jahr auf die Erlaubnis warten müssen, um in Baden-Württemberg tätig werden zu können. Nina Warken verwies auf den Kabinettsentwurf eines Gesetzesvorhabens zur Beschleunigung der Anerkennung ausländischer Heilberufe, das jüngst auf den Weg gebracht wurde. Wolfgang Reinhart erklärte, die Landesregierung habe vor Kurzem Regeln beschlossen, mit denen die Anerkennung einheitlicher und leichter werde. Zudem gebe es seit dem Frühjahr die Landesagentur für Fachkräftezuwanderung, die sich um Kräfte aus Drittstaaten außerhalb der EU kümmert.

Finanzierung auf Dauer nicht Kommunen auflasten

Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez machte klar, dass es auf Dauer nicht die Aufgabe der Kommunen sein könne, wie in Wertheim eine Notfallaufnahme mit viel Geld zu finanzieren. Die Häuser müssten selbst ausreichend Einnahmen erwirtschaften. Es müsse „Raum für neue Kooperationsformen“ vorhanden sein, mit denen dies gelingen kann.

Landrat Christoph Schauder erinnerte an den Beitrag des Landkreises zum Betrieb der Notaufnahme. Was das Thema Fachkräftegewinnung angeht, verwies der Landrat auf die geplante Gründung eines Weiterbildungsverbundes Allgemeinmedizin. Damit sollen für junge Ärztinnen und Ärzte attraktive Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit sie ihre Weiterbildung im Main-Tauber-Kreis absolvieren und bestenfalls langfristig in der Region bleiben.

Nina Warken sagte schließlich, dass die Zukunft zeigen werde, wie das Konzept des Bürgerspitals und die Krankenhausreform zusammenpassen. Mit dem geschnürten Angebotspaket sei das Haus „gut aufgestellt“. Die Voraussetzungen für den Erfolg seien vorhanden. Entscheidend sei, wie das Angebot von den Menschen angenommen werde, ob man ausreichend Personal finde und ob die Vergütung des Systems letztendlich ausreicht.

Der Ärztliche Direktor Gerhard Schüder jedenfalls stellte in Aussicht, dass das derzeitige Angebot des Hauses auch in mehreren Jahren noch zur Verfügung stehen wird. „Den Verschlankungsprozess haben wir hinter uns“, spielte er auf die Entwicklung an der früheren Rotkreuzklinik an: „Gynäkologie und Herzkatheter haben sich nicht gelohnt.“ Die Hoffnung in Wertheim bleibt, mit der Kombination aus privatwirtschaftlichem Spezialangebot und Grund- und Regelversorgung samt Notaufnahme die Anforderungen der Krankenhausreform wenigstens teilweise schon erfüllt zu haben.

Redaktion Reporter Wertheim

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