Wertheim. Ein neues Faltblatt des Bürgervereins „Pro Wertheim“ beschreibt den Neuplatz-Gedenkort und hält die Erinnerung an die ehemalige jüdische Gemeinde nun auch in deutscher Sprache wach.
Seit dem Jahr 2013 ist der Neuplatz in Wertheim auch ein Ort der Erinnerung an die ehemaligen jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger in der Stadt.
Mit der Umsetzung eines von ihm entwickelten Konzepts hat der Bürgerverein „Pro Wertheim“ vor ein paar Jahren „eine neue Wahrnehmbarkeit jüdischer Stadtgeschichte geschaffen“, wie Vorstandsmitglied Werner Peschke sagte.
In deutscher Sprache
Der Verein hatte seinerzeit auch ein Faltblatt gestaltet und herausgegeben, das die wesentlichen Inhalte des Konzepts beschreibt.
In englischer Sprache wendet es sich vor allem an amerikanische Besucher, etwa Passagiere von Flusskreuzfahrtschiffen, die ein besonderes Interesse an der jüdischen Geschichte zeigen.
Jetzt gibt es die Broschüre auch in deutscher Sprache. Insgesamt 6000 Exemplare, neu gestaltet und finanziert vom Verein, übergab Peschke nun an Christiane Förster, Geschäftsführerin der Tourismus Region Wertheim.
Gegenüber der früheren Auflage wurde die neue Ausgabe unter anderem um Namen und Fotografien der 15 Wertheimer Juden ergänzt, die nach ihrer Deportation nach Gurs am 22. Oktober 1940 in den Vernichtungslagern ermordet worden sind. Damit wolle man diesen Menschen wieder ein Gesicht geben, so wie der Gedenkort Neuplatz als Erinnerungsstätte deutlich machen solle, dass die ehemalige Jüdische Gemeinde ein Teil der Geschichte Wertheims ist.
Das Gedächtnis daran wachzuhalten ist für Peschke eine der nachhaltigsten Widerstandsformen gegen Antisemitismus.
Das Interesse an der jüdischen Geschichte Wertheims ist groß, informierte Christiane Förster. So sei die Zahl der Stadtführungen zu diesem Thema von 191 auf 230 in diesem Jahr gestiegen. „Und das sind nur die, die wir machen.“ Dabei werde immer auch der Neuplatz mit einbezogen.
Weitere Stationen der geschichtsträchtigen Führung seien die Abteilung im Grafschaftsmuseum und vor allem der jüdische Friedhof.
Bei aller Zufriedenheit mit dem, was im Gedenken in der Main-Tauber-Stadt schon erreicht worden ist, spricht Peschke auch von „Visionen“, deren Umsetzung er sich wünschen würde. Bei allem Verständnis, die er für die Situation in jenen Jahren aufbringt, so wird doch deutlich, dass der Abriss der letzten Synagoge 1961 und der Mikwe, des jüdischen Ritualbades, zehn Jahre später, ihm wie ein Stachel im Fleisch stecken.
So nennt er es „das größte Versäumnis“, dass die Verantwortlichen 2001 nicht der Bitte des Landesdenkmalamts gefolgt seien, den Standort der Synagoge nicht zu überbauen. Und nach wie vor würde er es sich wünschen, den Bereich des rituellen Tauchbades – der im Pflasterbelag des Neuplatzes nachgezeichnet ist –wieder sichtbar zu machen.
Respekt vor Örtlichkeit fehlt
„Das wäre machbar“, findet Peschke, „ist aber politisch nicht durchsetzbar, denn dazu gelte es, Kommerzialität zugunsten der Erinnerung zurückzustellen. Die Nutzung des Neuplatzes für andere Zwecke, etwa Feste, steht im Vordergrund“. Schon Anfang der 2000er Jahre, bedauert das Vorstandsmitglied des Bürgervereins, habe „der Respekt vor der Örtlichkeit gefehlt“.
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