Convenartis

Musikalische Beleidigungen bei gedrehtem Blickwinkel

Liedermacher Falk wechselte vom frechen Sprüchemacher über menschliche Unzulänglichkeiten zur mittigen sehnsuchtsvollen Ruheachse

Von 
Carsten Klomp
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Ein Abend mit Liedermacher Falk im Gewölbekeller des Kulturvereins Convenartis, der sich gelohnt hat: hintersinnige Bosheit inbegriffen. © Klomp

Wertheim. Ein voller Keller – das bedeutet in einer hochwassergefährdeten Stadt wie Wertheim selten etwas Gutes. Außer im Convenartis- Gewölbekeller: Dort freuen sich die ehrenamtlichen Veranstalter, die auftretenden Künstler und auch das Publikum, wenn der Keller so richtig voll ist. Und so war es nur folgerichtig – wenn auch vermutlich nicht beabsichtigt –, dass am Samstagabend vor der kurzen Begrüßung durch Convenartis-Chefin Bernadette Latka eine Klavierversion von „Joy to the world“ aus den Keller-Lautsprechern erklang.

Dann erschien der 1985 in Wuppertal geborene Liedermacher Falk, mit eigentlichem Namen Falk Plücker, der, nach eigenen Angaben, zum ersten Mal in Wertheim war. Aus Berlin war er extra mit dem Auto angereist, zum einen, weil er – zur Freude des Publikums – gerne ankommen wollte, zum anderen weil er sich beim Ärgern über die anderen 80 Prozent, nach Selbsteinschätzung überdurchschnittlich gut fahrenden Autofahrer, in Stimmung für seine Auftritte bringen könne.

Seine Motivation sei es, dass sich jeder bei seinen Auftritten mindestens einmal beleidigt oder angegriffen fühlt. Ob das gelungen ist, ist selbst für jemanden wie den Autor dieser Zeilen, dessen erste Autokennzeichen mit „EN“ begannen, was aus Wuppertaler Sicht für „Europas Nieten“ steht, schwer zu sagen, denn offensichtlich blieben immer genug nicht beleidigte Besucher übrig, um über die (oder mit den) Beleidigten zu lachen.

Vollidiotische Freunde

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Kathrin Löffler
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Und so legte Falk dann auch gleich im ersten Lied los, indem er seine fürchterlichen und vollidiotischen Freunde beschrieb, die man sich aber, anders als sein Publikum, wenigstens aussuchen könne. Im nächsten Lied beschrieb er das auf der Bank neben ihm sitzende Traummädel, das er aber doch lieber nicht anspricht, weil sie ja vielleicht eine nervige Tussi oder mordende Mafiosa sein oder irgendwelche merkwürdigen Sexpraktiken bevorzugen könne . . . In diesem Stil „verrutschtes Liebeslied“ philosophiert Falk singend und erzählend munter weiter über mangelnde bis fehlende Körperhygiene, Hypochonder, sprachlichen Kokolores und so weiter. Immer mal wieder im auch Dialog mit dem Publikum, dass seine Ansprache gerne aufnimmt.

Beide Teile des Abends wurden sozusagen unterbrochen durch ein eher nostalgisch-melancholisches Lied, in dem das vergangene einfache Glück aus Kinder- und Jugendtagen oder eine ebenfalls vergangene Liebe oder Freundschaft besungen wurde. Auch diese Songs nimmt man Falk ab, denn obwohl (oder weil?) sie unvermittelt in seine Humorlandschaft einbrechen, sind sie weder kitschig noch lahm, sondern erzählen auf ihre Weise überzeugend und geradezu warmherzig eben eine andere Geschichte als die vom „ekligen Raucher-Pack“ oder vom „Einmarschbefehl“ im Berliner Bio-Supermarkt.

Gleichzeitig gelingt es Falk mit diesen Ruhepunkten, wieder die nötige Fallhöhe für seinen leicht anarchischen Humor herzustellen. Interessant gemacht und gleichzeitig witzig auch die Spiegelung um eben diese Ruheachse in der Mitte im zweiten Teil des Abends nach der Pause.

Wenigstens keine Juristen

Besang er zu Beginn die Erfahrung eines Stadtsüchtigen, der sich danach „sehnt“, endlich wieder grundlos angehupt zu werden, Juristen und grenzdebile Neonazis zu treffen, singt er das gleiche Lied am Ende noch einmal. Diesmal aber aus der Sicht des Stadtmenschen, der sich nach dem Land sieht, wo er auf einspurigen Straßen mit Überholverbot hinter Siebentonnern herzuckeln darf, wieder auf grenzdebile Neonazis trifft, dafür aber keine Juristen sehen muss.

Nachdem er zur Freude der Anwesenden gleich zwei Zugaben ankündigte, entließ Falk sein Publikum mit der Hoffnung auf ein Wiedersehen – welches der Rezensent teilt – und der Erkenntnis aus dem Berliner Supermarkt: Nach ‘ner Plastiktüte fragt man besser nicht!

Freier Autor

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