Tourismus - Lockdown reißt großes Loch in Einnahmekasse der Tourismus Region Wertheim GmbH / 94 statt 490 Schiffe im Jahr 2020 vor Anker / Übernachtungen und Ankünfte um 40 Prozent eingebrochen

Leere Gassen statt gewohnt buntem Treiben

Von 
Heike Barowski
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Dass die Tourismusbranche auch in Wertheim zu kämpfen hat, liegt auf der Hand. Allein die Anzahl der Schiffsanlandungen ging auf 17 Prozent zurück. Und der Ausblick lässt wenig Hoffnung zu.

Wertheim. Noch liegen nicht alle Zahlen des vergangenen Jahres auf dem Tisch. Doch allein das Zusammenrechnen der Übernachtungen, Stadtführungen oder Anlandungen von Schiffen in Wertheim für die Monate Januar bis einschließlich September lassen Christiane Förster beinah verzweifeln. „Es ist nicht nur schlimm, es ist wirklich dramatisch“, sagt die Geschäftsführerin der Tourismus Region Wertheim GmbH (TWG). Das Unternehmen erzielt seine Einkünfte unter anderem durch Stadtführungen, aus Vermietungen der Anlegeplätze oder anteilmäßig am Stromverkauf an die Schiffe.

Die aktuellen Zahlen

Zwei Lockdowns und massive Reisebeschränkungen sind an den aktuellen Zahlen ablesbar. So sind die Ankünfte von Individualreisenden von Januar bis September im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 40,36 Prozent zurückgegangen und lagen insgesamt bei 49 668 (2019: 83 264). Gleiches Bild ergibt sich für die Übernachtungen in Wertheim. Lagen diese von Januar bis September 2019 bei 194 090, so zählte man in diesem Jahr innerhalb dieser neun Monate 123 289 Übernachtungen, also 36,5 Prozent weniger.

Kreisweit wurde ein ganz ähnliches Ergebnis erzielt. Im „Lieblichen Taubertal“ brachen die Gäste-Ankünfte um 40,57 Prozent ein (mit Rothenburg ob der Tauber um 47,67 Prozent) und die Übernachtungen um 35,55 Prozent (mit Rothenburg ob der Tauber um 40,59 Prozent) ein.

Wenn das gesamte Jahr erfasst sein wird, rechnet Förster mit noch dramatischeren Zahlen. Und das, obwohl es im Bereich des Individualtourismus ab 18. Mai eine auch in Wertheim deutlich sichtbare Entspannung gab. Zahlreiche Deutsche entdeckten ihr Heimatland wandernd oder radelnd und machten auch an Main und Tauber Station.

Der Einzelhandel verzeichnete in dieser Zeit deutliche Zuwächse, und ein Fahrradkauf gestaltete sich aufgrund der hohen Nachfrage fast zum Problem. „Die Menschen wollten etwas erleben, sich nach dem ersten Lockdown zumindest in Deutschland Urlaub gönnen. Aber der Gruppentourismus kam nicht in Gang“, beschreibt Förster die Situation der Sommermonate. Bus- und Schiffstouristen blieben weitgehend aus. Angemeldet hatten die Reedereien insgesamt 547 Schiffsanlandungen in Wertheim für das Jahr 2020. Das wäre zwar kein Höchststand (2016 über 600), aber im Gegensatz zu 2019 ein Plus von 70 Anlandungen. Bei im Schnitt 180 Passagieren pro Schiff hätte das im vergangenen Jahr 98 500 Touristen nach Wertheim und Umgebung gebracht. Vor Anker gegangen sind tatsächlich 93 Schiffe mit maximal je 70 Passagieren, insgesamt also 6510 Schiffstouristen.

Sinnbildlich für das Ausbleiben der Bus- und Schiffstouristen zählt Christiane Förster noch die Stadtführungen auf. Waren es 2019 insgesamt 2349, liegt die Zahl aktuell bei 293, also bei etwas mehr als einem Zehntel. Doch selbst diese Zahl trügt. „Den größten Anteil daran haben die öffentlichen Führungen ausgemacht, die wir donnerstags, freitags und an den Wochenenden anbieten“, gibt Förster zu bedenken.

Auch der Ausblick auf 2021 und 2022 stimmt die Geschäftsführerin überhaupt nicht optimistisch. So haben zwar viele für diese Branche enorm wichtigen Messen 2020 stattgefunden. In diesem Jahr werden voraussichtlich alle Messen aufgrund des Lockdowns ausfallen. Damit gibt es keine Werbeplattform für Wertheim. „Wir müssen nach dem Lockdown online versuchen, die Veranstalter und Menschen zu erreichen“, sagt Förster und zitiert im Anschluss den Deutschen Zentralverband für Tourismus. Der gehe von einem normalen Touristikaufkommen frühestens ab 2023 aus.

Einziger kleiner Hoffnungsschimmer: Für dieses Jahr sind offiziell Anlandungen für 400 Schiffe in Wertheim angekündigt. „Abwarten“, sagt Förster und zuckt mit den Schultern.

Natürlich habe sie „Bauchweh“, wenn sie an die durch den weggebrochenen Gruppentourismus fehlenden Einnahmen und an die Zukunft der GmbH denke. Sicher werden nach Beendigung des Lockdowns viele Individualtouristen ab dem warmen Frühjahr wieder die Stadt bevölkern und damit für Einkünfte bei der Hotellerie und Gastronomie sorgen. Der Tourismus GmbH hilft das jedoch wenig. Denn sie bezieht ihre Einkünfte aus den Gruppenreisen. Das Finanzloch, das es dann durch die Stadt zu stopfen gilt, wird sich also so schnell nicht zuziehen. „Bis jetzt hat uns die Politik wohlwollend unterstützt“, sagt Förster und hofft auf Fortsetzung.

Auch die Schließung des Tourismus-Informations-Centers im „Wertheim Village“ spiele eine Rolle und wirke sich negativ auf die Entwicklung aus, meint Förster. Auch den möglichen Wegfall des Bähnles betrachtet sie mit großer Sorge. Passanten, die in den Sommermonaten morgens gegen 9 Uhr auf dem Mainvorplatz vorbeischauen, wissen auch um die Attraktivität des Burgbähnles. Denn neben Individualreisenden nutzen vor allem viele Schiffs- oder Bustouristen diese publikumswirksame Beförderungsart zur Burg. Ein nicht mehr fahrendes Burgbähnle hätte laut Förster deutliche Auswirkungen. Dazu kommt, dass vor allem im ländlichen Bereich kleinere Beherbergungsbetriebe schließen, weil es keine Weiterführung durch die nächste Generation gebe.

Einsparmöglichkeiten ausfindig machen und neue Ideen für die Zukunft entwickeln, lautet somit das Gebot der Stunde. Die Kurzarbeit der Kollegen sieht Tourismusexpertin dabei nur als ein Mittel, das derzeit ausgeschöpft wird.

Sicher ist sich Christiane Förster, dass es bei Wiederaufnahme des Reiseverkehrs eine Art Echo geben werde. Das heißt, dass die Menschen auch in Zukunft deutlich mehr Spaß daran haben, ihr Land und ihre Region zu entdecken.

Das Online-Tourenportal

Um dafür gut gerüstet zu sein, setzt die GmbH in Zukunft einen Fokus auf Wander- oder Radtourismus. So wird ihr Angebot über „Outdoor-active“ (Online-Tourenportal) vervollständigt. Es wird nicht nur eine Verlinkung zur entsprechenden Homepage und App geben, sondern eigene Routen eingepflegt werden. „Ich habe das Jahr genutzt und bin zahlreiche Wanderwege in der Region abgelaufen“, erzählt Förster. 300 Kilometer sind allein bei ihr zusammengekommen. Dabei haben sie und ihre Kollegen während der „Test-Wanderungen“ nicht nur auf die Schönheit der Strecke, sondern beispielsweise auch auf Ausschilderungen und vorhandene Rastplätze geachtet. Mängel werden noch vor Saisonstart beseitigt. Es soll eine Wanderkarte für die Region mit allen wichtigen Informationen entstehen. Über die App der Firma „Outdoor-active“ oder deren Homepage sind dann neun Rundwandertouren rund um Wertheim abrufbar. Von eineinhalb Stunden bis zur Tagestour ist alles dabei.

„Über den Balkonen von Lindelbach“ heißt eine dieser Wanderrouten. Noch heute gerät die weit gereiste Christiane Förster ins Schwärmen, wenn sie an die Tour denkt. „Diese 7,9 Kilometer sind so abwechslungsreich, so wunderschön und immer mit einer anderen Sichtweite“, schwärmt sie. Aber auch der „Mainweitblick“ hat es ihr angetan oder der Rundweg durch die Weinberge von Kembach über Dietenhan nach Dertingen. Und so hoffen sie und ihre Mitarbeiter auf das Frühjahr, Reiselockerungen und viele Wander- und Radbegeisterte.

Redaktion Im Einsatz für die Lokalausgabe Wertheim

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