Wertheim. Im Convenartis-Keller laufen die Proben der „Gewölbegaukler“ in die Zielgerade ein. Am Samstag, 13. April, ist Premiere. In diesem Jahr bringt die bekannte Wertheimer Laiengruppe unter dem Titel „Kuck mal, wer da kommt!“ vier Einakter pro Abend auf die Bühne. Drei davon stammen aus der Feder von Martin Köhler. Der Reicholzheimer Übersetzer war jahrelang bei den „Gewölbeschreibern“ dabei. Somit lag die Verbindung zwischen den Wertheimer Darstellern und dem Autor buchstäblich nahe.
Das vierte Stück stammt von Peter Reul, einem ebenfalls zeitgenössischen Autor, dessen Stücke gern von Schul- und Laientheatergruppen umgesetzt werden. Alle vier Stücke handeln von Alltäglichem und in allen wird Alltägliches verfremdet, teils komisch, absurd und manchmal surreal.
Nadine Schmid von der Schauspieltruppe bringt deren Konzept auf den Punkt: „Lustig, aber nicht flach“. Im ersten Stück reden ein Pizzabote und der Mann, der die Pizza offensichtlich bestellt hat, völlig aneinander vorbei. Denn den Empfänger überfällt angesichts der Lieferung transzendente Paranoia. „Pizza Diabolo“ erlebt im April sogar seine Uraufführung.
Köhlers zweiter Einakter, „Die Mülltonne“, persifliert Schillers Trauerspiel „Kabale und Liebe“. Doch statt bürgerlicher Standesschranken wird hier ein ganz alltäglicher Gegenstand zum Auslöser für Streit und Intrigen, sowie für den Autor Blaupause für schwarzen Humor.
In Köhlers drittem Stück „Bratkartoffeln“ wird die existenzielle Frage nach Gott im wahrsten Sinne des Wortes zwischen Tür und Angel von einer offenbar noch existenzielleren Problematik beiseitegeschoben. Mehr soll nicht verraten werden.
Im Mittelpunkt der Aufführung steht Peter Reuls Groteske „Die vierte Wand“. Diese Wand aber existiert gar nicht wirklich, allenfalls als Dimensionsloch. In dem Stück geht es um eine Party mit doppeltem, ja dreifachem Boden. Nach und nach kommen die Gäste, nervige Nerds, eine schrecklich-schnepfige Diva, eine lodernde Dampfplauderin sowie ein ebenso exzentrischer wie egozentrischer Schriftsteller. Schon dessen pathetische Alltagssprache nimmt Anleihen bei Kafka. Und sein neuer Roman, von dem er unerträglich gern erzählt, ist ein Plagiat von Tolstoi, Fontane und Chandler zusammen, eine Globalisierung der Klassiker.
Das Ganze gerät aus den Fugen, als er schließlich das „Stück im Stück“ erschaffen möchte. Die Rückkehr ins Hier und Jetzt droht an einer imaginären vierten Wand zu scheitern. Verblüffend, mit wie viel Humor und Beobachtungsgabe hier die Traditionsstränge klassischer Meister grotesken und absurden Theaters wie Pirandello, Beckett und Ionesco fortgesponnen werden.
Großer Applaus gebührt daher der gesamten Wertheimer Gauklergruppe auf der Bühne sowie Chefgauklerin Bernadette Latka für die Auswahl der Stücke und die Regie. Und zwei ganz besondere „Brava-Rufe“ für die bereits in den Proben darstellerisch glanzvolle Simone Becker als „Plauderdiva Renate“ und die textsichere und auserlesen überzeugende Stefanie Kuhn als elegante „Zimtzicke Liz“.
Der Premiere und den weiteren Vorstellungen der vier unterhaltsamen Einakter ist ein großes Publikum zu wünschen.
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