Unruhe - Ohne offiziell zu kandidieren, schaffte Daniel Halemba den Sprung ins Kirchenparlament / Mehr als 100 Einsprüche eingegangen / Erzdiözese Freiburg prüft

Junger AfD-Funktionär in den Pfarrgemeinderat gewählt

Von 
Gerd Weimer
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Die Kirche St. Venantius in der Wertheimer Bismarckstraße. © Gerd Weimer

Wertheim. In der katholischen Kirchengemeinde Wertheim herrscht nach der Pfarrgemeinderatswahl Unruhe. Mit Daniel Halemba zieht ein Funktionär der in Teilen rechtsextremen Partei AfD in das Gremium ein. Halemba ist Schriftführer des AfD-Kreisverbandes Main-Tauber. Seit Jahren ist er als Ministrant im Hofgarten aktiv.

Die Überraschung über das Ergebnis war groß, sowohl bei den Gemeindemitgliedern als auch in der Kirchenverwaltung. Denn der Gymnasiast stand nicht einmal auf dem Stimmzettel. 48 Wähler hatten den Schüler auf den Stimmzettel geschrieben. Dies war möglich, da aus dem Hofgarten keine Kandidaten auf dem Wahlzettel aufgeführt waren. Die Beteiligung an dem Urnengang, der vom 8. März bis 5. April (auch Online- und Briefwahl) stattfand, lag bei knapp acht Prozent und damit etwas unter dem Durchschnitt der Erzdiözese Freiburg (9,5 Prozent), so Pressesprecher Michael Hertl gegenüber den Fränkischen Nachrichten. Etwas über 5000 Katholiken waren wahlberechtigt.

Nachdem das Ergebnis am Mittwoch vor Ostern die Runde gemacht hatte und vielen erst bewusst wurde, dass es sich bei Halemba um einen AfD-Funktionär handelt, gingen beim Wahlvorstand im Pfarrbüro über 100 Einsprüche ein. Die Einsprüche wurden demnach mit der AfD-Mitgliedschaft Halembas, aber auch mit Verfahrensfehlern begründet, erläutert Pressesprecher Hertl. Von einzelnen gewählten Mitgliedern gebe es auch die Ankündigung, nicht in das Gremium einziehen zu wollen, sollte Halemba tatsächlich sein Mandat wahrnehmen, bestätige Hertl FN-Informationen.

Nicht in Einklang zu bringen

Der Arzt Christian Löser ist einer der gewählten Pfarrgemeinderatsmitglieder, der Einspruch erhoben hat. Ein solcher kann sich laut Kirchenrecht „nur auf Mängel in der Person oder auf erhebliche Verfahrensmängel stützen“. „Der christliche Glaube ist mit vielem, was die AfD verbreitet, nicht in Einklang zu bringen“, sagte Löser auf FN-Anfrage. Deswegen müsse man zumindest „den Versuch unternehmen, das überprüfen zu lassen“, so Löser. „Ich möchte nicht, dass jemand auf mich zukommt, der mich dann fragt, was für Leute in unseren Reihen sitzen“, ergänzt er. Er warte jetzt auf die Bewertung aus Freiburg und wolle dann entscheiden, wie es weitergeht. Sollte die Erzdiözese keine Beanstandungen feststellen, werde er nicht zur Tagesordnung übergehen. „An meiner Grundüberzeugung würde das Urteil aus Freiburg nichts ändern“, so Löser.

Gerline Swiegot aus Mondfeld erzielte bei der Wahl das beste Ergebnis. Sie erfuhr erst nach der Wahl von der AfD-Mitgliedschaft Halembas. Das sei ihr „sauer aufgestoßen“. Sie sei zwar strikt gegen die Positionen der AfD, kenne Daniel Halemba aber nicht und wolle erstmal alles auf sich zukommen lassen.

Zusammenarbeit möglich

Katharina Ort aus der Kernstadt versteht die Bedenken der Kirchenmitglieder, die Einspruch erhoben haben. Für sie ist es schwer vorstellbar, dass Daniel Halemba sowohl von kirchlichen als auch von den Positionen seiner Partei überzeugt sein kann. Man könne „nicht auf der einen Seite Nächstenliebe sowie andere kirchliche Werte schätzen und auf der anderen Seite eine Partei unterstützen, die fremdenfeindliche Parolen propagiert.“ Sie würde sich aber nicht einer Zusammenarbeit verweigern. Man müsse jedem eine Chance geben. Vielleicht ändere Halemba seine Einstellung im Zuge seiner Mitarbeit im Gremium.

Auf die Frage, wie es zu den 48 Stimmen für Halemba gekommen sei, sagt Katharina Ort: „Es scheint, als hätte er irgendwie Werbung für sich gemacht.“

Sie verstehe aber nicht, „dass er nicht den offiziellen Weg gegangen ist und sich als Kandidat hat aufstellen lassen, um so den Wählern die Möglichkeit zu geben, sich zu informieren.“

„Ein paar Leute angesprochen“

Daniel Halemba sagte auf FN-Anfrage, er habe „eigentlich nicht“ Werbung für sich gemacht, sondern lediglich „ein paar Leute angesprochen“, die er kenne. Es habe sich jetzt so ergeben, dass er genügend Stimmen bekommen hat.

Er weist den Vorwurf zurück, die Positionen von Kirche und AfD seien nicht miteinander vereinbar. Es sei kein Widerspruch, gleichzeitig in der Kirche und der Partei aktiv zu sein. Es gebe im AfD-Programm „gewisse Punkte, die mit dem christlichen Glauben und dem Katholizismus übereinstimmen.“

Halemba beruft sich auf die „christlich-abendländische Kultur, den Lebensschutz für Ungeborene, das christliche Ehe- und Familienbild“, was die Partei ebenfalls unterstütze. Angesprochen auf das Grundprinzip der Nächstenliebe gegenüber Flüchtlingen, entgegnet er: „Ich setze mich in erster Linie für Nächstenliebe gegenüber Menschen „in unserer Stadt, im Kreis, in unserem Land, vielleicht auch in Europa ein“, er stehe einer „Fernstenliebe“ aber kritisch gegenüber.

Auf die Einsprüche gegen seine Wahl angesprochen entgegnet er: „Auch im Kirchengemeinderat müssen andere Meinungen akzeptiert werden.“ Es gehe in dem Gremium auch nicht in erster Linie um Politisches. Er sei offen für eine Zusammenarbeit, auch wenn Ressentiments gegenüber seiner Person existierten.

Hohe rechtliche Hürden

Aus Freiburg heißt es unterdessen, das Ordinariat werde die Kirchengemeinde in Wertheim beraten und begleiten, um mögliche Konflikte zu lösen. Entsprechende Kontakte bestünden bereits. Die Einsprüche gegen die Wahl Halembas würden derzeit sorgfältig geprüft. Die rechtlichen Hürden für einen Erfolg der Einsprüche seien aber sehr hoch.

„Die alleinige Zugehörigkeit zu einer demokratischen (und rechtsstaatlich anerkannten) Partei ist nach den maßgeblichen kirchlichen Bestimmungen (Wahlordnung für die Pfarrgemeinderäte im Freiburg) kein Grund, eine Kandidatur bei Pfarrgemeinderatswahlen abzulehnen oder eine Wahl nicht anzuerkennen“, so Pressesprecher Hertl in einer E-Mail.

Die Erzdiözese Freiburg lege aber Wert darauf, „dass antisemitische, menschenverachtende und rechts- wie linksextreme Positionen, Haltungen und Äußerungen selbstverständlich keinen Platz in einer katholischen Gemeinde haben dürfen.“

Redaktion Reporter Wertheim

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