Wertheim. Einst lebten in Wertheim viele Menschen jüdischen Glaubens. In der Altstadt und an deren Rand finden sich noch heute viele Spuren und Gedenkorte, die daran erinnern. Ihnen ist der sechste Teil der Stadtführungsreihe für Familien gewidmet.
In der Stadt gab es seit dem frühen 13. Jahrhundert eine jüdische Gemeinde. Deren Mitglieder lebten vor allem in der heutigen Gerber- und Kapellengasse. Anstelle der nun in der Kapellengasse stehenden Marienkapelle gab dort früher eine Synagoge und auch ein rituelles Bad, die Mikwe. Die Synagoge in der Kapellengasse wurde 1447 zerstört. Auch in der Nähe des Spitzen Turms, auf dem Neuplatz, befand sich zeitweise eine Synagoge mit rituellem Bad. 1938 wurde diese von den Nationalsozialisten verwüstet. In den 1960er Jahren erfolgte ihr Abriss. Das rituelle Bad schüttete man zu. Eine Linie aus dunklen Steinen auf dem Boden des Neuplatzes zeigt, wo sich einst Synagoge und rituelles Bad befanden.
In einer Mikwe müssen sieben Stufen hinab ins Wasser führen, bei dem es sich gemäß der religiösen Regeln, um „lebendiges Wasser“ handeln muss. Daher wurden vielerorts Grundwasser-Mikwen gebaut. Diese befanden sich meist unter der Erde auf der Höhe des lokalen Grundwasserspiegels. Im Bad taucht der Gläubige vollständig unter und spricht dazwischen einen kurzen Segensspruch. Die dadurch mit dem Eintauchen ins Wasser verbundene Hygiene hatte früher auch einen gesundheitlich positiven Nebeneffekt.
An der alten Wertheimer Stadtmauer beim Neuplatz findet sich etwas versteckt eine Gedenktafel für die jüdischen Mitbürger. Auch in der Main-Tauber-Stadt waren Juden immer wieder Verfolgungen ausgesetzt, so in der Zeit des Nationalsozialismus. 1940 erfolgte die Deportation der letzten Wertheimer Juden ins Konzentrationslager Gurs.
Viele weitere Spuren, die an die einst jüdische Gemeinde erinnern, sind in den Gassen der Altstadt zu finden. So wurde die Fassade eines Hauses in der Maingasse mit jüdischen Symbolen verziert. Dazu gehört etwa eine Schriftrolle mit dem Text „Shalom“ zu sehen. Shalom heißt Frieden und ist auch ein hebräischer Gruß. An der Stelle des heutigen Gebäudes stand früher das Haus von Lina Klaus. Die jüdische Familie lebte darin, bis zu ihrer Ermordung durch die Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkriegs. Die Gestaltung des Hauses erinnert an die Familie und ihr Schicksal, das auch viele weitere Juden erlitten.
Wer genau hinschaut, findet in der Kernstadt, aber auch in den Stadt- und Ortsteilen von Wertheim, sogenannte „Stolpersteine“. Eingraviert in die kleinen Metallplaketten sind Namen und einige Informationen zum Leben und Tod von einst verfolgten Bürgerinnen und Bürgern. Viele von ihnen waren Juden, weitere wurden aus anderen Gründen verfolgt. Zählt man diese in einer Straße, zum Beispiel der in Maingasse, bekommt man ein Gespür dafür, wie viele Menschen betroffen waren.
Etwas außerhalb der Altstadt befindet sich der jüdische Friedhof. Er ist einer der ältesten jüdischen Friedhöfe in Baden-Württemberg. Angelegt wurde er 1406. Auf ihm findet man 72 Grabsteine aus dem 15. Jahrhundert. Um zu ihm zu gelangen, muss man dem Gehweg neben der Landesstraße Richtung Eichel folgen. Am Weg, der an der Brücke nach oben führt, befindet sich rechts das Tor zum Friedhof. Der Friedhof ist aktuell aus Sicherheitsgründen nicht zugänglich. Er musste im April 2024, nachdem ein Baum umgestürzt war, für Besucher gesperrt werden. Danach stuften Experten weitere Bäume als nicht verkehrssicher ein. Die Sicherungsarbeiten, um den Friedhof wieder zugänglich zu machen, sollen im Herbst stattfinden, erklärten die Verantwortlichen der Stadt Wertheim.
Viele interessante Exponate und Informationen zum jüdischen Leben in Wertheim gibt es in einer Ausstellung im Grafschaftsmuseum Wertheim.
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