Millionen-Neubau (Plus Video)

Johanniter rüsten in Wertheim Pflegeausbildung auf

Neues Gebäude mit modernster Technik ermöglicht realitätsnahes Üben und schafft Platz für wachsende Zahl von Azubis.

Von 
Gerd Weimer
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Im sogenannten "Skills Lab" trainieren die Azubis des Johanniter-Pflegezentrums realitätsnah an Puppen. © Gerd Weimer

Wertheim. Es war höchste Zeit, denn das alte Gebäude und seine Ausstattung – früher Gästetrakt des Diakonissen-Mutterhauses – entsprachen schon lange nicht mehr den Anforderungen eines zeitgemäßen Bildungszentrums für Pflegeberufe. Mittlerweile ist der Neubau, den die Johanniter-Unfallhilfe im Wertheimer Hofgarten hochziehen ließ, fertiggestellt. Im Außenbereich sind noch ein paar Arbeiten notwendig, aber seine Funktion erfüllt das Gebäude schon seit einiger Zeit. Anfang des Jahres zog die Bildungsreinrichtung in die neuen Räumlichkeiten um. Einen höheren einstelligen Millionenbetrag hat man investiert.

Schulleiter Stefan Dosch bringt es auf den Punkt: „Die alten Overhead-Projektoren sind nun endgültig Geschichte.“ In den Unterrichtsräumen ist modernste Technologie verbaut. Die digitale Ausstattung samt optimaler Projektionstechnik und Vernetzung eröffnet bisher nicht vorhandene Möglichkeiten. Dosch nennt ein Beispiel: „Sollte ein Schüler wegen einer Sportverletzung nicht in der Lage sein, persönlich am Unterricht teilzunehmen, kann er sich jetzt digital zuschalten.“ Insofern sei es kein Problem, wenn ein Schüler über mehrere Wochen nicht in der Lage ist, vor Ort zu sein. „Damit reduzieren wir die Gefahr, dass jemand seine Ausbildung abbrechen muss“, nennt Stefan Dosch einen großen Vorteil der Digitalisierung des Unterrichts.

Mehr Praxisnähe im Unterricht

Der Anteil des fachpraktischen Unterrichts in der Ausbildung hat stark zugenommen, sagt Dosch. Im sogenannten „Skills Lab“ befinden sich mehrere Betten, samt Nachttischen, auf denen Fotos von Angehörigen drapiert sind. Statt echter Pflegebedürftiger liegen hier Puppen, an denen die Nachwuchskräfte üben, beispielsweise das Wechseln von Socken oder das Assistieren beim Trinken. Der Raum ist großzügig geschnitten. Ohne sich auf die Füße zu treten, können die Auszubildenden den Erklärungen der Lehrkräfte folgen und selbst Hand anlegen.

Stefan Dosch, der Leiter des Bildungszentrums für Pflegeberufe. © Gerd Weimer

Das „Skills Lab“ biete einen „geschützten Raum, in dem auch Fehler zugelassen sind, ohne Patienten zu schädigen“, erklärt Stefan Dosch. Es gehe um mehr als darum etwa nur einen Katheter legen oder das Blutdruckmessen zu üben. Man könne auch „komplexere Pflegesituationen“ simulieren wie die Versorgung von drei verschiedenen Patienten. Anhand der Video-Aufzeichnung ließen sich die Situationen analysieren und nachbesprechen.

Eine Steigerungsform dieser praktischen Ausbildungsmethode ist übrigens der „Room of Horror“. Dort sei beispielsweise ein Medikament auf einem Nachttisch platziert, das nicht zu dem Namen des Patienten passt. Oder ein Katheter-Schlauch drohe abgeklemmt zu werden, weil er unter dem Oberschenkel des Patienten liegt. Dabei gehe es nicht unbedingt darum, die Azubis unter Stress zu setzen. Man wolle Bewusstsein dafür schaffen, auf welche Kleinigkeiten in der alltäglichen Routine zu achten sind.

Zahl der Azubis in zehn Jahren verdoppelt

Es war laut Stefan Dosch aber nicht nur die verbesserungswürdige technische Ausstattung, die den Neubau notwendig gemacht hat, sondern vor allem die erforderliche Kapazität. Die Johanniter-Pflegeschule arbeitet mit etlichen Kooperationspartnern aus der stationären und ambulanten Pflege zusammen. Der Einzugsbereich reiche bis Miltenberg, Marktheidenfeld, Walldürn und Tauberbischofsheim. Die Zahl der Auszubildenden habe sich binnen zehn Jahren auf über 120 verdoppelt, rechnet Dosch vor. Diese „massive Steigerung“ sei auch auf die Neugestaltung der Ausbildungsvorschriften zurückzuführen, aber auch auf den guten Ruf des Hauses.

Der Neubau der Pflegeschule im Hofgarten. © Gerd Weimer

Von letztem auf dieses Jahr gab es eine besonders große Steigerung bei den Schülerzahlen. Das Interesse an der Pflege-Ausbildung sei „massiv gestiegen“, so Stefan Dosch. Faktoren dafür seien die mittlerweile attraktivere Vergütung aber auch, dass in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten junge Leute den Werdegang in einem stabilen Umfeld bevorzugen. Zudem habe man bei den örtlichen Schulen in den vergangenen Jahren ordentlich die Werbetrommel gerührt, was nun Früchte trage.

Der Bedarf an Pflegekräften wird angesichts der demografischen Entwicklung in den nächsten Jahren zunehmen. Das Statistische Bundesamt geht davon aus, die Zahl von 1,69 Millionen (2024) auf 2,15 Millionen bis 2049 steigen muss, um immer mehr alte Leute angemessen zu versorgen, um immer mehr alte Leute angemessen zu versorgen. Ohne den Zuzug von ausländischen Fachkräften dürfte das kaum zu bewältigen sein.

Viele Bewerbungen aus dem Ausland

Die Johanniter-Pflegeschule ist deswegen auch Anlaufstelle für Bewerbungen aus dem Nicht-EU-Ausland. Rund 350 Bewerbungen aus unterschiedlichen Ländern treffen laut Stefan Dosch pro Jahr ein. Nicht selten klopfen hochqualifizierte Leute mit akademischer Ausbildung an, die sich beruflich umorientieren, um eine Chance in Deutschland zu bekommen. Zwingend erforderlich sind ausreichende Deutschkenntnisse, nachgewiesen mit einem Zertifikat. Die Bewerbungsgespräche finden online per Videokonferenz statt. Für das erforderliche Visum gelte es, noch bürokratische Hürden zu überwinden. Hochzufrieden sei man diesbezüglich mit der Stadtverwaltung, so Stefan Dosch. Die Leute im Rathaus, die in der Ausländerbehörde für das sogenannte beschleunigte Fachkräfteverfahren verantwortlich sind, leisteten hervorragende Arbeit, beschleunigten die Prozesse.

Die Zahl der Schülerinnen und Schüler am Johanniter-Bildungszentrum steigt stetig. Das Bild zeigt die neuen Azubis des Jahres. © Gerd Weimer

Nicht nur für Schüler aus dem Ausland bietet das Bildungszentrum die Möglichkeit, vor Ort unterzukommen. Es gibt jetzt zehn Unterkünfte auf modernem Niveau, ausgestattet mit eigenen Nasszellen, quasi kleine Apartments. Eine zentral gelegene Küche steht ebenfalls zur Verfügung und wird perspektivisch zur Versorgung der Azubis genutzt werden können. „Bei mehrtägigen Veranstaltungen können Teilnehmende von auswärts hier übernachten und werden bestens versorgt“, so Stefan Dosch. Der offizielle Akt der Einweihung erfolgt am 17. Oktober.

Redaktion Reporter Wertheim

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