Wertheim. Sollen die ambitionierten Ziele der Bundes- und Landesregierung beim Klimaschutz erreicht werden, müssen die privaten Haushalte einen erheblichen Anteil beitragen. Fast ein Fünftel aller Emissionen des klimaschädlichen Kohlendioxids entfallen in Deutschland auf die Heizung und die Bereitstellung von Warmwasser. Die Heizungen werden allermeist mit fossilen Brennstoffen wie Gas oder Öl gespeist.
In der Bundesregierung gab es jüngst erheblichen Zwist darüber, wie die ambitionierten Klimaziele erreicht werden können. Naturgemäß spielten die Heizungsanlagen dabei eine zentrale Rolle. Zwar wurden die Maßnahmen aufgeweicht, doch der gefundene Kompromiss sieht vor, dass ab 2024 neu eingebaute Heizungen zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden müssen.
Damit dürfen ab dem kommenden Jahr de facto keine neuen, reinen Öl- und Gasheizungen mehr eingebaut werden. Die Wärmepumpe, die Umweltwärme je nach Modell aus Luft, Erdreich oder auch Grundwasser und bestenfalls grünem Strom als Antriebsenergie nutzt, gilt als Technologie der Zukunft.
„Keine Alternative“
Doch wie sieht es für Bewohner dicht besiedelter Gebiete mit historischer Substanz wie der Wertheimer Altstadt aus? Hier kommt bisher fast ausschließlich Erdgas als Energieträger zum Einsatz, nachdem in Folge der Hochwasser alle Ölheizungen per Baurecht in den 1990er Jahren verbannt wurden. „Wärmepumpen in der Altstadt sind aus meiner Sicht keine wirkliche Alternative“, sagt Thomas Beier, Chef der Stadtwerke Wertheim, im FN-Gespräch. Die Geräte benötigten viel Platz und erzeugten Lärm, so Beier, und seien deshalb für die Gebäude in den engen Gassen der Innenstadt kaum geeignet.
Was auch gegen Wärmepumpen spricht: Ein großer Teil der Bauten in der Altstadt sei wegen fehlender Dämmung überhaupt nicht geeignet. Zwar schreite der technische Fortschritt voran und es gebe mittlerweile Geräte, die auch in Bestandsbauten eingesetzt werden können. Doch zumeist würden hohe Vorlauftemperaturen benötigt. Die würden aber nicht mehr wirtschaftlich arbeiten. „Dann ist es Heizen mit Strom“, gibt Beier zu bedenken.
Bei Neubauten, die aber in der Altstadt sehr selten errichtet werden, funktioniert es, wie das Beispiel „Mainresidenz“ zeigt. Jörg Dümmig-Zitzmann und Mitstreiter bauen in der Nebenzollgasse ein Haus mit zwölf Wohnungen. Da hier eine geräumte Freifläche zur Verfügung steht, kann man auf Geothermie zurückgreifen. Die Erdwärmesonden sollen bis zu 30 Meter in die Tiefe reichen. Eine Wärmepumpe, die wegen der Hochwassergefahr im ersten Obergeschoss des Gebäudes platziert wird, versorgt das Gebäude mit Warmwasser und speist die Heizung.
„Nach den Berechnungen können wir so bis zu 90 Prozent des Bedarfs decken“, erklärt Dümmig-Zitzmann. Nur bei Spitzen sei der Einsatz von Erdgas notwendig. Wegen der Vorschriften in der Altstadtsatzung und des Denkmalschutzes sei es leider nicht möglich gewesen, auch Wärme oder Strom mit Solarelementen auf dem Dach zu erzeugen, bedauert er.
Wasserstoff
Wärmepumpen werden in der Altstadt aber sonst kaum eine Rolle spielen. Andere Szenarien kommen auch nicht in Betracht. Thomas Beier hält ein Nah- oder Fernwärmenetz mit einem zentralen Kraftwerk für unrealistisch. Zwar sei es theoretisch möglich, die Liegenschaften an ein dafür notwendiges Rohrnetz anzuschließen, doch das wäre „sehr aufwendig“. Die Altstadt sei jetzt schon „vollgepackt mit Leitungen aller Art“. Man müsste Pflaster aufreißen. Manche Bereiche seien sogar mit Beton vergossen. „Es ist sehr schwierig, da ranzukommen.“
Thomas Beier sieht also kaum Alternativen zum Gasnetz, das von den Stadtwerken betrieben wird. Wer das Naturgas des Versorgers nutze, erfülle schon einen Teil der gesetzlichen Anforderungen. Und eine Neuerung könnte weitere Abhilfe schaffen. Das Erdgasnetz sei auch für den Transport von grünem Wasserstoff geeignet, so Beier. Moderne Gas-Brennwertgeräte seien „H2-ready“, könnten nach Herstellerangaben mit 20 bis 30 Prozent Wasserstoff im Erdgas betrieben werden. Der Anteil könnte später mit Nachrüstung noch steigen. Handelt es sich dabei um grünen Wasserstoff, rückt die klimaneutrale Heizung näher.
Die – wenn auch jüngst aufgeweichte – Vorschrift, dass neue Heizungen ab 2024 mit 65 Prozent aus erneuerbaren Energien gespeist werden müssen, ist aber auch unter diesen Umständen kaum zu erfüllen. Der Gesetzgeber werde wohl Ausnahmeregelungen schaffen müssen, wenn die Ziele für die Verbraucher aus technischer Sicht schlicht nicht erfüllbar sind.
Kommunaler Wärmeplan
Über die Herausforderungen macht man sich gezwungenermaßen auch im Wertheimer Rathaus Gedanken. Bis Ende des Jahres müssen die Großen Kreisstädte den Regierungspräsidien einen kommunalen Wärmeplan vorlegen.
Das schreibt das Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz des Landes vor. Mit Hilfe des Fahrplans „sollen die Kommunen, die richtigen Entscheidungen treffen“, heißt es in Stuttgart. Man darf gespannt sein, welche Lösungen für die mittelalterliche Altstadt, mit der sich Wertheim schmücken darf, gefunden werden.
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