100 Jahre Maintalbahn (Teil 3) - Bahnhof Wertheim-Glashütte war einst ein wichtiger Haltepunkt

Industrie und Hafen mit Gleisanschluss

Von 
Winfried Kisling
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Diesellok im Wertheimer Mainhafen, in den früher regelmäßig Quarzsand aus Frechen bei Köln geliefert wurde.

© Kisling

Wertheim. Die Maintalbahn - die Strecke zwischen Wertheim und Stadtprozelten - wurde am 1. Oktober 1912 fertiggestellt. Dieses Jubiläum ist Anlass, einen Blick in die Geschichte der Entwicklung der Bahnlinie zu werfen.

Zeitgleich mit dem Entstehen mehrerer Industriebetriebe wurde in Bestenheid 1950 das Industriestammgleis errichtet. Es zweigte nahe des Bahnübergangs zum Bestenheider Winterhafen bei Kilometer 30,4 von der Bahnlinie Wertheim-Hasloch nach rechts ab.

Früher lagen an diesem Gleis zunächst die Holzverarbeitung Dyroff, die Mainmühle mit einem Ladegleis unmittelbar nördlich des Mühlengebäudes und mainwärts daneben das Umfahrungsgleis, weiter eingleisig zum Betonwerk Hohlblöcke Holetzko, nördlich des Isoliergefäßebetriebes alfi vorbei, dann ein Abzweiggleis nach links in das Glaswerk Wertheim. Das Hauptgleis endete nach rund 300 Metern im Gelände der Firma Schuller; dort gab es ein Lade- und Umfahrgleis. Die Gesamtlänge des Industriegleises betrug zirka 900 Meter.

Firmeneigener Waggon

Die Firma Schuller hatte in den 1950er Jahren einen firmeneigenen, zweiachsigen, gedeckten Güterwagen bei der Deutschen Bundesbahn (DB) eingestellt und in Betrieb. Der Waggon hatte den DB-üblichen rotbraunen Anstrich. Die Schiebetüren waren mit blauem Untergrund und dem weißen Firmennamen "Schuller" versehen mit einem großen geschwungenen "S" als Anfangsbuchstaben.

Das Industriegleis wurde zum letzten Mal 2002 bedient, als mehrmals Getreideganzzüge am Mainmühlen-Lagerhaus der badischen Zentralgenossenschaft Karlsruhe abgeladen wurden. Bei der Erneuerung des Streckengleises zwischen Haslocher Mainbrücke und Bahnhof Wertheim im Juni 2007 wurde die Anschlussweiche zum Industriestammgleis entfernt, ebenso die Gleise im Bereich der Mainmühle.

Von Wertheim-Glashütte in Richtung Hasloch zweigt nach 400 Metern links (bei Kilometer 29,3) das etwa zwei Kilometer lange Hafengleis zum Mainhafen in Bestenheid ab. Erbaut wurde es zeitgleich mit dem Mainhafen 1967. Die Strecke verläuft eingleisig, im Hafenbereich mit dem großen Portalkran sind zwei Gleise verlegt. Nach 300 Metern zweigen vom Hafengleis nach links zurück zwei Ladegleise in einen Lagerbereich der Glasvlies-Firma Schuller ab.

Sonderzug für Honoratioren

Zur Einweihung des Hafens am 12. Oktober 1967 wurden die wirtschaftlichen und politischen Honoratioren aus Grünenwört und Wertheim am späten Vormittag mit einem Sonderzug vom Wertheimer Bahnhof herangefahren. Gezogen wurde der Zug von der kleinen Wertheimer Rangier-Diesellok Köf und bestand aus einem einzigen Reisezugwagen 2. Klasse, einem Umbauvierachser vom Typ Byg. Vor der Inbetriebnahme des Mainhafens existierte der Wertheimer Tauberhafen mit Gleisanschluss über ein Rampen-Verbindungsgleis am nordöstlichen Bahnhofsbereich.

Die Bahnstation Wertheim-Glashütte sollte zuerst im Gleisbogen gegenüber der Mainmühle entstehen. Es gab dort seit 1951, als die "Bundessiedlung" errichtet wurde, eine Bahnsteigkante südlich des Gleises auf der Seite zum jetzigen Eichamt hin. Die Bahnsteigkante war noch in den 1980er Jahren vorhanden, ist inzwischen aber verschwunden. Auf Wunsch der Glashütten-Betreiber wurde der Bahnhof in den 1950er Jahren nicht gegenüber der Mainmühle errichtet, sondern bei den Glashütten und auch nach ihnen benannt.

Der Bahnhof Wertheim-Glashütte war zunächst ausgestattet mit dem Durchgangsgleis mit Bahnsteig, einem Ladegleis mit Güterhalle und Laderampe, zwei einflügeligen Formhauptsignalen als Einfahrsignale sowie zugehörigen Formvorsignalen. Das Bahnhofsgebäude enthielt Diensträume, eine kleine Wohnung im Obergeschoss für einen der beiden Stationsvorsteher sowie eine Bahnhofswirtschaft. Die beiden langjährigen Bahnhofsvorsteher waren Franz Lutz aus Hundheim und Anton Hartmannsgruber aus dem böhmischen St. Joachimsthal bei Karlsbad.

Nach 1945 lag die Grenze der Bundesbahndirektionen südlich der Mainbrücke auf badischem Territorium. Bei Kilometer 29+078 westlich des Gleises stand eine weiße Tafel mit schwarzer Aufschrift: südlich mit BD Stuttgart, Bm Lauda; nördlich mit BD Nürnberg, Bm Aschaffenburg. Aus Richtung Hasloch, 25 Meter hinter der Brückenabfahrt im badischen Bereich, war ein Form-Vorsignal aufgestellt, das zugehörige einflügelige Formhaupt-Einfahrsignal stand am Ende des Gleisbogens in der Geraden.

Von dort konnte man das Geschehen im Bahnhofsbereich Wertheim-Glashütte sehen. Später wurden beide Signale entfernt. Stattdessen wurde neu ein einflügeliges Form-Haupt-Einfahrsignal errichtet. Dieses stand am Anfang des nach links schwingenden Gleisbogens und konnte von der Brückenabfahrt gesehen werden. Zur besseren Beobachtung der Signalflügel-Stellung war der Mast niedriger.

Das Stationsgebäude Wertheim-Glashütte liegt bei Strecken-Kilometer 29,7 (gezählt wird von Miltenberg her). Auf der anderen Seite, aus Richtung Wertheim, musste das Einfahr- auch als Deckungssignal für den Industriegleisanschluss dienen. Daher war es rund einen Kilometer vom Stationsgebäude entfernt etwa auf Höhe des jetzigen Wertheimer Freibades in den Christwiesen.

Wertheim-Glashütte

Das zugehörige Form-Vorsignal stand zunächst 700 Meter entfernt Richtung Wertheim und wurde später auf 1000 Meter Abstand gebracht. Das brachte im Winter bisweilen dem Bahnhofs-Vorsteher einen zirka vier Kilometer langen "Dienstgang" ein, um die Signaldrähte vom Eis zu befreien. Schließlich sollten die Frühzüge und alle anderen auch pünktlich fahren.

Etwa 1954 wurden zwei einflügelige Formhauptsignale als Ausfahrsignale B und C aufgestellt. Inzwischen sind alle Signale entfernt (seit 1977) und die Station Wertheim-Glashütte ist ein unbesetzter Haltepunkt. Das Bahnhofsgebäude ist verkauft.

Im Bereich Wertheim Glashütte befanden sich vier Weichen: Seit Anfang an zum Industriegleis (existierte bis Juni 2007) und zum Bahnhofsladegleis. Diese Weiche samt Ladegleis ist seit Juni 2007 abgebaut. Als dritte und vierte Weiche (seit 1967) sind zu erwähnen der Abzweig der Hafenbahn mit Schutzweiche, um ein unbeabsichtigtes Einrollen von Schienenfahrzeugen ins Streckengleis zu unterbinden.

Im Bahnhof Wertheim-Glashütte wurden alle bahnüblichen Dienstleistungen geboten, zum Beispiel Fahrplanauskünfte, Beratung, Fahrkartenverkauf ins In- und Ausland, Reisegepäck, Express- und Stückgut. Werktäglich wurden bis zu sechs Stückgutwaggons zu bedeutsamen Frachtumschlag-Bahnhöfen wie etwa Seelze, Gremberg, Hohenbudberg, Seddin, Köln-Gereon abgefertigt. Zulieferer von den Glasbetrieben zur Güterhalle Wertheim-Glashütte war die 1919 von Georg Dostmann gegründete Bahnspedition Dostmann.

Als Transporteur für die in Bestenheid nach dem Zweiten Weltkrieg aufblühende Industrie konnte dessen Sohn Alfred Dostmann (1920-2009) die Wertheimer Bahnspedition ausbauen. Werktäglich rollten die gelben Holzkisten mit den roten Bändern auf kleinen Rädern hinter dem Lastwagen zur Bahnstation.

Seit Errichtung des Stationsgebäudes befand es sich über dem Fahrdienstleiterbereich in schwarzer Schrift auf weißem Grund. Im April 2009 wurde es ausgetauscht; jetzt hängt ein blaues Schild (der West-Franken-Bahn) mit weißer Schrift "Wertheim-Bestenheid" über der Wetterschutzbude am Bahnsteig.

Im Juni 2007 wurde das Gleis vom badischen Teil an der Haslocher Mainbrücke (Kilometer 29,0) bis zum Bahnhof Wertheim komplett erneuert. Dabei wurden bei Kilometer 29,6 die Weiche zum Ladegleis an der Güterhalle Wertheim-Glashütte sowie bei Kilometer 30,4 die Weiche zum Industriestammgleis Bestenheid ersatzlos entfernt. (Serie wird fortgesetzt).

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