Wertheim. Der Weltraum – unendliche Weiten! Wir schreiben das Jahr 2025 und das Lengfurter Blasorchester dringt in der Wertheimer Stiftskirche in klangliche Regionen vor, die – zumindest dort – noch nie ein Mensch zuvor gehört hat. Aber davon später. – Das Neujahrskonzert des symphonischen Blasorchesters Lengfurt unter Leitung seines Dirigenten Michael Geiger am Sonntagabend in der Wertheimer Stiftskirche nahm große Teile des Programms auf, welches das Orchester vor einigen Monaten in Lengfurt bereits einmal vorgestellt hatte. Es stand damals unter dem musikalischen Motto „Nicht von dieser Welt“ und wurde, dem aktuellen Anlass entsprechend, um einige Wiener (Neujahrs-)Klänge ergänzt.
Wobei das damalige Motto durchaus kreativ ausgelegt wurde. Denn es gab nicht nur, wie man fast hätte erwarten können, einen John-Williams-Star-Wars-Hit nach dem anderen. Stattdessen hörte das Publikum in der voll besetzten Stiftskirche eine klug zusammengestellte Programmfolge, die neben Filmmusik auch Musik aus Operetten und anderen musikalischen Bereichen wie Jazz und Pop enthielt. Denn auch Jacques Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ ist trotz seiner sehr weltlichen Grundidee einer Persiflage der tragischen Orpheus und Eurydike-Geschichte zumindest titelmäßig durchaus nicht von dieser Welt, genauso wie „Fly me to the moon“ und irgendwie wohl auch der Queen-Klassiker „Bohemian Rhapsody“.
Aber zurück zur Erde beziehungsweise zum Start. Seit fünf Jahren lädt der Wertheimer Kulturkreis das Lengfurter Blasorchester zum Neujahrskonzert ein und das hat durchaus eine gewisse inhaltliche Stringenz. Denn Kulturkreis-Cheforganisator Stefan Blido ist gemeinsam mit seiner Frau Fedra Leiter der Wertheimer Musikschule, in der zahlreiche Mitglieder des Lengfurter Orchesters ausgebildet werden oder wurden – oft in der Klasse von Michael Geiger, Dozent an eben dieser Musikschule. Und so begegnen dem Szene-Kenner etliche Wertheimer Registerführer und Solisten, die aber hier, da auch das Programm ihre Namen verschweigt nicht genannt werden sollen.
Gleich das erste Stück, die Ouvertüre zu Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ gerät zum ersten Höhepunkt des Abends. Farbig orchestriert, beginnt es mit einem für die Konzerteröffnung angemessenen Tusch und führt nach und nach durch einige musikalische Schmankerl der berühmten Operette. Nach dem filmmusikreifen (aber nicht aus der Filmmusik stammenden) ersten Satz „Gandalf“ der „Der-Herr-der-Ringe“-Symphonie von Johan de Meij erklang die vielleicht etwas zu rasch genommene Jupiterhymne aus Gustav Holsts Suite „Die Planeten“. Schade, dass diese Fassung genau dort abbricht, wo es bei Holst eigentlich interessant wird.
Der – zumindest für Science-fiction-Fans – Höhepunkt des Abends waren die beiden Stücke aus „Star Trek“. In Jerry Goldsmiths Filmmusik zu „Der erste Kontakt“ konnte man sich über das wunderbare Zusammenspiel der unterschiedlichen musikalischen Motive aus dem „Star-Trek“-Universum freuen.
Am Beginn die vom Horn und anschließend der Trompete gespielte Doppelquart, deren assoziativer Kraft sich niemand, der sie je gehört hat, entziehen kann. Dann das Klingonen-Motiv (die volltaktige, sich wiederholende, aufsteigende Quint), dass auf einen der Protagonisten des Films verweist, und schließlich die hymnische Sechs-Achtel-Melodie, mit der die Serienfolgen der „neuen“ Enterprise eingeleitet wurden. - Zugegeben, hier schreibt ein Fan . . .
Besonders spannend war dann der Einsatz des Theremins, eines der ersten elektrischen Musikinstrumente der Musikgeschichte, bei der sich anschließenden Titelmelodie von „Star Trek“. Der junge Thereminspieler aus dem Schlagzeugregister hat sich das Spiel dieses höchst ungewöhnlichen Instruments, bei dem ein elektrisches Feld berührungslos durch Bewegungen verändert und zum Klingen gebracht wird, selbst beigebracht. Was – der Schreiber dieser Zeilen weiß, wovon er redet – nicht immer zur reinen Freude der Eltern geschah, denn es ist sehr mühsam, ein quasi in der Luft schwebendes unsichtbares und selbstverständlich nicht irgendwie skaliertes Feld so zu beeinflussen, dass eine erkennbare, womöglich schöne, Melodie entsteht.
Neben den schön musizierten Stücken Annen-Polka, Kaiserwalzer und Regiments-Marsch standen im Mittelpunkt des zweiten Teils die fantastische Filmmusik des „Zauberer von Oz“, ein tolles und schmissig gespieltes Arrangement von „Fly me to the moon“ und die schon erwähnte „Bohemian Rhapsody“. Dass die vom begeisterten Publikum erklatschte erste Zugabe („Radetzky-Marsch“) noch um die ebenfalls erklatschte Friedenshymne „Imagine“ von John Lennon ergänzt oder gar konterkariert wurde, war eine schöne Geste – und Anfang 2025 auch irgendwie „nicht von dieser Welt“.
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