Wein

In Dertingen ist die letzte Rebschule im Main Tauber-Kreis

Siegried und Martin Friedrich betreiben in Dertingen eine Rebschule. Sie sind damit in Deutschland einer von noch 100 Betrieben, die aus Unterlage und Edelreis eine zertifizierte, pflanzbare Weinrebe herstellen.

Von 
Heike Barowski
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Martin und Siegfried Friedrich begutachten Scheurebe und Silvaner in ihrer Rebschule am Main. Triebe aus der Unterlage müssen entfernt werden. © Heike Barowski

Dertingen. Völlig entspannt sitzen Siegfried Friedrich und sein Sohn Martin an einem Tisch im Weinkeller. „Eigentlich haben wir immer zu tun“, sagen die beiden übereinstimmend. Doch es gibt Hoch-Zeiten und mal etwas ruhigere Phasen in ihrem Arbeitsleben. Martin und Siegfried betreiben gemeinsam mit Siegfrieds Ehefrau Ingrid und Tochter Silvia einen Weinbaubetrieb, zu dem auch eine Rebschule gehört. „Wir sind tatsächlich im Main-Tauber-Kreis die letzte verbliebene Rebschule“, sagt Siegfried Friedrich, während Martin all die Standorte, wie Tauberbischofsheim oder Lauda aufzählt, die in der jüngeren Vergangenheit geschlossen wurden.

Die Rebveredlung und neue Sorten

Bei der Rebveredelung werden heimische, europäische Weinreben (Edelreiser) auf die reblausresistenten amerikanischen Reben (Unterlage) aufgepfropft. Die Unterlage bildet dann die Wurzeln und das Edelreis den Stamm, die Blätter und die Trauben aus.

Die Rebveredlung ist nötig, um der Reblaus Einhalt zu gebieten.

Durch eine spezifische Auswahl der Unterlagssorte lässt das Wachstum der Rebe steuern und auf Bodenart, Kalkgehalt und Wasserverfügbarkeit des Standorts reagieren.

Piwi-Sorten: Der Begriff steht für pilzwiderstandsfähige Rebsorten, die eine besonders starke Widerstandskraft gegen Rebkrankheiten, wie Mehltau, aufweisen. Deutschland ist führend in der Entwicklung von Piwi-Sorten wie beispielsweise Cabernet Blanc, Solaris, Souvignier Gris, Muscaris und Regent. hei

Übernommen hat Siegried Friedrich den Betrieb über den Vater Wilhelm von seinem Großvater Christoph Wilhelm Friedrich, der die Rebschule 1921 gründete – damals noch mit Schwerpunkt Obstbau. „Mein Großvater war zu dieser Zeit einer der ersten privaten Rebveredler in Deutschland. Bis dahin wurde die Veredlung nur von staatlichen Einrichtungen ausgeführt.

„Schuld an diesem notwendigen Arbeitsschritt ist die Reblaus. Sie tauchte 1874 das erste Mal in Europa auf und vernichtete innerhalb kurzer Zeit viele Weinberge“, weiß Martin Friedrich. Sein Vater erklärt dann genau, was der Reblaus schmeckt und was nicht, und dass daraus die Kombination aus amerikanischem und europäischem Rebenteil (Rebveredlung) entstand und eine Art biologischer Bekämpfung sei. „Wurzelechte europäische Sorten zu pflanzen ist aus diesem Grund verboten“, sagt er.

Der Omega-Schnitt sorgt dafür, dass Unterlage und Edelreis haargenau ineinander passen und verwachsen können. © Heike Barowski

Enormes Fachwissen

Im Gespräch mit Martin und Siegfried Friedrich fällt auf, dass sie ein enormes Wissen rund um die Rebe und den Wein besitzen. Zahlreiche Fachbegriffe, wie Kober 5BB, Piwi-Sorten, Kallusring und vieles mehr fallen da, von denen der normale Weintrinker noch nie etwas gehört hat. Die Friedrichs müssen sich in Chemie, Physik, Maschinenbau, Klimaerscheinungen und vor allem in Biologie gut auskennen, ein Gespür für neue Trends haben (welche Sorten gefragt sein werden) und nicht zuletzt sich mit einer von außen scheinbar enormen Bürokratie auseinandersetzen. Denn das Verfahren der Rebveredlung wird mehr als einmal von staatlichen Institutionen überprüft, um die entsprechenden Siegel erhalten zu können. „Ach, das ist alles nicht so schlimm“, winkt Martin ab, und Siegfried nickt bestätigend. Es dauert eineinhalb Jahre bis aus den zwei zusammengefügten Holzstückchen (amerikanische Unterlage und europäisches Edelreis) eine zertifizierte Rebe wird, die verkauft werden kann. Mehrere tausend solcher Pflanzen werden pro Jahr in der Rebschule hergestellt und entsprechen in ihrer Auswahl dem aktuellen Geschmack. Derzeit sind Sorten wie Burgunder, Silvaner und Piwi-Sorten wie Souvignier Gris oder Regent gefragt.

Während Siegried Friedrich die Unterlage (amerikanisches Rebenholz) begutachtet, schneidet Martin Edelreis und Unterlage passend. In der Hochsaison wird dieser Schritt von mehreren Arbeitern ausgeführt. © Heike Barowski

Inzwischen ist Mutter Ingrid dazugekommen und es wird ganz deutlich: Hier macht eine ganze Familie mit Herzblut ihren Job. „Anders geht das auch gar nicht“, meint Ingrid Friedrich. Und Siegfried ergänzt, angelehnt an ein Zitat: „Die Reben sind eben unser Leben.“

Redaktion Im Einsatz für die Lokalausgabe Wertheim

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