Wertheim. Monatelang war die Rotkreuzklinik das dominierende Thema in der Kommunalpolitik. Die Reaktionen der Fraktionen auf das endgültige Aus des Krankenhauses zeigen: Die Enttäuschung ist groß. Die FN fassen die Stellungnahmen zusammen:
Axel Wältz (CDU): „Wir sind vom Scheitern der Fachklinik nicht wirklich überrascht. Deshalb haben wir schon vor einigen Tagen fraktionsübergreifend mit den niedergelassenen Ärzten zusammengesessen und folgende konkrete Vorstellungen ins Rathaus getragen: Die Stadt übernimmt Gebäude und Inventar. Es wird in Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten eine Gesellschaft gebildet, welche die Notaufnahme betreibt. Weitere Angebote im Medizinbereich sind am Standort gemeinsam zu entwickeln, wie zum Beispiel ein Konzept für eine Portalklinik und ambulante Praxen.
Wir geben zu bedenken, dass die Liquidation wirklich der Super-GAU ist. Jetzt kommt wahrscheinlich das millionenschwere Risiko der Zusatzversorgungskasse für den städtischen Haushalt zum Tragen. Davor haben wir seit Monaten vergebens gewarnt. Zählt man nun den eventuellen Kaufpreis für das Gebäude und einen eventuellen Verlustausgleich für eine Notaufnahme dazu, dann wird es auch jetzt ohne Krankenhaus richtig teuer.
Deshalb wäre die Rekommunalisierung der bisherigen Klinik die vernünftigste Lösung gewesen. Unser Ziel bleibt eine stationäre Notaufnahme in Wertheim. Die Praxis zeigt, dass die neue Situation in der Notfallversorgung suboptimal ist. Wir haben zudem genug von den Zuständigkeitsdebatten, welche der Sache sehr geschadet haben.“
Patrick Schönig (SPD): „Seit vergangenen Herbst arbeiten wir Kommunalpolitiker an der Rettung unseres Krankenhauses. Immer aus der Position heraus, eigentlich gar nichts entscheiden zu können. Stets auf Hilfe und auf Unterstützung angewiesen. Trotzdem haben wir ein Übernahmeangebot politisch festgezurrt, künftige Belastungen für die mittelfristige Finanzplanung intensiv diskutiert, uns am Ende einstimmig geeinigt, wir wollen die Klinik gemeinsam mit anderen kommunalen Partnern übernehmen. Und dann entscheiden Generaloberin Dürr und Insolvenzverwalter Boddenberg plötzlich, dass Sie nicht mehr mit der Stadt Wertheim verhandeln möchten. Ein verbindliches Angebot der Fachklinik Oswald stand plötzlich im Mittelpunkt und sollte die Klinikrettung in völlig veränderter Form bringen. Was bleibt nun? Nichts – die Klinik wird abgewickelt. Bürgerschaft, Mitarbeiter, Kommunalpolitik frustriert, absolut verärgert – und das mehr als zurecht.
Viele Fragen bleiben offen: Warum hat das Landesgesundheitsministerium nicht ernsthaft an einer Rettung der Gesundheitsversorgung in Wertheim mitgeholfen? Warum war es Landrat Schauder stets am wichtigsten zu betonen, dass der Landkreis zum Erhalt der Klinik sicherlich nicht in die Bresche springt? Welche Rolle spielte vergangenes Verwaltungshandeln von Alt-OB Mikulicz und Alt-BM Stein? Welche Verantwortung – durch sehr zurückhaltende Zuweisungen – trägt die niedergelassene Ärzteschaft an der wirtschaftlichen Erfolglosigkeit der Klinik? Politisch aber auch gesellschaftlich ist dieses Kapitel aus unserer Sicht eines der enttäuschendsten unserer Stadtgeschichte. Der Blick nach vorne fällt schwer, ist aber nötig. Es bleibt die Hoffnung, dass es dem Oberbürgermeister und dem neuen Gemeinderat gelingt, Gesundheits- und Notfallversorgung in Wertheim auf kommunaler Basis in ganz anderer Form zu organisieren.“
Songrit Breuniger (Freie Bürger): „Mit der Entscheidung des Insolvenzverwalters Boddenberg, unser Krankenhaus zu schließen, findet ein langer zäher Kampf um den Erhalt der Klinik ein sehr trauriges, trostloses Ende. Der schwärzeste Tag in der jüngsten Wertheimer Geschichte.
Wir alle sind traurig und maßlos enttäuscht über das Handeln, beziehungsweise Nichthandeln der verantwortlichen Personen der Rot-Kreuz-Schwesternschaft, des Sozialministeriums, der Krankenkassen. Die Stadtverwaltung und der Gemeinderat haben in den letzten Wochen und Monaten alles Menschenmögliche getan, um unser Krankenhaus für unsere Bürgerschaft zu erhalten. Unzählige Stunden wurden beraten und diskutiert, die schwierige Entscheidung zur möglichen Rekommunalisierung wurde einstimmig gefällt. Leider ist das nun alles hinfällig. Wir fühlen uns machtlos und einfach im Stich gelassen von der großen Politik. Unsere Bürgerschaft und insbesondere das Personal, das sich so engagiert eingesetzt hat für den Erhalt der Klinik, ist verzweifelt. Die Schließung sehe ich als einen Affront gegen die gesamte Belegschaft, die so lange gekämpft und ihrem Haus treu gedient hat.
Die Bevölkerung wird das Ausmaß dieser Katastrophe vermutlich erst nach und nach deutlich zu spüren bekommen, wenn im Notfall die Anfahrtsdauer der Rettungskräfte länger dauert und die Wege zum nächsten Krankenhaus viel länger werden, unsere Hausärzte den zunehmenden Andrang in den Praxen nicht mehr auffangen können.
Für unsere florierende Industrie, die Wirtschaft und das Gewerbe, die händeringend nach Fachkräften suchen, bricht ein bedeutender Faktor als positiver Wirtschaftsstandort weg. Dennoch hoffen wir, dass sich kurzfristig wenigstens noch eine Lösung findet, um zumindest eine angemessene Notfallversorgung sicherzustellen und die Rettungsleitstelle entsprechend aufgerüstet wird.“
Richard Diehm (Grüne): „Die Hoffnung stirbt zuletzt, und nun ist auch die gestorben. Die Schließung ,unseres Krankenhauses’ hat, wie bereits mehrfach in den Medien zitiert, viele Ursachen. Was der Wegfall dieser strukturell wichtigen Einrichtung der Daseinsvorsorge für Wertheim bedeutet, wird uns die Zukunft zeigen. An Schuldzuweisungen fehlt es natürlich jetzt auch nicht.
Dabei sollte und muss sich jeder selbst an die eigene Nase fassen und hinterfragen, ob man alles richtig gemacht hat. Ich selbst nehme mich davon nicht aus. Für mich zeigt sich im Nachhinein, dass die Verwaltung und der Gemeinderat viel schneller eine Entscheidung bezüglich einer Rekommunalisierung hätten herbeiführen müssen, auch wenn dies die finanzielle Leistungskraft der Stadt nachhaltig beeinträchtigt hätte. Leider lässt sich das aber nicht mehr korrigieren.
Fakt ist jedoch auch, die „ZVK-Ablösezahlungen“ wird die Stadt Wertheim in Zukunft weiterhin beschäftigen. Letztlich ist es bereits seit Jahren politischer Wille, Krankenhäuser unserer Größenordnung vom „Netz“ gehen zu lassen. Dies hätte nicht ungesteuert geschehen dürfen, da nicht alle kleinen Krankenhäuser entbehrlich sind. Dies gilt besonders für den ländlichen Raum.
Dank an alle, die bis zum bitteren Ende an der Klinik gearbeitet haben, verbunden mit dem Wunsch, dass sie alle zeitnah in ein neues Beschäftigungsverhältnis eintreten.“
Stefan Kempf (Bürgerliste): „Wir sind zutiefst erschüttert und können es noch gar nicht fassen, dass Wertheim nun ohne Krankenhaus sein soll. Obwohl uns die letzten Monate von allen Seiten etwas anderes versprochen wurde, ist die Katastrophe nun perfekt.
Wir werden uns sowohl im Gemeinderat als auch im Kreistag dafür einsetzen, dass es zumindest eine funktionierende Notfallversorgung in Wertheim geben wird. Hier ist vor allem der Landrat in der Pflicht und kann sich nun nicht wieder mit leeren Worthülsen herausreden.“
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