Kleinkunst

„Hoffentlich dauert das nicht bis halb elf“

Martin Zingsheim gastierte im Wertheimer Convenartis-Gewölbekeller. „Selten so durchgängig gelacht“, meinte eine Besucherin.

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Carsten Klomp
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Martin Zingsheim bei seinem Gastspiel im Wertheimer Convenartis-Gewölbekeller. © Klomp

Wertheim. „Das ist eigentlich mein persönliches Highlight“. Mit diesen Worten begrüßte Convenartis-Vorsitzende Bernadette Ladka am Samstagabend die Besucher im Gewölbekeller. Und dem dürfte das am Tag nach der überaus erfolgreichen Wertheimer Kulturnacht leider nicht allzu zahlreich erschienene Publikum vermutlich zustimmen. Eine der ganz regelmäßigen Keller-Besucherinnen jedenfalls sagte beim Abschied, sie könne sich an kaum einen Kabarett-Abend erinnern, an dem sie so durchgängig gelacht habe.

In der Tat stellte der nicht zuletzt regelmäßig im Deutschlandfunk vertretene Martin Zingsheim ein Programm vor, dass sein Publikum von Anfang an bestens unterhält. Wobei Zingsheim nicht einfach witzige Comedy macht, auch wenn das Programm gelegentlich kurze Ausflüge in diese Richtung unternimmt. Vielmehr parliert er geistreich vor sich hin und nimmt sich selbst und sein kulturbeflissenes Publikum von Anfang an auf die Schippe.

Kultur sei ja wie Händewaschen. Sie koste Zeit und mache Mühe, aber als Publikum fühle man ja auch den gesellschaftlichen Erwartungsdruck, auch wenn man eigentlich denke: „Hoffentlich dauert das jetzt nicht bis halb elf…“.

Zingsheim philosophiert munter drauflos, berichtet von seinen mehr oder weniger erfolglosen Erziehungsversuchen als vierfacher Vater, der aber immerhin bei „dm“ einen Kunden-Sonderstatus habe. Er berichtet von selbsternannten Experten, die ihr Expertentum bei Interviews stets durch eine volle Bücherwand im Rücken – bei Fernsehleuten „Kompetenztapete“ genannt – untermauern. Er wundert sich, dass die Klugen oft so verzagt, die Dummen hingegen so sicher seien und amüsiert sich darüber, dass der Mensch als überflüssiges Wesen seinen irgendwo im All herumeiernden belanglosen Planeten selbst zerstört.

„Irgendwas mach‘ ich falsch“, ist Zingsheims Programm übertitelt und gelegentlich taucht dieser Satz wie ein Refrain an dem Abend auf. Meist nachdem Zingsheim von irgendwelchem Unsinn oder von Missgeschicken erzählt, die ihm widerfahren seien. Dabei sind die Texte, auch und gerade die gesungenen, voller sprachlichem Witz, der manchmal (Mann über Bord, Frau überglücklich) ins slapstickhafte abgleitet, aber nie dümmlich daherkommt.

So fordert er zum Beispiel, es müsse endlich mal sportliche Wettbewerbe für Durchschnittsmenschen geben, wie Diskus-Wegwerfen, Stabtiefsprung oder Blessurreiten. Hin und wieder blitzen auch politische Sottisen auf, etwa wenn er Philipp Amthor als „Kommunionkind auf Koks“ beschreibt oder darüber spricht, wie sich der reichste Mann der Welt per Video mit der unsympathischsten Frau des Universum unterhalten habe.

Wie bei einem guten Konzertprogramm, tauchen auch bei Zingsheim die virtuosen Highlights am Ende des Abends auf, wenn er in einer schier unglaublichen Wortkaskade nahezu sämtlichen negativen Begriffe der deutschen Sprache in einen Endlos-Satz packt und vorschlägt, diese durch ein Pups-Geräusch zu ersetzen – was er auch gleich an Beispielen demonstriert.

In einer äußerst witzigen Zugabe spielt er einen Allergie-geplagten Countertenor, dessen Vortrag des berühmten John-Dowland-Madrigals „Come again“ unter zunehmendem Nasen-Verschluss leidet.

Bernadette Ladka hatte nicht zu viel versprochen...

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