Archivverbund Main-Tauber

Fotosammlung Wehnert: Einige Rätsel dank FN-Lesern gelöst

Mit dem Wissen vieler Bildern ihr Geheimnis entlocken – das Ziel von Archivleiterin Monika Schaupp. Seit Juni veröffentlichen die FN Fotos aus der Sammlung des Fotografen Wehnert. Ergebnisse zeigen, dass der Plan aufgeht.

Von 
Katharina Buchholz
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Archivleiterin Monika Schaupp und ihre Mitarbeiterin Bettina Winkler betrachten im Magazin des Archivverbunds Main-Tauber eine der Glasplatten der Fotosammlung Wehnert. Das Negativ zeigt die Burg Wertheim. Dass die Archivare die Platten aus ihren Kästen nehmen, passiert eher selten. Die Bilder liegen in digitalisierter Form vor. © Buchholz

Wertheim. Auf der schwarz-weiß Fotografie ist ein leeres Geschäft zu sehen. Die Wände des Verkaufsraums sind bis in halber Höhe gefliest. Neben der Eingangstür beginnt der Tresen, der ebenfalls mit Kacheln verkleidet ist. Dahinter sind entlang der Wand drei Wasserbecken eingebaut. Zwei Schilder geben Aufschluss darüber, was es hier zu kaufen gab: Seefische und Flussfische lebend.

„Wer kennt diesen Laden?“, fragten die Beschäftigten des Archivverbunds die Leser der Fränkischen Nachrichten. Die Antworten zeigten: Es ist die heutige Creativ-Werkstatt in der Maingasse 15. Der Vater des Inhabers Gerd Dornwald kaufte das Gebäude mit dem ehemaligen Fischgeschäft „Herz“ in den 60er Jahren. © © STAWT-S N 70 G 3903 / Barowski

Jahrzehntelang schlummerte das Negativ dieser Aufnahme als Glasplatte in der Sammlung des Wertheimer Fotografen Hans Wehnert. Der umfangreiche Nachlass lagert heute in den Regalen des Archivverbunds Main-Tauber im Kloster Bronnbach. Die Archivmitarbeiterinnen um Leiterin Monika Schaupp arbeiten daran, den Bilderschatz der Wertheimer Fotografenfamilie zu heben.

Dazu gehört nicht nur, die Bilder zu katalogisieren, zu digitalisieren und Positive zu entwickeln, sondern auch Nachforschungen darüber anzustellen, was die Aufnahmen überhaupt zeigen. Denn welche Orte, Personen oder Gebäude dort über drei Generationen fotografiert wurden, ist längst nicht in jedem Fall bekannt. Mit den Jahren ging Wissen verloren. „Wenn ich nicht weiß, was auf den Bildern abgebildet ist, sind sie nett zwar anzusehen, aber man ist auch schnell fertig damit. In dem Moment, in dem ich mehr Informationen zur Aufnahme erhalte, gewinnt sie über den Hintergrund an Bedeutung – auch für die Identifikation der Bevölkerung mit ihrer Stadt“, erklärt Schaupp.

Um mehr über die Fotografien zu erfahren, entschieden sich die Verantwortlichen des Archivverbunds Main-Tauber, den Weg in die Öffentlichkeit zu gehen. Bei einem Workshop mit dem Historischen Verein forschten im März interessierte Bürger über einzelne Bilder nach: Sie schlugen in Büchern nach und trugen eigene Erinnerungen zusammen.

Seit Juni nutzen die Archivare das Schwarmwissen der Zeitungsleser. Insgesamt zehn Bilder – darunter auch das eingangs beschriebene – wurden in den Zeitungen der Stadt abgedruckt und auch im FNweb veröffentlicht. Von dort ausgehend verteilen sich die Bilder über verschiedene Gruppen auch in sozialen Medien, wo stets ausführlich über den Hintergrund der Fotos diskutiert wird.

„Wir sind mit der Resonanz absolut zufrieden. Bei den ersten Veröffentlichungen waren die Rückmeldungen noch etwas verhalten. Vor allem mit den letzten fünf Bildern stieg die Resonanz“, zieht Archivmitarbeiterin Bettina Winkler Bilanz. Sie nimmt die Anrufe derer entgegen, die glauben, Informationen zu den publizierten Bildern beitragen zu können.

Anrufe machen Spaß

Teilweise klingelte Winklers Telefon in Folge einer Veröffentlichung bereits, bevor sie das Bild selbst in der Ausgabe entdeckt hatte. „Die Anrufe machen Spaß. Gerade bei dem Bild, das – wie sich herausstellte – die Luisenhalle zeigt, stand mein Telefon gar nicht mehr still“, berichtet sie. Allein sieben Leser der Fränkischen Nachrichten meldeten sich, dazu kamen weitere Anrufer. „Sie haben viele Geschichten aus dem Schulsport erzählt. An der Decke der Halle gab es eine Vorrichtung, in die man Taue einhängen konnte und diese dann als eine Art Karussell benutzen konnte“, gibt Winkler eine oft genannte Tatsache wieder.

Wo befand sich dieser Saal – oder gibt es ihn vielleicht heute noch? Hinweise zu dieser Aufnahme aus der Fotosammlung Wehnert erhofften sich die Beschäftigten des Archivs in Bronnbach. Heute ist sicher: Es handelt sich um den ehemaligen Luisensaal. © StAWt-S N 70 G 3779

„Andere Anrufer konnten sich daran erinnern, dass der Sportlehrer keinen Führerschein hatte und sich deshalb immer von älteren Schülern chauffieren ließ. Ein Herr erzählte, dass er selbst nicht gut an den Tauen klettern konnte, die Flüchtlingskinder jedoch sehr geschickte Kletterer gewesen seien“, nennt Winkler weitere Beispiele. Die Archivmitarbeiterin dokumentiert die Informationen und Hinweise, die sie als relevant bewertet und sichert das Wissen der Zeitzeugen für die Nachwelt. Nach und nach sammelt Winkler zu jedem Bild Indizien, die es im Optimalfall irgendwann erlauben, festzustellen: Das ist es. „Wenn wir einen Tipp haben, können wir mit anderen Bildern vergleichen oder in der Literatur recherchieren. Ohne Hinweis ist die Suche ein Fass ohne Boden“, betont Winkler die Bedeutung, die jede kleine Idee für das Lösen des Rätsels um eines der Bilder haben kann. Einem einzigen Tipp ist es zu verdanken, dass man mittlerweile weiß, dass das Bild eines Hauses mit sehr markantem Eisentor nicht wie von vielen zunächst verortet in Wertheim, sondern bis heute in Wenkheim steht. „Als die Vermutung kam, dass es ein Haus in Wenkheim sein könnte, haben wir jemanden gezielt angesprochen, der sofort sagen konnte: Natürlich, das ist dort“, beschreibt Schaupp. Ein aktuelles Foto machte den Beweis wasserdicht. Deshalb: „Wenn die Leute nicht ganz sicher sind oder auch nur eine Vermutung haben, sollten sie sich gerne melden. Wenn dann mehrere das Gleiche vermuten, wird der Hinweis immer konkreter“, ermutigt Winkler zum Griff zum Telefon.

Dort, wo früher ein eingezäunter Hof mit Bepflanzung war, ist heute ein Parkplatz: Das gesuchte Bild ist die Rückseite des Hauses 49 in der Eichelgasse. Früher war dort die Volksbank untergebracht. © © STAWT-S N 70 G 3903 / Heike Barowski

Früher Aal und heute Seife

Gerd Dornwald ist einer, der nicht selbst bei den Mitarbeitern des Archivs angerufen hat, jedoch von einem anderen angesprochen wurde, der sich schließlich beim Archiv meldete. Dornwald und seine Frau sind Inhaber der „Creativ-Werkstatt“ in der Maingasse. Im Erdgeschoss des Gebäudes mit der Nummer 15 werden heute Milch- und Pflanzenölseifen, Pflegeprodukte und Geschenkartikel verkauft. Früher gab es dort Fisch – es ist der gekachelte Laden auf dem Bild aus der Wehnert Sammlung.

© Barowski

„Mein Vater hat das Haus Anfang der 60er Jahre von den Erben von Fisch-Herz gekauft“, erinnert sich Dornwald, der damals noch ein kleiner Junge war. Der Kauf bot sich an, denn das Lebensmittelgeschäft der Familie in Haus 17 (heute: Flo7) schloss sich direkt an. Das Fischgeschäft war zu diesem Zeitpunkt schon aufgeben worden. „Ich selbst war ein Mal in dem Laden. Im hinteren Raum stand ein beeindruckend großes Sandsteinbecken, in dem die Fische gereinigt und abgeschuppt wurden“, erzählt Dornwald. Seine Eltern seien keine Kunden bei Fisch-Herz gewesen, denn für frisch gefangenen Fisch sorgte stets der Großvater. Aber das ist eine andere Geschichte.

© Barowski

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