Der erste Tag des Gerichtsverfahrens gegen einen jungen Mann wegen fahrlässiger Tötung stand ganz im Zeichen der Beweisaufnahme und einer Einlassung durch den Angeklagten.
Wertheim. Schon lange vor Beginn der Verhandlung bildete sich vor dem Amtsgericht eine Warteschlange. Viele Menschen wollten der Gerichtsverhandlung beiwohnen, mussten jedoch erst durch eine Sicherheitskontrolle.
"Ich glaube, wir haben hier heute ein deutliches Raumproblem. Aber so lange Ruhe und Ordnung herrscht, kann es so bleiben", ermahnte die Vorsitzende Richterin Ursula Hammer gleich zu Beginn das zahlreiche Publikum, das bis auf den Gang hinaus dicht gedrängt stand.
Die Staatsanwaltschaft wirft in ihrer Anklage dem 25-jährigen Fahrer eines Audi RS 4 Avant fahrlässige Tötung vor. Der Unfall ereignete sich am Abend des 9. November letzten Jahres auf der Vockenroter Steige, in Höhe des Abzweigs zum Reinhardshof. Der Angeklagte habe die Rechtsabbiegerspur genutzt, um einen vor ihm fahrenden Pkw mit überhöhter Geschwindigkeit bei strömenden Regen rechts zu überholen. Als der überholte Pkw ebenfalls auf die Rechtsabbiegerspur wechselte, zog der Audifahrer unmittelbar vor dem Kreuzungsbereich, ohne Blinker zu setzen, wieder auf die Geradeausspur.
Der Unfall
Ein junger Mann, der mit seinem Golf aus Richtung Reinhardshof kam und links abbiegen wollte, habe die Situation so eingeschätzt, dass der Angeklagte abbiegen wollte und fuhr auf die Hauptstraße. Im Kreuzungsbereich stießen beide Autos zusammen. Der Golffahrer wurde durch den Aufprall tödlich verletzt.
"Der Angeklagte wird hier und heute die Verantwortung übernehmen", räumte der Rechtsanwalt gleich zu Beginn der Verhandlung ein. Er gab zu bedenken, dass sein Mandant auch nur ein Mensch sei und ein Recht auf ein faires Verfahren habe. Auch habe sein Mandant die Problematik erkannt und habe an therapeutischen Maßnahmen teilgenommen.
Der 25-jährige Angeklagte ist Inhaber einer Heizungsbaufirma und hat Privatinsolvenz angemeldet. Während der Verhandlung wirkte der gut gekleidete Angeklagte sehr angespannt. Die meiste Zeit saß er mit gesenktem Blick und zusammengekniffenen Lippen da. "Es tut mir von ganzem Herzen leid. Ich muss mit den Konsequenzen leben. Ich habe an einer Therapie teilgenommen, damit so etwas in Zukunft nicht mehr passiert. Zu den Taten werde ich stehen. Ich kann mich dafür nur entschuldigen. Mein tiefstes Beileid an die Angehörigen", sagte der Angeklagte und wagte dabei einen Blick Richtung Eltern des Toten. Die Eltern treten in diesem Verfahren als Nebenkläger auf. Während die Mutter des Getöteten ihre Tränen oft nicht zurückhalten konnte, suchte der Vater kaum Blickkontakt.
Nicht das erste Mal
Durch Nachfrage des Vertreters der Nebenkläger trat im Laufe der Verhandlung zutage, dass der Angeklagte erst fünf Tage vor dem Unfall in Wertheim auf der Autobahn bei strömenenden Regen durch nicht-angepasste Geschwindigkeit einen Unfall verursacht hatte und sein Porsche dabei Totalschaden erlitt. Im Verkehrsregister hat der Angeklagte seit 2014 fünf Einträge, vier davon wegen überhöhter Geschwindigkeit, einen wegen Handybenutzung am Steuer. Sehr akribisch wurden vor allem vom Rechtsanwalt des Angeklagten die Zeugen befragt, darunter das Ehepaar, welches in dem Auto fuhr, dass vom Angeklagten überholt wurde. Während die Beifahrerin kaum Aussagen zum Unfallhergang machte, konnte ihr Mann sich durchaus an Einzelheiten, wie einen hochdrehenden Motor erinnern. "Da hat´s aber einer eilig" und "Das langt nicht mehr", soll er seiner Frau unmittelbar vor dem Zusammenstoß zugerufen haben. "Dann hat es auch schon geknallt und der Golf ist geflogen", berichtete der Zeuge. Weil der Getötete trotz bestehender Wartepflicht auf die Vockenroter Steige eingebogen war, schob der Zeuge nach: "Ich wäre auch raus gefahren, weil wir beide ja auf der Rechtsabbiegerspur waren." Sowohl der Polizist, der als erster vor Ort war, als auch der Polizeibeamte, der die Zeugenaussage des Ehepaares aufgenommen hatte, wurden während der Beweisaufnahme zum Unfallhergang befragt. Er habe sehr unruhig gewirkt, wollte unbedingt rauchen und erzählte, dass er erst fünf Tage zuvor seinen Porsche kaputt gefahren habe - mit diesen Worten schilderte der Beamte das Verhalten des Angeklagten am Unfallort.
Kokain im Spiel
Aufgrund einer Blutanalyse stellte sich im Laufe des Verfahrens heraus, dass der Angeklagte Kokain konsumiert hatte. Die dazu geladene sachverständige Rechtsmedizinerin konnte sich jedoch nicht festlegen, wann die Einnahme erfolgt war. Auf mehrfache Nachfrage durch den Anwalt gab sie deutlich zu bedenken, dass die Fahrweise und das fahrige Auftreten des Angeklagten zum Bild eines Drogenkonsums passen. "Sein Verhalten kann aus meiner Sicht einer akuten Kokainwirkung zuzuschreiben sein", betonte die Sachverständige. Zu diesem Sachverhalt machte der Angeklagte bisher keine Aussagen.
Neben Fotos vom Unfallort wurde auch ein Video angesehen, dass der Polizei anonym zugeschickt wurde. Darauf ist eine Fahrt auf einer Autobahn aus Sicht des Fahrers zu sehen. Wo der Film genau herkommt und wen er zeigt, konnte bisher nicht geklärt werden, soll aber Gegenstand des nächsten Verhandlungstages sein.
Bevor sich alle beteiligten Parteien zum Vororttermin in Richtung Reinhardshof begaben, stellte der Vertreter der Nebenkläger einen Antrag auf Vernehmung eines Fahrschullehrers. Dieser sei angeblich mehrfach Zeuge des verkehrswidrigen Fahrverhaltens des Angeklagten gewesen. Vor Ort schritten dann Richterin, Staatsanwaltschaft, Anwalt, Nebenkläger und Angeklagter die Unfallstelle ab.
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