"Bronnbacher Archivalien" - Eine entdeckte Akte belegt überraschende Details aus dem Leben von Johann Adam Hasenstab

"Erzwilddieb" könnte verheiratet gewesen sein

Von 
Dr. Robert Meier
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Ein Kreuz erinnert im Kropfbachtal bei Schollbrunn an den "Erzwilddieb" Johann Adam Hasenstab.

© FN-Archiv

Bronnbach. Der bekannteste Wilderer der hiesigen Region, "Erzwilddieb" Johann Adam Hasenstab (1716 bis 1773), gilt auch als Robin Hood des Spessarts. Eine im Staatsarchiv Bronnbach entdeckte Akte zeigt nun überraschende Details aus seinem Leben: Hasenstab könnte verheiratet gewesen sein, ordentlich (wenn auch vermutlich heimlich) getraut vom Haslocher Pfarrer. Und das von Hasenstab gewilderte Fleisch wurde nicht nur bis nach Frankfurt geliefert, sondern auch im Wertheimer "Ochsen" serviert. Doch der Reihe nach.

Wie aus den "Bronnbacher Archivalien" hervorgeht: Im Sommer des Jahres 1750 erreichten Berichte die Regierung der Grafschaft Wertheim, Hasenstab halte sich in Hasloch auf. Sogar einen Schlupfwinkel in der Stadt Wertheim sollte er haben.

30 Taler Strafe

Der Erzbischof von Mainz, in dessen Wäldern im Spessart Hasenstab als Wilderer besonders arg gehaust hatte, verlangte Festnahme und Auslieferung. Die Regierung erließ eine Verordnung, die jeden mit 30 Talern Strafe bedrohte, der dem Hasenstab Unterkunft gewährte.

Hasloch passte als Aufenthaltsort für den Wilderer. Denn hinter der Ortschaft lag die Grenze der Grafschaft Wertheim zum Kurmainzer Territorium. Nicht weit nördlich begann das Gebiet des Würzburger Hochstifts.

Hasenstab schlug sich durch, indem er vor seinen Verfolgern ins andere Territorium wechselte. Dafür brauchte er Unterstützer in den Dörfern, besonders, weil er in diesen Jahren mit Frau und Kind unterwegs war. Dies zeigte sich nämlich im nächsten Jahr: Im Januar 1751 wurde erneut die Anwesenheit Hasenstabs in Hasloch gemeldet.

Frau und krankes Kind

Wertheim schickte Militär. Als es ankam, war der Wilderer schon weg. Seine Frau mit einem kranken Kind war aber noch da. Sie wurde festgenommen. Wo ihr Mann ist, wusste Frau Hasenstab nicht zu sagen. "Und wenn man sie henkte, so könnte sie nicht anderst sagen", meinte sie. Sie wohnte bereits seit einigen Wochen mit ihrem kranken Kind bei der Witwe Agnes Jost in Hasloch.

Auch der Haslocher Wirt wurde verhört. Er berichtete, dass Hasenstab vielleicht vier bis fünf Mal bei ihm war, wobei ihm Wein von der Jost und aus dem Pfarrhaus gebracht wurde. Am Vortag hatte Hasenstab erst mit der Jost gezankt und sich dann im Wirtshaus einen angesoffen. Auf das Beherbergungsverbot hingewiesen antwortete der Wirt, Hasenstab habe ihm keine Unterschrift gegeben und jedermann in Hasloch habe seinen Aufenthaltsort gekannt. Der Pfarrer selbst habe seinen Schwager überreden wollen, den Wilderer aufzunehmen.

Hier fällt zum ersten Mal der Name des Haslocher Pfarrers. Offenbar kümmerte sich Pfarrer Striffler um Hasenstab und seine Familie. Im Gegenzug soll er von ihm Fleisch und Felle erhalten haben. Die Wertheimer Regierung ordnete eine Untersuchung gegen den Pfarrer an.

In der Akte findet sich nun sogar ein Schreiben des Erzwilderers an den Forstmeister Müller, leider nur in Kopie. Hasenstab verlangte, seine Frau freizulassen: "Ich rate ihm, er wolle sie gleich von dem Arrest los lassen ohne Kreuzer und Heller, wo nit, so soll er seinem Unglück nicht entgehen können, weilen ich nun sehe, daß er mein abgesagter Feind ist, so werde ich mich Tag und Nacht darauf versehen und werde ihn Knall und Fall tot schießen . . ." Die Strafe gegen Witwe Jost sei eine Schande, weil sie ein krankes Kind aufgenommen hat, "und wann es ein Türk oder Heid wäre gewesen so hätte man ihn aufgenommen, warum ein Christ den andern nicht . . ." Den Drohbrief hätte es wohl nicht gebraucht. Hasenstabs Frau wurde bald freigelassen unter der Auflage, die Grafschaft Wertheim nicht mehr zu betreten.

Untersuchungen gegen Pfarrer

Die Untersuchung gegen den Haslocher Pfarrer Striffler zog sich dagegen bis ins folgende Jahr. Ihm wurde nicht nur vorgeworfen, für Hasenstabs Unterkunft gesorgt und von ihm Fleisch und Felle bekommen zu haben. Er sollte auch sein Kind getauft und Hasenstab und seine Frau heimlich verheiratet haben. Bei den Untersuchungen kam zudem heraus, dass er Hasenstabs Wildbret an den Wertheimer Ochsenwirt verkauft hatte.

Der Pfarrer bestritt jegliche Zusammenarbeit mit dem Wilderer. Dabei hatte er bei der Witwe Jost sogar ein Bett für Frau und Kind abgegeben. Striffler meinte aber, das Bett habe ohnehin der Jost gehört. Er hatte es also nur zurückgegeben, und das zeitliche Zusammentreffen mit dem Aufenthalt der Hasenstab sei reiner Zufall.

Wirklich glaubwürdig klingt das allerdings nicht. Die im Pfarrhaus gefundenen Reh- und Hasenfelle sprachen auch eine andere Sprache. Der Gedanke liegt nahe, dass Pfarrer Striffler sein schmales Einkommen durch Zusammenarbeit mit dem Wilderer aufgebessert hat.

Die Obrigkeit mit ihren Musketieren in Wertheim war im Normalfall weit weg. Von einer Verurteilung des Pfarrers berichten die Akten schließlich nichts.

Hasenstab dagegen wurde wohl bald nach diesen Ereignissen festgesetzt. Allerdings nicht von der Wertheimer Regierung, sondern von der Mainzer. Vom weiteren Schicksal von Frau und Kind ist nichts bekannt.

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