Wertheim. Zähneknirschend akzeptiert der Nabu den Kompromiss zum Reinhardshof. Ekkehardt Ebert kündigt Widerstand an, sollte das Naturschutzgebiet nicht komplett umgesetzt werden.
Wertheim. Der Gemeinderat beschloss am Montag mit großer Mehrheit, das Gewerbegebiet auf dem Reinhardshof zu erweitern. Gleichzeitig wird eine Fläche von 20 Hektar für den Naturschutz vorgesehen (wir berichteten). Grundlage für die Entscheidung war der Kompromiss, den ein Runder Tisch nach langwieriger Prüfung gefunden hatte. Vorangegangen war ein jahrelanger Konflikt um das Gelände. Naturschützer sehen seltene und bedrohte Tierarten gefährdet.
Es kam bei den Auseinandersetzungen zu Strafanzeigen und Gerichtsverhandlungen. Die Fränkischen Nachrichten sprachen mit Ekkehardt Ebert von der Wertheimer Ortsgruppe des Naturschutzbundes (Nabu) über den Kompromiss und dessen Haltbarkeit.
Herr Ebert, ist der Nabu zufrieden mit der Entscheidung des Gemeinderats?
Ekkehardt Ebert: Ich sag mal Jein.
Das müssen Sie erläutern.
Ebert: Beim Runden Tisch haben wir sehr viele Zugeständnisse gemacht. Man muss geben und nehmen – das war uns klar. 20 Hektar sind nun für den Naturschutz vorgesehen. Ein guter erster Schritt. In den jetzt zurückgestellten Flächen leben aber seltene oder vom Aussterben bedrohte Tierarten. Zum Beispiel der Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling oder der Große Feuerfalter, beides Schmetterlinge. Es gibt den Wachtelkönig, ein ganz seltener Vogel, und auch Grauammerpaare.
Wie werden Sie vorgehen?
Ebert: Wenn die zurückgestellten Gebiete irgendwann doch für die Bebauung vorgesehen werden, gehen wir juristisch dagegen vor. Wir werden Einsprüche gegen Bauvorhaben einlegen. Bis dahin halten wir die Füße still. Wir halten unser Wort. Wir haben am Runden Tisch klar gesagt, dass wir auch dort dauerhaft Naturschutz garantieren wollen. Der Gemeinderatsbeschluss gibt das aber nicht her.
Welches Druckmittel haben Sie denn, um Ihr Ziel zu erreichen?
Ebert: Es gibt an anderen Stellen auf der Wertheimer Gemarkung Vorhaben, die möglicherweise den Naturschutzbestimmungen zuwiderlaufen. An vielen Orten in der Main-Tauber-Stadt leben seltene Tierarten, die wir nachweisen könnten. Aber bisher haben wir uns zurückgehalten, weil auf dem Reinhardshof in den letzten Jahrzehnten der wertvollste Naturraum entstanden ist. Den wollen wir auf jeden Fall bewahren. Wir geben hier keinen Millimeter nach.
Gilt das auch für den Almosenberg in Bettingen? Das dortige Industriegebiet soll ebenfalls erweitert werden.
Ebert: Sie bekommen von mir darauf keine eindeutige Antwort. Es handelt sich um landwirtschaftlich genutzte Flächen. Hier kann sich die Natur kaum entfalten. Aber wir haben dort noch keine Untersuchungen gemacht.
Das klingt wie eine Drohung.
Ebert: Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez hat am Montag sinngemäß gesagt: „Entweder Ihr nehmt den Kompromiss an, oder wir verfolgen die alten Pläne weiter.“ War das nicht auch eine Drohung?
Als Beobachter könnte man den Eindruck gewinnen, dass der Nabu-Ortsgruppe – salopp formuliert – ein Käfer wichtiger ist als die vielen Arbeitsplätze, die entstehen könnten, die weitere wirtschaftliche Entwicklung der Stadt, ohne die der städtische Haushalt und damit die vielen Aufgaben gar nicht finanzierbar wären.
Ebert: Man muss hier schon genauer hinschauen. Klar, benötigen wir die Arbeitsplätze. Ich habe ja selbst jahrzehntelang bei einem Wertheimer Industrieunternehmen gearbeitet. Was allerdings nicht notwendig ist: Industrie im Hinterland. Ein weiteres Problem bei dem Gewerbegebiet auf dem Reinhardshof ist die Verkehrsanbindung. Die ist sehr ungünstig. Da fährt Schwerlastverkehr den Berg hinauf. Das bringt eine Belastung für die Bevölkerung. Wir wissen, dass es die Leute nervt.
Auf der anderen Seite haben die Menschen dort, auch die Bewohner der Ortschaften auf der Höhe, einen relativ kurzen Weg zur Arbeit, wenn sie hier Beschäftigung finden.
Ebert: Das von uns geforderte, zusammenhängende Naturschutzgebiet würde jedenfalls dafür sorgen, dass am Krankenhaus und in den angrenzenden Wohngebieten keine weitere Verkehrsbelastung droht.
Schauen wir in die Zukunft: Wie sieht nach Ihrer Prognose in zehn Jahren das Verhältnis zwischen Naturschutz und Wirtschaft in Wertheim aus?
Ebert: In zehn Jahren werden wahrscheinlich die jetzt für das Gewerbe vorgesehenen Flächen bebaut sein. Ich hoffe, dass die Wertheimer Stadtverwaltung bis dahin das ins Auge gefasste Areal am südlichen Rand Richtung Vockenrot realisiert und auch an anderen Orten auf Wertheimer Gemarkung geeignete Flächen für die Wirtschaft gefunden hat. Wichtig ist auch die Nutzung von leerstehenden Gebäuden am alten Industriestandort in Bestenheid. Zur Vermeidung von Bodenverbrauch sollte man sich auch verstärkt über mehrgeschossige Bebauung Gedanken machen.
Man kann aber zusammenfassend sagen, dass zwischen dem Nabu und der Stadtverwaltung Waffenstillstand herrscht?
Ebert: Ja, aber mit geladener Waffe. Ich habe dem Oberbürgermeister auch gesagt, dass ich momentan wieder durchlade.
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