Hofgarten. "Diese Thematik ist in Deutschland noch nie gezeigt worden." Entsprechend stolz sind Museumsdirektor Dr. Jörg Paczkowski und seine Mitarbeiterin Dr. Constanze Neuendorf-Müller auf die Premiere im Wertheimer Hofgartenschlösschen. In dem Museum sind bald unter dem Titel "Sie sind keine Randnotiz!" rund 60 Werke von Käthe Kollwitz und deren Kolleginnen in der Berliner Secession (1898 bis 1913) zu bewundern. Genau wie die Aufnahme von Frauen in eine Künstlervereinigung damals etwas Außergewöhnliches war, ist die vom 6. September bis zum 4. November dauernde Ausstellung heute in der Kunstszene etwas Besonderes.
Konzipiert wurde die Schau von Kuratorin Professor Dr. Ulrike Wolff-Thomsen. Die Kunsthistorikerin hat sich in zahlreichen Arbeiten mit verschiedenen Künstlerinnen um 1900 intensiv beschäftigt. Im Hofgartenschlösschen referierte sie im vergangenen Jahr über die Malerin Maria Slavona. Der Vortrag sei sehr gut angekommen und unterhaltsam gewesen, so die Museums-Verantwortlichen.
Frauen hatten es in der Gesellschaft des 19./20. Jahrhunderts nicht leicht. Das galt auch für Malerinnen. Der Zugang zu den Kunstakademien wurde ihnen meist verwehrt. Bei der Berliner Secession war das anders. Diese Künstlervereinigung, die auch als Keimzelle der Moderne gilt, ließ als Erste Frauen als gleichberechtigte Mitglieder in ihren Reihen zu - wenn deren künstlerische Arbeit ihren Ansprüchen entsprach.
"In uns war schon immer das Thema mit den Frauen", betonte Paczkowski im Gespräch mit den FN. Und als vor etwa vier Jahren in der Schirn Kunsthalle Frankfurt Werke von französischen Impressionistinnen gezeigt wurden, "haben wir uns gesagt: Das können wir auch, bezogen auf die Berliner Secession."
Die Basis für die Ausstellung bildet die im Hofgartenschlösschen "beheimatete" Sammlung der Stiftung Wolfgang Schuller. Zu dieser gehören Werke von drei Künstlerinnen der Berliner Secession: Maria Slawona, Dora Hitz und Sabine Lepsius. Die beiden Letztgenannten gehörten neben Julie Wolfthorn und Ernestine Schultze-Naumburg zu den ersten weiblichen Mitgliedern der Künstlervereinigung. Später kamen noch weitere dazu: Clara Siewert, Maria Slavona, Hedwig Weiß, Charlotte Berend-Corinth und Käthe Kollwitz.
"Die Aufnahme in die Berliner Secession war der Durchbruch der malenden Frauen", hob Dr. Paczkowski hervor. Das belegten auch die Nachforschungen von Dr. Ulrike Wolff-Thomsen. So habe diese herausgefunden, dass zwischen 1899 und 1913 insgesamt 95 Künstlerinnen ihre Arbeiten bei Ausstellungen der Berliner Secession zeigen durften. Das verdeutliche die damals liberale Einstellung der Secession-Mitglieder. Denn die "Künstlerinnen wurden aufgrund der Qualität ihrer Kunst aufgenommen und nicht wegen ihres Namens oder Geschlechts." Charlotte Berend-Corinth und Käthe Kollwitz saßen sogar zeitweise im Vorstand und in der Jury der Vereinigung.
Dass es den Secession-Vertretern in erster Linie um die künstlerische Arbeit und nicht um den dahinter stehenden Künstler gegangen sei, verdeutlichte der Museumsdirektor an dem Künstler Max Liebermann. Dieser sagte einmal: "Das Talent ist ausschlaggebend." Selbst aus gut situierten, bourgeoisen Verhältnissen stammend, sorgte der Präsident der Berliner Secession dafür, dass die sozialkritische Käthe Kollwitz als Frau Mitglied der Preußischen Akademie der Künste wurde. Gerne hätte er es auch gesehen, wenn Kollwitz bei der "Großen Berliner Kunstausstellung" mit einer Medaille ausgezeichnet worden wäre. Das wurde aber von Kaiser Wilhelm II. abgelehnt. Denn, so Paczkowski: "Der war enorm sauer auf Käthe Kollwitz" wegen derem sozialkritischen Grafik-Zyklus zu Gerhart Hauptmanns "Webern".
Der Großteil der nun im Schlösschen gezeigten Bilder war bei verschiedenen der damals jährlichen Ausstellungen der Berliner Secession zu sehen - und nach Überzeugung von Paczkowski "auch schon unter den damaligen Künstlern Thema". Zwar gebe es bei den Motiven einige Übereinstimmungen, ergänzte Dr. Constanze Müller-Neuendorf. Die Arbeiten seien aber sehr individuell, und es sei keine geschlechtsspezifische Malweise zu erkennen.
Auf vielfältige Weise beschäftigten sich die Künstlerinnen auch mit dem Sujet "Mensch". Ein herausragendes Beispiel dafür ist das von Charlotte Berend-Corinth geschaffene Bild einer Frau, die in den Geburtswehen liegt. Dr. Neuendorf-Müller: "Es war damals nicht selbstverständlich, das in dieser Intensität beziehungsweise solch eine Situation überhaupt zu zeigen."
Großes Interesse
Die besondere Bedeutung der neuen Sonderausstellung im Hofgarten lässt sich auch am überregionalen Interesse an der Schau in der Kunstszene ablesen: Paczkowski: "Selbst die Berliner Museen sind froh, dass sich mal jemand um das Thema kümmert."
Entsprechend toll sei auch die Resonanz bei renommierten Museen wie etwa dem Lentos Kunstmuseum Linz, Städel Museum Frankfurt, Kupferstichkabinett und Stadtmuseum Berlin sowie bei Privatsammlern im In- und Ausland, die Leihgaben zur Verfügung stellen: Der Museumsleiter "Wir haben noch nie mit so großen Häusern zusammengearbeitet."
Froh sind er und Dr. Neuendorf-Müller, dass die von diesen gestellten strengen Ansprüche hinsichtlich der klimatischen Raumbedingungen im Schlösschen erfüllt werden. Schließlich seien viele Bilder sehr empfindlich. Der Museumsleiter: "Wertheim kann stolz sein auf das Niveau, das wir im Schlösschen zusätzlich bieten können."
Das soll auch so bleiben. Deshalb heißt die Devise von Dr. Jörg Paczkowski und Dr. Constanze Neuendorf-Müller: "Fortsetzung folgt!" So sollen in den nächsten Jahren Ausstellungen mit einer Auswahl von Werken der weiteren bei Präsentationen der Berliner Secession vertretenen Künstlerinnen folgen.
Die Ausstellung "Sie sind keine Randnotiz! Käthe Kollwitz und ...
Die Ausstellung "Sie sind keine Randnotiz! Käthe Kollwitz und ihre Kolleginnen in der Berliner Secession (1898 - 1913)" ist im Museum Schlösschen im Hofgarten vom 6. September bis 4. November zu sehen. Die Eröffnung für alle Interessierten findet am Donnerstag, 6. September, um 18 Uhr statt.
Gezeigt werden die Werke der folgenden Künstlerinnen, die Mitglieder der Berliner Secession waren oder deren Arbeiten in einer Schau der Künstlervereinigung gezeigt wurden: Käthe Kollwitz, Clara Siewert, Sabine Lepsius, Dora Hitz, Maria Slawona, Charlotte Berend-Corinth, Julie Wolfthorn, Hedwig Weiß, Renée Sintenis und Sella Hasse.
Zur Schau erscheint im Boyens Buchverlag ein reich bebilderter Katalog. Herausgeber sind Professor Dr. Ulrike Wolff-Thomsen und der Wertheimer Museumsdirektor Dr. Jörg Paczkowski, aus dessen Feder auch der Einführungstext stammt.
Jeder Künstlerin ist ein Aufsatz gewidmet. Einblick in das Leben und Werk von Charlotte Berend-Corinth gibt der ausführliche Beitrag von Museumsmitarbeiterin Dr. Constanze Neuendorf-Müller.
Abgebildet sind nicht nur die in der Schau gezeigten Werke, sondern auch Vergleichsbilder von Skizzen oder verschollenen Arbeiten wie etwa von Ernestine Schultze-Naumburg.
Erhältlich ist der 168-seitige Katalog unter der ISBN-Nummer 978-3-8042-1374-6. su
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