Wertheim. Trauer findet in unserer Gesellschaft oft wenig Platz: Bekannte wechseln die Straßenseite, um Trauernden nicht begegnen zu müssen. Nach einiger Zeit erwarten die Menschen um einen herum, dass man wieder normal „funktioniert“, weil der Todesfall nicht mehr ganz frisch ist. „Schau nach vorne“, bekommt der Trauernde zu hören.
„Jemand, der trauert, will aber nicht nach vorne gucken, sondern zurück, denn zu dieser Zeit war der geliebte Mensch noch da“, weiß Monika Hildenbrand. Die 57-Jährige aus Ebenheid hat gemeinsam mit Ursula Schlachter (60) aus Dörlesberg eine zweijährige Ausbildung zur Trauerbegleiterin absolviert. Mit einem neuen Angebot in der Woche vor Allerheiligen wollen die beiden Frauen vom Malteser-Hospizdienst St. Veronika den Trauernden genau das bieten: Raum und Zeit, zurückzuschauen und sich mit der Trauer auseinanderzusetzen.
Die Frauen hatten das Konzept eines Trauerraums ursprünglich als Seminararbeit im Aufbaukurs ihrer Ausbildung theoretisch entwickelt. „Wir haben uns so lange damit beschäftigt und wollten sehen, wie es wirkt“, begründet Schlachter den Entschluss, die acht Stationen praktisch umzusetzen.
Trauerangebote des Malteser-Hospizdienstes im Überblick
- Trauerraum: Acht Stationen in der Klosterkirche Bronnbach bieten Raum für Trauer. Öffnungszeiten: Sonntag, 26. Oktober, 12 bis 17 Uhr sowie Montag und Dienstag, 27. und 28. Oktober, 11 bis 17 Uhr.
- Trauercafé: Jeden letzten Mittwoch im Monat von 16 bis 18 Uhr findet das Trauercafé in den Räumen der Malteser in der Hospitalstraße 8, Eingang in der Bismarckstraße, statt. Das offene und unverbindliche Angebot richtet sich an Trauernde, die sich bei Kaffee und Kuchen mit Menschen austauschen möchten, die sich in einer ähnlichen Situation befinden wie sie selbst.
Trauerwandern: Jeden zweiten Monat im Jahr bieten die Trauerbegleiterinnen das Trauerwandern an. Die Teilnehmer legen in eineinhalb bis zwei Stunden gute begehbare Wege zurück. Das Laufen ist für Menschen in Trauer eine Möglichkeit, mit sich und ihrer Trauer in eine natürliche Bewegung zu kommen. Dabei können die Trauernde für sich in Ruhe bleiben oder mit anderen ins Gespräch kommen.
- Für Trauernde, die sich noch keiner festen Gruppe anschließen möchten, bieten die Trauerbegleiterinnen Einzelgespräche an. Damit geben die Möglichkeit, in geschützter und ruhiger Atmosphäre Gedanken und Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Weitere Informationen unter Telefon 0160/6009620 oder per E-Mail an trauerbegleitung.wertheim@malteser.org. kabu
Klosterkirche in Bronnbach erwies sich als passender Ort
Zunächst müsste jedoch ein geeigneter Raum gefunden werden, der sowohl genügend Platz für den Aufbau als auch ausreichend Diskretion und Anonymität für die Menschen in Trauer bieten kann. Der eigentliche Favorit, die Wertheimer Stiftskirche, schied aufgrund des hohen Publikumsverkehrs aus. Die Kapelle des Klosters Bronnbach eignete sich wegen ihrer Größe nicht. Den passenden Raum fanden die Frauen schließlich in der Bronnbacher Klosterkirche: „Das Kloster Bronnbach ist ein besonderer Ort. Man muss sich bewusst auf den Weg machen, um dorthin zu kommen“, sagt Hildenbrand.
Vom 26. bis 28. Oktober können Trauernde die acht Stationen für sich entdecken, die Schlachter und Hildenbrand in den Seitengängen des Kirchenschiffs aufbauen. Die Stationen nähern sich dem Thema auf verschiedene Arten und sprechen zum Teil unterschiedliche Zielgruppen an. Während an einer Station ganz klassisch Kerzen für die Verstorbenen entzündet werden können, bietet eine Klagemauer aus 33 Ziegelsteinen Platz für die schriftlich festgehaltenen Klagen und Bitten der Trauernden. In einem eigens eingerichteten und geschützten Raum können die Besucher Segen empfangen.
Angebot für Angehörige von Sternenkindern und verstorbenen Kindern
Den Schmerz verwaister Eltern greift eine Station mit einem dunkelblauen Paravent und Faltsternen auf: „Die Eltern können einen Stern gestalten, den Namen ihres verstorbenen Kindes darauf schreiben und ihn an den Sternenhimmel stecken“, erklärt Hildenbrand. Bewusst haben sich die beiden Frauen für Papier in allen Farben des Regenbogens entschieden. „So können die Eltern beispielsweise die Lieblingsfarbe ihres Kindes wählen.“ An die Bedürfnisse von Kindern angepasst, ist der Tisch „Von der Raupe zum Schmetterling“. „Die Geschichte der kleinen Raupe Nimmersatt beschreibt eine Verwandlung. Die Kinder können diese mit einem Weiterleben nach dem Tod in Verbindung bringen“, beschreibt Hildenbrand die Intention des Angebots, das mit Schmetterlingen zum Ausmalen und einem kleinen Falter für zu Hause komplettiert wird.
Einen echten Baum bringen die Trauerbegleiterinnen für die Station „Baum des Lebens“ in die Kirche. „Positive Momente und Gedanken schenken Kraft. Die Trauernden sollen darüber nachdenken, was ihnen hilft und wofür sie dankbar sind“, beschreibt Schlachter. Auf Blüten notiert, bringen diese Gedanken den Baum dann im Laufe der Tage zum Blühen.
Ein Glas mit Erinnerungen an den Verstorbenen füllen
Ein weiterer Tisch lädt dazu ein, bewusst auf die gemeinsame Zeit mit dem Verstorbenen zurückzublicken: In einer Schale aus Holz liegen Muscheln, Astscheiben und Notizkärtchen, in einer anderen verschiedene Steine. Außerdem stehen mit Bändern und Perlen umknüpfte Einmachgläser auf dem Tisch bereit. Mit einem Hinweistext werden die Besucher ermutigt, Erinnerungen auf die kleinen Gegenstände zu schreiben und sie dann in ein Glas zu legen. „Das Glas dürfen die Trauernden mit nach Hause nehmen, um es dort mit weiteren Erinnerungen zu füllen. Der Anfang ist mit der ersten Erinnerung bereits an diesem Tag gemacht“, erklärt Ursula Schlachter, die die rund 60 Gläser selbst gestaltet hat.
Abgerundet wird das Angebot des Trauerraums von einem Büchertisch mit Erfahrungsberichten, Kreativ- und Bilderbüchern sowie Fachliteratur. „Falls sich beim Besuch des Trauerraums Gesprächsbedarf ergibt, sind wir Trauerbegleiterinnen vor Ort“, ergänzt Schlachter.
Für die Zukunft können sich Monika Hildenbrand und Ursula Schlachter gut vorstellen, den Trauerraum als jährliches Angebot zu etablieren. „Was den Ort betrifft, sind wir ganz offen. Es muss keine Kirche sein“, sagt Hildenbrand. So sei denkbar, einzelne Stationen beispielsweise in den Räumlichkeiten eines Bestattungsunternehmens aufzubauen. Möglich wäre auch, das Angebot künftig um weitere Stationen zu erweitern. „Wir hatten noch mehr Ideen. Jetzt steht das Grundgerüst, und wir gucken, wie es weitergeht“, sagt Ursula Schlachter. Denn das Ziel der beiden Frauen ist klar: das Thema Trauer aus der Tabu-Ecke holen.
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