Wertheim. Faszinierend und außergewöhnlich sind die farbenprächtigen Exponate von mehr als einem Dutzend junger Künstlerinnen und Künstlern, die sie momentan in der Ausstellung „New Romantics“ im Wertheimer Hofgartenschlösschen präsentieren.
Gleichzeitig fühlt man sich an die eigene Kindheit und Jugend erinnert: an die Schulzeit, jetzt mitten in den Sommerferien! Warum?
So mancher kennt vielleicht diese Szene aus dem eigenen Kunstunterricht. Ein Zeichenblock und eine weiße Fläche liegen vor einem. Bleistift, Borsten- und Haar-Pinsel warten daneben, um in Bewegung gesetzt zu werden. Der Farbkasten und ein Becher Wasser sind bereit. Nun kommt die Aufgabe: „Malen Sie ein romantisches Bild!“
Die ersten Ideen sind möglicherweise ein Sonnenauf- oder -untergang in einer weiten Natur-Landschaft, ein Übergang vom Tag zum Traum oder umgekehrt, bevorzugt auch mit mystischer, menschlicher Silhouette im Vordergrund. „Soll es eine Einzelperson, ein Paar oder eine kleine Gruppe sein?“ So könnte eine Zusatzfrage lauten. Schon entlädt sich eine breite Gefühlspalette und bringt Gedanken und Probleme ins Spiel, sicherlich weniger in der kreativen und kompositionellen Umsetzung, eher thematisch und das eigene Ich und seine Beziehung zur Außenwelt betreffend. „Was will ich mit einem romantischen Bild ausdrücken? Was und wie stelle ich es dar? Kann ich eigene Befindlichkeiten einbeziehen?“
Einsamkeit, Isolation, Sehnsucht – Suchen und Finden, Partnerschaft, Dreiecksbeziehung, Trennung, Scheidung, Verlust – Sinnsuche, Diesseitiges, Ängste, Krisenbewältigung im Alltag, globale Herausforderungen, Zukunft – Transzendenz, Gotteserfahrung, Jenseitiges. Das sind allesamt Motive und Beweggründe, die eine Gestaltung der Aufgabe einerseits erschweren, gleichzeitig aber auch zu längerer Reflexion und anschließender, gelungener bildlicher Auseinandersetzung beflügeln können.
Wie das junge und jung gebliebene Künstlerinnen und Künstler bewältigt haben, zeigt die Schau „New Romantics“ noch bis zum 3. November. Ein Zwischen-Fazit voraus: Es ist eine wunderbar vorbereitete und engagiert präsentierte Ausstellung für das Museum, initiiert und kuratiert von Marc Peschke mit der Frankfurter Galerie Greulich.
Subjektives, also Gefühle und Gedanken des Individuums, vermischen sich mit der eigenen Biografie, mit Vergangenheit und Geschichte, erst recht mit der Gegenwart und ohne Frage mit der Zukunft – realistisch oder surreal. Die Natur und ihre Bedrohung sowie der Mensch in seinen persönlichen, sozialen, beruflichen und politischen Herausforderungen und Nöten, der unaufhaltsame Klimawandel, die vielen Krisen und Kriegen – all das lässt sich in den meisterhaften Werken in der Ausstellung ablesen.
Die Neoromantiker und Neoromantikerinnen stellen Fragen an die Gegenwart, kreieren Wunschwelten, folgen dem Diktum Caspar David Friedrichs: „Der Maler soll nicht bloß malen, was er vor sich sieht, sondern auch, was er in sich sieht.“
Hoffnungsschimmer verbreiten viele Bilder, zum Beispiel wenn meist alltäglich Bekanntes auftaucht, wenn Verschüttetes oder Verlorengeglaubtes neu entdeckt und chromatische (Farb-)Stimmungen mit finalen Harmonien als beruhigend wahrgenommen werden.
Aber: Manche Kunstwerke sind nicht immer sofort und plakativ erschließbar, bleiben oft geheimnisvoll und mehrdeutig, fordern die Betrachtenden auf, Stellung zu beziehen oder eine eigene Lösung zu finden wie das Öl-und Lack-Leinwand-Bild „Blasen“von Matthias Moravek.
„Romantisches Erbe kann heute einen Impuls für die Gesellschaft liefern“, betont Peschke. Das solle diese Ausstellung mit Malerei, Zeichnung, Fotografie, Collagen, Installationen und auch KI-Kunst vor Augen führen. „Romantik scheint heute in Zeiten von Big Data, Apple Watch, Algorithmen und Apps, in Zeiten einer entzauberten, datafizierten, quantifizierbaren Welt immerwährender Selbstoptimierung wichtiger denn je. Die technisierte Gesellschaft braucht Romantik, braucht neue Illusionen, braucht verborgene Tiefenschichten, braucht Sehnsucht. Die Träume sind zerbrochen, doch Künstlerinnen und Künstler träumen weiter: New Romantics.“
Die Ausstellung versammelt Arbeiten von Stefan Bircheneder, Tjark Ihmels, Stefanie Kettel, Anna Lehmann-Brauns, Sebastian Meschenmoser, Merzmensch, Matthias Moravek, Marc Peschke, Jan Schmelcher, Tessa Wolkersdorfer , Marco Wagner, Stella Winter und Thomas Wrede. Zusammengefasst erlebt der Besucher viele emotionale Momente, teils in bedrohlich anmutenden und teils in idyllischen Szenen, die zur Reflexion mit sich selbst und zur zwischenmenschlichen Kommunikation anregen.
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