Lesung - Autor Wolf Wiechert vermittelte im Franck-Haus Auszüge aus seinem Roman "Der Kaktus"

Bild und Poesie miteinander verbunden

Lesedauer: 

Marktheidenfeld/Wertheim. Aus Anlass der Ausstellung "Von der Form zum Symbol - Bild und Poesie/Poesie im Bild" von Isolde Broedermann (wir berichteten) hatte die Marktheidenfelder Volkshochschule am Freitag den Wertheimer Autor Wolf Wiechert zu einer Lesung eingeladen. Dazu bot Michael Günther ein Tafelklavier in Form einer liegenden Harfe auf, das ursprünglich in einem Münchner Adelshaus gestanden hatte, als Mozart 1780 dort ein und ausging und seine Oper Idomeneo für den Kurfürsten Karl-Theodor schrieb.

So lud Horst Köhler seitens des Veranstalters mit Blick auf das Geschehen im fernen Osten und im Norden Afrikas in unruhigen und sorgenvollen Tagen zu einem Abend der Besinnlichkeit, der Einkehr und der Schönheit von Wort, Farbe und Klang.

Einleitend rezitierte Isolde Broedermann, Wertheim, einige jener kurzen Gedichte von Wolf Wiechert, die sie zu ihren farbfrohen Bildschöpfungen inspirierten und die sie bisweilen ihren Konstrukten aus geometrischen Grundformen, pflanzlichen Umrissen und Symbolen als Textzeilen zufügt.

Im Mittelpunkt stand die Lesung von Auszügen aus Wiecherts jüngstem Roman der "Kaktus" aus dem Jahr 2008. Der Träger des Wertheimer Kulturpreises (1989) trug zunächst eine kleine Passage vor, in der der Ich-Erzähler vom Besuch eines Lautenkonzerts auf Schloss-Homburg erzählt und dem von den Barock-Lautenisten entwickelten gebrochenen Stil - Stile Brise.

Diesen Ball nahm Michael Günther gerne auf seinem Tafelklavier auf und demonstrierte mit einer Fantasie des 1750 in Würzburg geborenen Komponisten Johann Sterkel, wie dieser Stil auch auf die Kompositionen für andere Instrumente ausbreitete.

Wiechert begab sich danach auf die Spur des titelgebenden blättrigen Kaktus (Epiphyllum Oxypetalum) mit leuchtend weißen Blütentrichtern. Im 16. Jahrhundert hatte ein spanischer Eroberer das Gewächs für seine Liebe mit nach Europa gebracht. Es breitete sich über den Kontinent aus, auch hin zu jenem Schlösschen in einem aufstrebenden Städtchen am Main, das in der Geschichte einem Brandanschlag zum Opfer fällt und zum Ausgangspunkt mannigfaltiger gelehrter Recherchen des Journalisten Dr. Anselm Packhäuser und des Lektors Philipp Lorenzen führen. Bis in die Toskana oder nach Ostpreußen führt die Geschichte um Leben und Liebe, garniert mit allerlei Zeitgeschehen.

Michael Günther leistete ein Zwischenspiel mit einem Andante von Mozart, bevor Wiechert zwei Episoden aus seinem 300-Seiten Roman las. Im Jahr 2006 sollten zwei sehr unterschiedliche Ereignisse den Roman beeinflussen. Zum einen war dies ein Mozart-Jahr, denn Wolfgang Amadeus war 250 Jahre früher in Salzburg geboren worden, zum anderen schwärmte Deutschland im ungewohnten nationalen Farbenrausch von seinem Sommermärchen, der Fußball-Weltmeisterschaft der Herren.

Mit zwei Kurzgeschichten setzte Wiechert an diesem Abend kleine, sachlich wirkende Denkmäler, zum einen dem 2008 verstorbenen Dichter Gottlob Haag aus Niederstetten und dem Fischhändler Bernhard, der mit seinem Fischwagen bis zu seinem Tod den Hauch der Meeresküsten in unterfränkische Dörfer trug. Isolde Broedermann schloss mit dem Vortrag weiterer Gedichte, und Michael Günther erfüllte den Wunsch nach einem Haydn-Stück, das ein wenig venezianisch wirkte.

Der Wunsch der rund 30 Gäste nach einer Zugabe wurde von Wolf Wichert gerne erfüllt, und als er in seinem Schlussgedicht vom Blick des Pierrots des Malers Watteau berichtete, konnte diese Figur, welch ein Zufall, über Günthers Tafelklavier glücklich zwischen zwei Damen auf der gemalten Tapete des Festsaals entdeckt werden - und er lächelte!

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten