Wertheim/Tauber-Odenwald/Stuttgart.
Es war ein klares Zeichen, das die Menschen aus Wertheim und der Region am Mittwoch in Stuttgart und Tauberbischofsheim setzten: das Wertheimer Krankenhaus muss bleiben. Die seit Monaten andauernde Hängepartie soll nach ihrem Willen ein glückliches Ende finden, um die medizinische Versorgung im nördlichen Main-Tauber-Kreis auf angemessenem Niveau zu erhalten.
Sieben Busse mit 350 Leuten an Bord waren aus der Main-Tauber-Stadt in die Landeshauptstadt gefahren. Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez machte bei der Ankunft klar: „Wir kommen nicht als Bittsteller, haben klare Forderungen.“ Allerdings müsse man die Balance wahren und „nicht überdrehen“. „Wir wollen das Krankenhaus erhalten, benötigen dafür aber die klare Position des Landes und die finanzielle Unterstützung des Landkreises“, so der OB.
Es regnete, als sich der Tross nach der Ankunft mit leichter Verspätung auf den fünfminütigen Fußweg machte. Gesundheitsminister Manfred Lucha wartete schon. Wie man hörte, war er leicht verärgert über die Verzögerung, harrte aber trotz engen Terminplans aus. Bei der Kundgebung musste er sich einiges anhören. Zunächst schmeichelte das Wertheimer Stadtoberhaupt dem Minister. Man sei enttäuscht gewesen, dass Lucha nicht zur großen Kundgebung auf dem Wertheimer Marktplatz gekommen war, jetzt aber „dankbar und froh“ über seine Anwesenheit bei der Kundgebung und die angekündigte Teilnahme bei einer Sitzung des Gemeinderats am 18. März.
Herrera Torrez: „Organisierte Verantwortungslosigkeit“
Herrera Torrez wurde dann aber deutlicher und forderte, die „organisierte Verantwortungslosigkeit im Krankenhauswesen“ zu beenden. Sechs Monate dauere dieser Zustand an. Der Eigentümer lehne die Verantwortung ab. Das Land lasse nichts von sich hören, wenn es um die Krankenhausplanung geht. Auch vom Landkreis habe er „keine Verantwortung“ erkennen können. Jetzt bliebe lediglich die Stadt Wertheim, die „in Verantwortung gegangen ist“.
Herrera Torrez thematisierte die Grenzlage Wertheims zu Bayern: „Wir wollen das Gefühl haben, dass sich die Landesregierung für die entlegenen Regionen einsetzt“. Notwendig sei auch eine „grenzübergreifende Zusammenarbeit mit Bayern“
An Lucha gerichtet und unter tosendem Applaus rief er: „Stellen sie unmissverständlich klar, welche Bedeutung das Krankenhaus als Grund- und Regelversorger in Wertheim hat.“ Zudem müsse der Minister eine klare Krankenhausplanung vorlegen. Wertheim sei kein Einzelfall. Gleichzeitig benötige man ein Bundesgesetz, das die Krankenhausfinanzierung auf neue Beine stellt. Das dürfe nicht blockiert werden.
Lucha fühlte sich offenbar angegriffen. Die Situation sei seit Jahrzehnten schwierig. „An Ihrer Stelle würde ich aber Sprüche wie ‚organisierte Verantwortungslosigkeit’ nicht benutzen“, sagte er in Richtung OB und ergänzte: „Wenn Sie von der Planungspolitik nichts mitbekommen haben, müssen Sie halt öfter Zeitung lesen.“ Dafür erntete der Minister Buh-Rufe und Pfiffe. Luch beharrte darauf, dass Stuttgart „sehr klare Aufschläge“ in der bundesweiten Gesundheitspolitik gemacht habe, um Versorgung und Angebot „am richtigen Ort sicherzustellen“.
Mangelhafte Finanzierung
Die Gründe für die Insolvenz der Wertheimer Klinik müssten analysiert werden. Es habe schon vor der Pandemie einen Rückgang bei den stationären Fällen gegeben. Wegen des Finanzierungssystems könne eine Klinik wie in Wertheim dauerhaft nicht durchhalten.
Das Land werde die Stadt bei einer Übernahme des Hauses durch die Stadt „krankenhausplanerisch konstruktiv begleiten“. Stadt und Insolvenzverwaltung müssten sich einigen, ein Konzept finden, das „realistisch betreibbar ist“.
Sowohl in Stuttgart als auch in Tauberbischofsheim trugen die Notfallpraxis-Mitarbeiterin Simone Brick und die Notärztin Sandra Rückert ihre Sorgen und Bedenken vor. Ohne Klinik in Wertheim wäre der Rettungsdienst nicht mehr in der Lage, gesetzliche Hilfsfristen einzuhalten. Für Herzinfarkt- und Schlaganfallpatienten fehlten erforderliche Behandlungsmöglichkeiten.
„Eine Klinikschließung mit all ihren möglichen fatalen Folgen ist nicht denk- und zumutbar“, rief Simone Brick und ergänzte: „Es ist die verdammte Pflicht, sich als Landes- und Bundesregierung um das gesundheitliche Wohlergehen der Bevölkerung zu sorgen und zu kümmern.“
Sandra Rückert schilderte die Probleme des Rettungsdienstes. Auf der Tauberbischofsheimer Kundgebung, bei der etwa 150 weitere Leute eingetroffen waren, widersprach sie Landrat Christoph Schauder, der jüngst moderne Rettungswagen als „fahrende Intensivstationen“ bezeichnete und die Vorteile des luftgebundenen Rettungsdienstes hervorhob. Im Rettungswagen gebe es keine Radiologie, sagte die Ärztin. Hubschrauber könnten nicht jederzeit starten und benötigten auch Zeit bis zur nächsten Klinik. Landrat Christoph Schauder äußerte Verständnis für die Sorgen und Nöte der Bürger und der Mitarbeiter. Das Votum des Wertheimer Gemeinderats für Verhandlungen zur Übernahme der Klinik sei „beeindruckend und nachvollziehbar“ – auch die tausendfach unterzeichnete Unterschriftenaktion.
Schauder: „Es gibt konkreten Plan“
Schauder bekräftigte, dass der Landkreis die Stadt bei der Übernahme finanziell flexibel unterstützen werde. „Wir werden die Stadt Wertheim nicht im Regen stehen lassen“, sicherte er zu und erntete Applaus. „Es gibt einen konkreten Plan“, sagte er. Man könne dies aber nicht in der Öffentlichkeit thematisieren. Jetzt benötige man eine konkrete Zahl zum erwarteten Defizit, um weitere Details klären zu können. Die Fraktionen des Kreistags hätten konstruktive, zielgerichtete Gespräche zugesichert.
Damit sei der erste wesentliche Schritt im Hinblick auf eine finanzielle Unterstützung des Landkreises gemacht. Schauder riet, Schärfe aus der Debatte zu nehmen. „Lassen Sie uns gemeinsam mit ganzer Tatkraft an der Rettung der Klinik arbeiten“, rief er den Menschen zu. Die Veranstalter baten schließlich OB Torrez und Landrat Schauder die Botschaft: „Ja, wir bekommen das gemeinsam hin“ über Mikrofon zu verkünden. Das gelang erst nach ein paar Versuchen, dann aber doch. „Es wird um Euros gehen“, stellte Herrera Torrez zuvor klar.
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