Gespräch mit Fedra und Stefan Blido

Auch für die Wertheimer Musikschule ist Fachkräftemangel eine Herausforderung

Für die Leiter der Einrichtung ist nicht nur ein gutes Arbeitsklima wichtig

Von 
Kai Grottenthaler
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Wertheim. Die Bedeutung von Musik auf die kindliche Entwicklung ist unbestritten. Der Musikschule Wertheim kommt daher eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe zu. Die FN sprachen mit den Leitern Fedra und Stefan Blido über die aktuelle Lehrersituation und künftige Herausforderungen.

Seit 22 Jahren leitet das Ehepaar Blido inzwischen die hiesige Musikschule. Dass die Einrichtung sowohl bei der Stadtverwaltung als auch in der Bevölkerung einen guten Ruf genießt, ist auch ihr Verdienst. Gleichwohl bringt der Job aber natürlich auch Herausforderungen mit sich.

Der viel thematisierte Fachkräftemangel macht auch vor der Musikschule nicht Halt. 30 Lehrkräfte umfasst derzeit das Kollegium.

„Die große Hoffnung ist, dass wir die Harfenklasse retten können“, sagt Stefan Blido. Seit September steht die vierköpfige Klasse ohne Führung da, weil die bisherige Lehrerin nach nur einem Jahr in Wertheim eine Festanstellung am Orchester in Jena gefunden hat. Gespräche mit einem neuen Interessenten würden bereits geführt. Nach aktuellen Planungen soll zu Jahresbeginn ein Schnuppertag stattfinden. „Wir sind immer bemüht, auch seltene Instrumente zu fördern“, erläutert Stefan Blido seine Motivation.

EMP „viel größere Baustelle“

Die allerdings „viel größere Baustelle“ ist die „Elementare Musikpädagogik“ (EMP). Dazu gehört neben dem Kindermusikgarten besonders die „Musikalische Früherziehung“. Nachdem Jenny Amarell vor zwei Jahren zum Studium nach Heidelberg gegangen war, brach dieses Angebot quasi über Nacht weg. Trotz umfangreicher Bemühungen konnte bisher kein Nachfolger gefunden werden.

Die Marktsituation sei im Moment in diesem Bereich „extrem schwer“. Jährlich gebe es an der Musikhochschule Würzburg in diesem Studiengang lediglich ein bis zwei Absolventen. Diese hätten entsprechend anschließend die freie Auswahl. Nicht wenige würden sich dabei, was wenig verwunderlich ist, für eine Festanstellung entscheiden. Aktuell gebe es in Wertheim zwar „eine leise Hoffnung“, allerdings müsse zunächst wieder Aufbauarbeit geleistet, sprich Nachfrage generiert werden.

Durch bessere finanzielle und strukturelle Rahmenbedingungen versuchen die Blidos speziell bei den EMP-Kandidaten zu punkten. Stefan Blido kenne fünf EMP-Lehrkräfte, die trotz hervorragenden Studiums inzwischen nicht mehr in der Früherziehung arbeiten würden, weil die Anforderungen dort sehr hoch seien.

Für die rhythmisch-musikalische Grundausbildung der Erstklässler, ebenfalls ein Teil der EMP, seien dagegen noch genügend Lehrkräfte vorhanden. „Es könnte also noch viel schlimmer sein“, bilanziert Stefan Blido. Er sei überzeugt, dass die Schülerzahl wieder auf über 700 steigen würde, wenn es gelänge, wieder ein EMP-Angebot an Kindergärten anzubieten.

Unter dem fehlenden Angebot der Früherziehung sowie der pandemiebedingten Einschränkungen habe auch die Zusammenarbeit mit den Kindergärten gelitten. Während Kooperationen vor Ort früher völlig normal waren, sei dies inzwischen nicht mehr der Fall. Das einzig verbliebene „Außer-Haus“-Programm sei „Sprache lernen mit Musik“, das im Kindergarten am Wartberg von Larissa Morlang angeboten wird. Es wird über die Bildungsregion finanziert und ist daher kostenlos.

Warteliste aktuell nicht nötig

Abgesehen von den zwei genannten Entwicklungsfeldern stellt sich die allgemeine Situation sehr gut dar. Eine Warteliste sei aktuell nicht nötig. Auch beim Schlagzeug habe sich die Lage inzwischen entspannt. Seit November unterrichtet mit Shuo Sun nun sogar ein dritter Schlagzeuglehrer, so dass alle Kinder problemlos versorgt werden können. Am Freitagnachmittag gibt es sogar noch freie Kapazitäten. „Es wäre schön, wenn jetzt noch neue Schüler kommen“, werben die Blidos. Denn je mehr Schüler kommen, umso wahrscheinlicher ist ein Verbleib nicht nur dieser Lehrkraft.

Schließlich sind alle 30 Lehrkräfte auf Honorarbasis angestellt. Die Schulleiter wissen, was ein guter Arbeitgeber gerade bei diesem Modell heute bieten muss: Ein angenehmes Arbeitsklima, gute Bezahlung, regelmäßige Erhöhungen, ausreichende Flexibilität. Die Deputate erstrecken sich von einer bis zu maximal 26 Wochenstunden. Alle Honorarkräfte zusammen kämen auf ungefähr sieben volle Stellen.

„Jede Woche wird 230 mal 45 Minuten Unterricht erteilt“, bilanziert Stefan Blido. Die einzigen festangestellten Kräfte sind die beiden Schulleiter sowie zwei Sekretärinnen. „Ich bin optimistisch“, sagt Fedra Blido. Das Engagement der Lehrkräfte sei außerordentlich hoch.

Nicht nur die steigenden Kosten für das Personal waren ausschlaggebend dafür, dass die Gebühren per Gemeinderatsbeschluss ab dem 1. Januar 2024 erhöht werden. Im Durchschnitt werden die Steigerungen rund neun Prozent betragen. Der Musikschulrat, bestehend aus Vertretern der Schulleitung, des Elternbeirats, des Kollegiums, des Fördervereins sowie der Stadtverwaltung, hatte dies einstimmig befürwortet. Nach drei Jahren stabilen Beiträgen sei eine Erhöhung gerechtfertigt, erklärt Stefan Blido.

Lobend hebt er dabei hervor, dass der städtische Zuschuss dagegen in jedem Jahr angestiegen ist. Nun müsste ein kleiner Anteil der zusätzlichen Kosten eben von den Eltern getragen werden. Dadurch könnten jährlich rund 19 000 Euro mehr generiert werden, die größtenteils in eine Erhöhung des Honorarsatzes von 30 auf 32 Euro sowie allgemeine Personalkosten fließen werden.

Allgemein gestalte sich die Zusammenarbeit mit der Stadt Wertheim sehr gut. Die finanzielle Ausstattung sei gut. „Wir fühlen uns sehr wertgeschätzt“, freuen sich die Blidos wie aus einem Mund. Und dieses Vertrauen zahlen sie zurück.

Hohe Qualität

„Niveaumäßig ging es unserer Musikschule nie besser“, analysiert Fedra Blido. Neben dem sehr breiten Basisangebot freut sie sich auch über die hohe Anzahl an Teilnehmern und Preisträgern beim Wettbewerb „Jugend musiziert“.

Statt wie früher maximal einer Handvoll nähmen inzwischen regelmäßig mehr als 20 Wertheimer Nachwuchsmusiker teil – und belegen dabei immer wieder Top-Platzierungen. Nicht das einzige Zeichen für die hohe Qualität des Kollegiums.

Zahlen und Daten zur Wertheimer Musikschule

Aktuell zählt die Musikschule Wertheim rund 630 Schülerinnen und Schüler, die Hälfte davon im EMP-Bereich. Im vergangenen Jahr waren es noch unter 600 Schülern, was auch auf die „Corona-Delle“ zurückzuführen ist.

Der Höchststand von 730 Schülern liegt einige Jahre zurück, wobei der leichte Einbruch auf den Wegfall der „Elementaren Musikpädagogik“ (EMP) zurückzuführen ist.

Im bundesweiten Vergleich mit anderen Verbandsmusikschulen gibt es in Wertheim im Verhältnis zur Einwohnerzahl doppelt so viele Schüler. In Baden-Württemberg befindet sich die Main-Tauber-Stadt im Spitzenfeld der landesweit rund 220 Schulen.

Zum Jahreswechsel werden die Gebühren für Musikschülerinnen und -schüler um neun Prozent erhöht. Die musikalische Früherziehung kostet für Schüler aus Wertheim dann beispielsweise 33 statt 30 Euro pro Monat, der 45-minütige Einzelunterricht 108 Euro statt 99 Euro. Vergünstigungen können über den Familienpass der Stadt Wertheim erworben werden. Auch über das Bildungs- und Teilhabepaket oder den Förderverein können finanziell schwächere Familien Unterstützung erhalten. „Am Geld soll es eigentlich nicht scheitern“, sagt . Stefan Blidokg

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