Dertingen. An der Tür zur Krippe „Kückennest“ in Dertingen hängt am Montag ein laminiertes Blatt, auf dem unter der Überschrift „Die aktuelle personelle Besetzung“ auf grünem Grund zu lesen ist: „Wir sind gut organisiert“. Das gleiche Schild empfängt die Besucher an der Tür zur Kindertagesstätte – auch dort ist alles im grünen Bereich.
Personal-Ampel seit November 2023 im Einsatz
Für die Eltern der Krippen- und Kindergartenkinder bedeutet das: Sie müssen sich keine Gedanken darüber machen, ob ihr Nachwuchs in den kommenden Tagen wie gebucht in der Einrichtung betreut werden kann. Seit November des vergangenen Jahres nutzt Kita-Leiterin Manuela Müssig die Personalampel, um die Situation in der Kita für die Eltern transparent zu gestalten und frühzeitig auf eventuelle Engpässe aufmerksam zu machen. „Unser Ziel ist es, immer im grünen Bereich zu bleiben. Leider haben wir das nicht in der Hand“, sagt die Kita-Leiterin. Bisher stand die Personalampel im schlechtesten Fall auf „Gelb“.
„Die Eltern nehmen das Prozedere auf diese Weise anders wahr, wenn etwa Öffnungszeiten gekürzt oder Notgruppen angeboten werden müssen“, verdeutlicht Melissa Merz den Gedanken hinter der Ampel. Merz betreut als Verwaltungsgeschäftsführerin die elf evangelischen Kindertagesstätten der Kirchengemeinden Dertingen, Höhefeld, Kembach, Nassig-Sonderriet, Sachsenhausen und Wertheim. Neben Dertingen hat auch die Einrichtung in Nassig die Personalampel eingeführt.
Dass Kindertagesstätten nur Notbetreuung anbieten können, beziehungsweise im Extremfall Gruppen zeitweise schließen, gehört für Eltern in Deutschland längst zum Alltag. „Jeder weiß, wie der Personalstand bei Erziehern ist. Das Problem ist mittlerweile in unserer Region angekommen“, sagt Merz.
Krankenstand in Kitas nimmt aufgrund erhöhter Belastung zu
So habe der Krankenstand aufgrund erhöhter Belastung zugenommen. In vier der elf Einrichtungen unter Trägerschaft der Evangelischen Kirche im Raum Wertheim sind zur Zeit Stellen offen. Die Konsequenz aus der Unterbesetzung: Fällt weiteres Personal aufgrund von Krankheit aus, muss zunächst am Angebot und später an den Betreuungsstunden gekürzt werden. „Gespräche über Notgruppen führe ich nahezu täglich“, ordnet Merz ein, die Verständnis für Eltern hat, die sich über Kürzungen der Öffnungszeiten ärgern. „Allerdings haben wir unsere Vorgaben und Richtlinien. Entsprechend müssen wir Maßnahmen ergreifen.“
„Auch in unserer Einrichtung gab es eine Phase mit vielen Personalausfällen. Dabei ist mir aufgefallen, dass sich die Mitarbeiterinnen nicht trauen zu sagen, dass sie keine weiteren Vertretungen übernehmen können. Manche haben bis zum Umfallen gearbeitet oder zu Lasten ihres eigenen Familienlebens“, schildert Müssig. Aus dieser Lage heraus sei die Idee zur Ampel entstanden.
Das bedeuten die Ampel-Phasen für Eltern
Aktuell läuft es rund in Dertingen: Seit gut zwei Jahren ist das Team vollzählig, inklusive zweier Springerinnen, die nur für Vertretungen eingesetzt werden. „Ein Glücksfall. Aber morgen könnte es schon ganz anderes aussehen“, bekennt Müssig.
Für die Ampel hat die Kita-Leiterin vier Phasen (grün, gelb, orange, rot) definiert und auf ihr Team abgestimmt: Während bei „Grün“ der Betrieb planmäßig laufen kann, zieht „Gelb“ erste Einschränkungen nach sich. Zwar können die Ausfälle dann noch durch Vertretungskräfte oder durch Stornierung von Freizeitausgleich abgefangen werden, Elterngespräche müssen durch den Wegfall von Vorbereitungszeiten jedoch verschoben werden.
Fallen noch mehr Betreuungskräfte aus, folgen die Phasen „Orange“ (Zusammenlegung von Gruppen, Kürzung der Betreuungszeiten, Abholung, wenn möglich, um 12.30 Uhr, zusätzliche Angebote für Vorschüler oder Ausflüge entfallen) und „Rot“, bei der die Aufsichtspflicht nicht mehr gewährleistet werden kann (Notgruppe oder Gruppenschließung). Eine Priorisierung nach Berufstätigkeit der Eltern gebe es in der Notbetreuung nicht. „Das steht uns nicht zu. Stattdessen appellieren wir an die Eltern, selbst zu entscheiden, ob sie ihr Kind zu Hause lassen können“, betont Merz. Dieses Vorgehen funktioniere gut. „Uns hilft es, wenn Eltern ihre Kinder so früh wie möglich entschuldigen, wenn diese nicht in die Kita kommen. Wenn dann viele Fachkräfte fehlen, schauen wir immer in die App, ob Kinder abgemeldet sind. Manchmal reichen dann weniger Fachkräfte, um die Betreuung aufrecht zu erhalten“, erklärt Müssig, die sich über die Resonanz der Eltern auf die Ampel freut. Es gehe dabei auch um den wertschätzenden Umgang. „Sie nehmen unsere Situation wahr und machen sich Gedanken: Als die Ampel beispielsweise ,Gelb’ war und gleichzeitig eine Kinderkirche anstand, wurden wir gefragt, ob wir das überhaupt leisten können.“
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