Wertheim. In der Altstadt – sowohl links als auch rechts der Tauber – wird der Einzelhandel in Zukunft eine geringere Rolle spielen. Hingegen gewinnen dort das Wohnen und das Dienstleistungsangebot an Bedeutung. Lediglich auf dem Areal der sogenannten „Innenstadterweiterung“ wächst das Einkaufsangebot. Die Gastronomie bleibt auf stabilem Niveau. Das sind die Kernaussagen der Marktforscher des Ludwigsburger Beratungsunternehmens GMA. Projektleiter Gerhard Beck stellte am Montag dem Gemeinderat in seiner ersten virtuellen Sitzung die Ergebnisse einer aktualisierten Bewertung der Situation vor.
Zu kleine Verkaufsflächen
Innenstadtkonzept der Stadt Wertheim
Bei der sogenannten Evaluierung des Innenstadtkonzepts kamen die GMA-Marktforscher zu unterschiedlichen Ergebnissen. Folgen der Pandemie sind noch nicht berücksichtigt.
Die Innenstadt sei bunt. Es gebe einen stark ausgeprägten Nutzungsmix (Einzelhandel, Dienstleistung, Gastronomie, öffentliche und kulturelle Einrichtungen).
Der Einzelhandel konzentriere sich an den Hauptachsen Brückengasse/Eichelgasse–Maingasse/Marktplatz.
Die Erweiterung nördlich des Bahnhofs sei deutlich aufgewertet worden und fungiere als attraktiver, ergänzender Zusatz zum kleinflächigen Einzelhandel der Altstadt.
Seit 2014 hätten fünf zusätzliche Einzelhandelsbetriebe dort eröffnet. 25 weniger seien es mittlerweile im Bereich der Altstadt.
In der Altstadt gebe es viele Dienstleistungsbetriebe („sehr positive Entwicklung“). Medizinische Dienstleistungen konzentrieren sich dagegen vor allem am Bahnhof.
Etwa 140 neue Wohneinheiten seien in der Altstadt links und rechts der Tauber geschaffen worden. Die Einwohnerzahl stieg dadurch binnen fünf Jahren bis 2019 um 159 auf 3086 Personen. wei
Insgesamt zog Beck eine „sehr positive Bilanz“, was den Nutzungsmix in der Wertheimer Innenstadt angeht. Die Leerstände seien zurückgegangen, auch weil in Nebenlagen der Altstadt vormalige Handelsflächen als Wohnraum genutzte werden. Das trage zur Attraktivität bei, „weil die Innenstadt belebt bleibt“, so Beck. Die Main-Tauber-Stadt sei diesbezüglich ein „Vorreiter“. Andere Städte wie Tauberbischofsheim und Marktheidenfeld hätten mit wesentlich mehr Problemen zu kämpfen. Wertheim stünde gut da, weil viele der 2014 beschlossenen Maßnahmen erledigt worden seien.
Jürgen Strahlheim vom Referat Wirtschaftsförderung nannte als einen Hauptgrund für die zunehmende Verlagerung der Geschäfte von der Altstadt hin zu dem Gelände nördlich des Bahnhofs die zu geringen Einzelflächen rund um den Marktplatz. Die Händler benötigten Läden ab 150 Quadratmeter. Die stünden in der Altstadt kaum zur Verfügung, was eine „große Herausforderung“ darstelle.
Strahlheim und Beck wiesen daraufhin, dass es nun wichtig sei, beide Bereiche besser zu verknüpfen, „damit die Innenstadt in Gänze als solche wahrgenommen wird“, wie Strahlheim sagte. Gerhard Beck nannte als „große Zukunftsaufgabe“ einen „breiteren Brückenschlag auf Höhe des Spitzen Turms über die Tauber“ anzubieten. Man würde damit die dortigen Stellplätze besser anbinden. Sollte zusätzlich der Weg über die Bahngleise freigemacht werden, hätte man die Verknüpfung endgültig umgesetzt. „Das wäre der wichtigste Impuls für die nächsten Jahre“, so Beck.
Verknüpfung schaffen?
Martina Wenzel (CDU) forderte in der Aussprache, diese Pläne zu forcieren. Zwischen Bahnhofsgelände und Altstadt müsse ein Austausch ohne Umwege stattfinden können. „Das eine Gelände darf das andere nicht abhängen. Ein großes Ganzes soll es sein“, forderte Wenzel.
Möglicherweise gebe es eine „sinnvolle, kostengünstige Lösung“. Sie stellte den Antrag, die Verwaltung damit zu beauftragen, „verschiedene bauliche Varianten zur Anbindung des Bahngeländes an die Altstadt konkret aufzuarbeiten und diese inklusive Kostenrechnungen dem Gemeinderat innerhalb eines Jahres vorzulegen“.
Axel Wältz (CDU) ergänzte, dass dies mit wenig Aufwand verbunden sei. Es gebe schon Grobplanungen, die lediglich aufgearbeitet werden müssten.
Manfred Busch (Freie Bürger) dagegen bezweifelte, ob überhaupt Haushaltsmittel – er nannte sechs bis acht Millionen Euro – für eine Anbindung vorhanden seien. Es gebe andere Projekte, die möglicherweise wichtiger sind. Man dürfe nicht den Eindruck erwecken, den Brückenschlag schon in naher Zukunft umsetzen zu können. Richard Diehm (Grüne) pflichtete ihm bei: Die Tauberüberquerung sei „definitiv kein Allheilmittel“. Die wenigsten Supermarkt-Kunden würden nach einem Einkauf noch die Altstadt besuchen.
OB Markus Herrera Torrez wandte sich ebenfalls gegen den CDU-Antrag. Das Projekt sei zwar durchaus „zielführend“. Die Verwaltung habe aber derzeit viele Aufgaben vor der Brust. Deswegen solle das Innenstadtkonzept erst 2022/2023 wieder auf die Agenda kommen.
Kein Allheilmittel
Bernd Maack (Freie Bürger), auch Vorsitzender des Vereins Stadtmarketing, sah die Entwicklung des Einzelhandels in der Altstadt kritischer als Gerhard Beck. Der hatte berichtet, dass es 25 Betriebe weniger als vor sechs Jahren in der Altstadt gebe. Maack wiederum zählte 50 Geschäfte, die noch existierten – „eine nicht unbedeutende Minimierung“. „Gefühlt“ sei der Leerstand höher.
Patrick Schönig (SPD) machte in der vorgelegten Untersuchung ebenfalls Unstimmigkeiten aus. Man diskutiere schon seit Jahren über die gleichen Optimierungsmaßnahmen, trotzdem falle das derzeitige Fazit der Studie positiv aus. „Irgendetwas passt nicht zusammen“, so Schönig, der darauf verwies, dass in Miltenberg und Marktheidenfeld das Mainufer als Attraktivitätsfaktor eine wichtige Rolle spiele. „Bei uns parkt man am Main“, bemängelte Schönig.
Den CDU-Antrag, die Pläne für die Tauberüberquerung zu forcieren, lehnte das Gremium schließlich mehrheitlich ab. Das Innenstadtkonzept soll erst 2022/2023 fortgeschrieben werden.
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