Niklashausen. Ilse Hess sitzt an ihrem großen ovalen Esstisch. Vor ihr liegt ein prall gefüllter Ordner. Beim langsamen Durchblättern des Inhalts sieht man ihr die Wehmut an. Es sind die Anwesenheitslisten aus fast 40 Jahren Frauengymnastik. Als sie auf der letzten Seite angekommen ist, verharrt sie kurz, streicht diese sanft glatt. Sie kann sich noch genau daran erinnern, wie es war – 1988.
„Ilse, Du bist sportlich, Du kannst das“
Bis die Pfeifferhalle in Niklashausen gebaut wurde, gab es lediglich eine Tischtennisabteilung, die im Saal der Gaststätte trainierte. Mit Fertigstellung der Halle im Jahr 1988, war klar: Eine Frauengymnastikabteilung soll gebildet werden. Viele Mitmachende fanden sich zusammen, darunter die frühere Ortsvorsteherin Marlise Düx und Brigitte Brümmer. Aufgrund der hohen Zahl wurden von Beginn an zwei Gruppen gebildet. Jetzt galt es nur noch zu klären, wer die Frauen anleiten sollte. „Ilse, du bist doch sportlich. Du kannst das.“ So oder so ähnlich war die Argumentation, die ihr Mann Rainer, zu der Zeit im Vorstand des SV Niklashausen, ins Feld führte. Ilse Hess, damals Mutter von zwei kleinen Kindern und Teilzeitkraft im Unternehmen des Schwagers, sagte zu. „Ich habe schon immer gerne Sport gemacht. Oft bin ich gemeinsam mit Gabi Flegler und später auch mit Agnes Stauder oder mit meinem Mann gejoggt, gewalkt, gewandert oder Rad gefahren. Also habe ich zugesagt“, erinnert sie sich und muss ein wenig schmunzeln. Dass aus dieser Zusage einmal 37 Jahre werden, hätte sie sich nicht träumen lassen.
Natürlich standen zu Beginn für sie und Judith Fünkner, die zunächst die zweite Gruppe leitete, etliche Fortbildungen an, beispielsweise in der Sportschule in Steinbach. Absoluter Trendsport damals war Aerobic. Etliche Übungen davon sind bis heute geblieben. Der Hula-Hoop-Reifen und der Medizinball allerdings bleiben inzwischen im Geräteraum ungenutzt liegen. Dafür sind Pezziball, Thera-Band, Gewichtsmanschette und Step-Brett eingezogen. „In 38 Jahren hat doch einiges geändert. Früher hieß es beispielsweise, man solle bei den Übungen nicht wippen. Heute macht man viele kleine Wipp-Bewegungen.“
Viele von Anfang an dabei
Standen zu Beginn in Ilse Hess‘s Gruppe noch viele schnelle Spiele auf dem Plan, so sind die Übungen im Laufe der Jahre gemäßigter geworden „Die jüngste in meiner Gruppe ist 69 Jahre alt und die älteste Sportlerin wird jetzt 90“, sagt sie, ohne in die Unterlagen schauen zu müssen. Ein bisschen Stolz schwingt dabei in ihrer Stimme mit. Denn viele Frauen haben ihr von Anfang an bis zum heutigen Tag die Treue gehalten. Beliebt ist inzwischen Stuhlgymnastik, die durchaus anstrengend sein kann und trotzdem viele Muskeln in Anspruch nimmt, versichert die Trainerin. Natürlich wurde damals wie heute bei Musik trainiert. Zum Aerobic gibt es flotte Schlager, aber auch die Spessartthaler sorgen für Schwung und gute Laune bei den Übungen. Oft bleiben
die Damen anschließend noch zusammensitzen, um den ein oder anderen Geburtstag zu feiern. Gemeinschaft wird in dieser Sportgruppe großgeschrieben.
Für Ilse Hess ist klar: „Bewegung bis ins hohe Alter ist wichtig, damit man gelenkig bleibt.“ Altersgerecht müsse sie jedoch sein. Sie selbst, mittlerweile 70 Jahre alt, geht inzwischen auch lieber walken statt joggen.
Vor wenigen Tagen hat Ilse Hess ihre letzte Gymnastikstunde gehalten, die mit herzlichem Beifall und vielen Umarmungen endete. Die offizielle Verabschiedung von ihren Frauen gab es am vergangenen Montag im Gemeindehaus in Niklashausen.
Natürlich fällt der engagierten Trainerin nach so langer Zeit der Abschied schwer. Keine Frage war, dass Ilse Hess hin und wieder die Vertretung für ihre „prima Nachfolgerin“ übernehmen werde. Und die hat man in Nicole Bauer gefunden.
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