Altertheim. Es war ein heißer Sommertag, der 28. Juli 1825, an dem das Leben in Oberaltertheim eine dramatische Wendung nahm. Gegen 15 Uhr brach wahrscheinlich in der Werkstatt eines Seifensieders ein Feuer aus – eine glimmende Unachtsamkeit, die nur wenige Minuten später zur Katastrophe wurde. Innerhalb von drei Stunden verwandelte sich das ganze Dorf in ein Flammenmeer. Fast alle Gebäude fielen den Flammen zum Opfer – nur fünf Häuser überstanden das Inferno, drei davon stehen bis heute. 200 Jahre nach diesem schicksalhaften Tag gedachten die Bürger Oberaltertheims am vergangenen Montag der Opfer und der Kraft der damaligen Dorfgemeinschaft.
„Hier zeigte sich die wahre Stärke des Dorfes“, sagte Bürgermeister Bernd Korbmann in seiner Ansprache. „Inmitten völliger Zerstörung stand der Zusammenhalt über allem.“ Rund um den zentralen Freien Platz, der 1825 im Zentrum des Brandes lag, hatten sich zahlreiche Einwohner, Ehrengäste und Nachkommen damaliger Familien versammelt. Der Platz war damals ein offener Raum mit Brunnen – doch dieser befand sich mitten im Feuer, unzugänglich für Löschversuche. Eine organisierte Feuerwehr gab es zu jener Zeit noch nicht. Wasser musste aus dem benachbarten Unteraltertheim herangeschafft werden – zu Fuß, mit Kübeln, in aller Eile und gegen die gnadenlose Kraft der Flammen.
Chronik vermerkt trocken: „Oberaltertheim ist nicht mehr“
In der historischen Chronik in Castell ist das Ereignis mit einem erschütternden Satz dokumentiert: „Oberaltertheim ist nicht mehr.“ Es ist ein Satz, der die Tragweite des Geschehens kaum fassen kann. Die meisten Menschen befanden sich zur Zeit des Brandausbruchs auf den Feldern – ein Glück im Unglück, denn so retteten sich viele. Dennoch starben drei Menschen in den Flammen, ebenso zahllose Tiere, die in ihren Ställen eingeschlossen waren. Kirche, Schule, Pfarrhaus – nichts blieb verschont. Das Feuer verbreitete sich rasant, begünstigt durch die Bauweise der damaligen Zeit: Dächer aus Stroh, Häuser aus Holz und Lehm – trocken, brennbar, schutzlos.
82 Familien standen plötzlich ohne Dach über dem Kopf
Pfarrerin Astrid Männer beschrieb das Ausmaß des Leids eindrücklich: „82 Familien standen ohne Obdach da, sie hatten buchstäblich nur noch das, was sie am Leib trugen.“ Doch sie würdigte zugleich die Hilfsbereitschaft der Umgebung: „Die benachbarten Orte zögerten nicht – die sogenannten ‚Abbrändler‘ wurden aufgenommen, versorgt, getröstet.“ Für die Pfarrerin ist die neue Gedenktafel, die bei der Veranstaltung enthüllt wurde, mehr als nur ein Erinnerungszeichen. „Sie ist ein stiller Dank an alle, die damals geholfen haben.“
Die Gedenktafel wurde am Rande des Dorfplatzes feierlich enthüllt. Auf ihr zu lesen sind die wesentlichen Daten der Katastrophe, aber auch Worte der Hoffnung. Ergänzt wird sie durch einen modernen QR-Code, über den in Kürze eine digitale Seite mit weiteren Hintergrundinformationen abrufbar sein wird. Dort finden sich Zeitzeugnisse, historische Dokumente, sowie ein Überblick über den Wiederaufbau des Dorfes.
Landrat Eberth: „Gedenken verbindet Vergangenheit und Zukunft“
Auch der Würzburger Landrat Thomas Eberth würdigte in seiner Rede die Bedeutung der Gedenkveranstaltung: „Solche Ereignisse sollen nicht in Vergessenheit geraten. Sie erinnern uns nicht nur an Leid und Zerstörung, sondern auch an den Mut, an die Kraft und an die Perspektive, die aus einem Neuanfang erwächst.“ Der Wiederaufbau begann bereits im Frühjahr 1826. Trotz aller Not und fehlender Ressourcen wurde mit vereinten Kräften gearbeitet. Die neue Kirche konnte schon im Herbst 1828 wieder eingeweiht werden – ein Symbol für Aufbruch und Beständigkeit.
Ein besonderes Anliegen war es der Gemeinde, auch die junge Generation in das Gedenken einzubeziehen. Kommandant Holger Seubert von der Freiwilligen Feuerwehr Oberaltertheim hatte am Freitag zuvor eine eigens organisierte Führung für Schüler der Gemeinde angeboten. Mit großer Aufmerksamkeit lauschten die Kinder seinen anschaulichen Schilderungen. Seubert hatte nicht nur historische Fakten parat, sondern auch viele überlieferte Geschichten – kleine Erzählungen vom Mut einzelner, von Nachbarschaftshilfe und dem Überlebenswillen der Menschen. „Für viele Kinder war das eine völlig neue Seite ihrer Heimatgeschichte“, sagte Seubert.
Pünktlich um 15 Uhr, dem exakten Zeitpunkt des damaligen Brandausbruchs, verstummte die Veranstaltung für einen Moment des Innehaltens. Die Kirchenglocken begannen zu läuten – ein Mahnläuten, das den ganzen Ort durchdrang. Niemand sprach. Nur der Wind, das Glockengeläut und die Gedanken an das, was einst war.
Musikalisch wurde die Gedenkfeier vom Musikverein Kist/Altertheim und dem Sängerkranz Oberaltertheim getragen. Ihre Beiträge verliehen der Veranstaltung eine würdevolle, emotionale Tiefe. Die evangelische Landjugend sorgte im Anschluss für die Bewirtung der Gäste.
„Wir können das Leid nicht ungeschehen machen“, sagte Bürgermeister Korbmann zum Abschluss, „aber wir können uns erinnern – und daraus lernen, was Gemeinschaft, Menschlichkeit und Zusammenhalt bedeuten.“ Worte, die viele Anwesende berührten – denn das stille Gedenken wurde zu einem gemeinsamen Versprechen: Die Vergangenheit in Ehren zu halten und die Zukunft mit offenem Herzen zu gestalten.
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